So kümmert sich diese Bielefelder Künstlerin um schwerstkranke Menschen

Bielefeld. Die Tür zum Patientenzimmer öffnet sich, herein kommt Marie-Pascale Gräbener, die Gitarre im Arm. Patientin Ute Grothues (63) liegt nun schon seit elf Wochen im Johannesstift des EvKB, drei davon war sie auf der Intensivstation. Jetzt ist sie &bdquo;auf Station“ im Bauchzentrum und hat das Schlimmste, so hofft sie, überstanden. Zeit für ein bisschen Zerstreuung im langweiligen Klinikalltag. Da kommt Gräbener gerade recht – mit klarer, sanfter Stimme intoniert sie ein Frühlingslied, macht Mut mit einfachen, doch wirkungsvollen Texten, lädt zum Mitsingen ein. Es sind Lieder wie ein warmes Wannenbad, wohltuend für jene, die sich ihren Besuch wünschen. Weil sie harte Wochen mit langwierigen Behandlungen hinter sich haben, mit Operationen und Schmerzen. Patientin lag im künstlichen Koma Bei Ute Grothues, die nach OP und einem langwierigen Heilungsprozess immer noch überwiegend ans Bett gebunden ist, läuft die Bielefelder Grafikerin und Künstlerin, die auch Musik macht, offene Türen ein: &bdquo;Es ist so eine schöne Abwechslung. Manchmal sind die Lieder so berührend und wahr, dass bei mir die Tränen kullern“, berichtet die Patientin gut gelaunt an diesem Morgen. Eine Woche lang hatte sie im April im künstlichen Koma gelegen: &bdquo;Mein Leben stand wohl echt auf der Kippe“, berichtet die Patientin und muss schlucken. Umso schöner, dass ihre Genesung jetzt so einen freundlichen musikalischen Anschub bekommt. Gräbener intoniert: &bdquo;Liebe macht mich ganz, Liebe macht mich heil, Liebe ist das Licht, das in meinem Herzen scheint.“ Die Texte seien bewusst eingängig gehalten, die Melodien lebensbejahend, damit jeder mitsingen könne, ohne in ein Heft oder auf Noten schauen zu müssen, erzählt Gräbener und greift erneut in die Saiten. Auch die anderen beiden Patientinnen im Zimmer hören andächtig zu, lächeln zufrieden. Eine sagt: &bdquo;Ich wusste gar nicht, dass es so ein Angebot hier im Haus gibt.“ Künstlerin spendet auch Pflegekräften Trost Die Klink-Clowns, die zur Zerstreuung der Patientinnen und Patienten kommen, von denen habe man gehört. Aber ein Besuch zum Singen oder Zuhören? Dass Gräbener inzwischen regelmäßig im Johannes-Krankenhaus ihre Runden zieht, ist der Seelsorgerin des Johannesstifts, Pfarrerin Sigrun Potthoff, zu verdanken. Sie bereitet jeden Besuch Gräbeners vor, indem sie speziell Langzeitpatienten anspricht und schaut, wer sich über Musik im Klinikalltag freuen würde. &bdquo;Ich bekomme dann eine Liste, die ich abarbeite“, schildert Gräbener. Erschienen in der Serie Kliniken im Fokus: Seit 30 Jahren im Einsatz: Bielefelder Intensivschwester ist dem Tod ständig nahe Ein Bielefelder Krankenhaus erhält im großen Klinikvergleich der AOK Topnoten &bdquo;Gehalt ist nicht so wichtig“: Flüchtling wird zum preisgekrönten Koch am Klinikum Bielefeld Einmalig in Bielefeld: Neue Ambulanz berät bei Konflikten um das eigene Geschlecht Dieser Strahlenspezialist wacht in Bielefeld über radioaktives Zwischenlager Nachdem sich die Belegschaft des Zimmers ausführlich bei ihr für den Besuch bedankt hat, geht es weiter. Grothues sagt noch schnell: &bdquo;Ihre Stimme ist so beruhigend, das tut gut und lässt einen mit einem Lächeln im Gesicht zurück“. Auf dem Weg zur nächsten Patientin berichtet Gräbener: &bdquo;Ich habe manchmal die tollsten Gespräche mit den Männern und Frauen. Das geht weit über die Zerstreuung hinaus, die ich mitbringe. Manchmal sind es ganz ernste Themen.“ Man merke, dass Musik die Seelen öffne und ein Ventil sei, um Dinge zu verarbeiten. Auch im Stationszimmer, wo die Pflegekräfte in ihrem oft hektischen Berufsalltag zusammenkommen, ist sie gern gesehen. &bdquo;Einmal bat mich eine Pflegekraft, die gerade Schweres erlebt hatte, ich möge ihr schnell was ,zur Beruhigung’ spielen. Dann hat sie eine Runde geweint und dann ging’s weiter“, erinnert sie sich. Lesen Sie auch: Kämpfer für den Rettungsdienst: Bielefelder Notarzt bei Loveparade-Katastrophe an vorderster Front Musikerin für Kranke &bdquo;richtiger Standup-Comedian“ Im nächsten Zimmer wartet an diesem Morgen eine bettlägerige 73-Jährige. Sie habe mit schwerem Dekubitus zu lange unversorgt zu Hause zugebracht, berichtet sie. Nun sei die Genesung komplex und dauere umso länger. Seit neun Wochen sei sie schon im Krankenhaus. Die Frau erinnert sich an den letzten Besuch Gräbeners und sagt: &bdquo;Sie ist ein richtiger Standup-Comedian.“ Stehe etwa gerade das Mittagessen da, baue sie in ihr Lied spontan die Bratwurst oder das Kartoffelpüree ein. Damit nehme sie den Menschen die Scheu und Beklemmungen. Gräbener singt: &bdquo;Der Honig ist süß, weil es die Zitrone gibt. Ganz ohne Traurigkeit, gäb’s auch keine Freud.“ Die Patientin, die einen Japan-Onlineshop betreibt unterhält sich nach dem Singen mit leuchtenden Augen mit der Sängerin über die Besonderheiten der japanischen Kultur. Sie wirkt lebhaft und entspannt, als die Musikerin sie verlässt. &bdquo;Die Musik holt die Menschen aus trüben Gedanken, aus der Lethargie. Ich glaube, dass sie auch etwas zur Heilung beiträgt“, ist die Sängerin überzeugt.

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