Terror, Naturgewalten: Krankenhäuser bereiten sich in Bielefeld auf Katastrophen vor

Bielefeld. Deutschland vibriert. Die Europameisterschaft bewegt das Land, fordert es organisatorisch aber auch heraus. Auch in Bielefeld. Zumindest potenziell. So bei den Krankenhäusern. Keiner spricht gerne darüber, doch sind Massenpanik, einstürzende Tribüne oder Terroranschlag eben das, was im Hintergrund mitgedacht werden muss. Und das intensiver - nicht erst seit der EM, sondern seit dem Terror von Madrid, New York, Paris, seit der Pandemie, Hacker-Angriffen, sich verschärfenden Naturgewalten und natürlich seit dem Krieg in Europa. Hinter Abkürzungen wie KAEP, MANV und KRITIS verstecken sich gewaltige Aufgaben, im Fall der Fälle. Krankenhaus-Alarm und Einsatzplan (KAEP) und Massenanfall von Verletzten (MANV) sind vor allem Themen der großen Kliniken (ab 30.000 vollstationären Fällen im Jahr), die als &bdquo;Kritische Infrastrukturen“ (KRITIS) gelten, und zu Übungen, Techniknachweisen und Auditierungen (Überprüfungen) verpflichtet sind. EvKB ist Traumazentrum für Schwerverletzte in OWL In Bielefeld gehören dazu das Städtische Klinikum und das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB), das 2023 auf 43.138 Fälle kam. Mit dem Traumazentrum für Schwerstverletzte nimmt das EvKB eine besondere Stellung in Ostwestfalen-Lippe ein. Mit zwei Schockräumen für die Erstversorgung und zwei CT und MRT ist alles auf die Versorgung von zwei Schwerverletzten parallel ausgerichtet. &bdquo;Wir haben als Uni-Klinik und Traumazentrum eine koordinierende Funktion in der Region“, sagt Dr. Hans-Werner Kottkamp, seit 15 Jahren Chefarzt der Zentralen Notaufnahme. Er betont: Im Fall der Fälle seien die Kliniken Partner, zumal bald auch kleinere mit im KRITIS-Boot sitzen sollen. &bdquo;Es gibt Qualitätszirkel, bei diesem Thema geht alles Hand in Hand.“ Die Dimensionen: Als MANV 1 gilt ein Vorfall mit bis zu zehn Schwerstverletzten, bei MANV 2 geht es in Richtung 50 und mehr Betroffene. Wenn das EvKB als große Klinik im Normalbetrieb gleichzeitig zwei, vielleicht drei Schwerstverletzte versorgen kann, zeigt das die Größe der Aufgabe. Kottkamp sieht die Grenze des EvKB im Extremfall bei etwa 25, doch es sei schwierig, das konkret zu sagen. 15 bis 20 Beatmungsplätze sind ein Indiz für die Kapazitätsgrenzen in einer Großschadenslage. Fakt sei: Sollte eine Situation mit vielen Schwerstverletzten auftreten, gerate die Klinik in eine enorme Stresslage. Telefonische Notfallketten würden gestartet, von den 5.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (65 Prozent ärztliches, pflegerisches und therapeutisches Personal) würden abgestuft 800 bis 900 zusätzlich vor Ort benötigt; freiwillig. Kottkamp: &bdquo;Wir gehen von einer Mehrheit aus, die dafür eine Bereitschaft hat, und versuchen, die Akzeptanz immer weiter zu erhöhen.“ In Wellen würde vom Krisenstab aus alarmiert, je nach Bedarf und zeitlicher Notwendigkeit. Das bedeutet eine Klinik am Limit für Patienten Die Klinik am Limit, das hieße auch: Einbestellte Patienten würden zurückgestellt, die Notaufnahme freigeräumt, nicht akut gefährdete Patienten aus der Klinik entlassen. Und, auch das gehöre zur Wahrheit: &bdquo;Bekämen wir 70 Schwerstverletzte, wird eine Triage durchgeführt.“ Also: Behandlung nach Priorität. Lebenserhaltene Medizin stehe über der individuellen - heißt vereinfacht: Das Leben eines Patienten steht über dem verletzten Bein, das normal zu erhalten gewesen wäre. Lesen Sie auch: Kliniken als Klimakiller - ein Bielefelder Krankenhaus erklärt, warum das so ist Vieles wird durchgespielt, um stressfest zu sein – auch die ungünstige Verkettung zweier Ereignisse. Zum MANV könnte ein Stromausfall, ein Hochwasser oder eine digitale Attacke kommen. Dr. Markus Willing ist IT-Sicherheits-Beauftragter, er sagt: &bdquo;Wenn das geschieht, ist es extrem schwierig, das läuft ja nicht statisch ab, sondern in einer Art Kaskadierung.“ Also wie ein Wasserfall, der plötzlich von weiteren Sturzbächen gespeist wird. Notfallpläne und Planspiele sollen Sicherheit geben. Willing: &bdquo;Alles, was abrufbar ist, schafft Kapazitäten für Zusatz-Stress – alles, was wir vorher tun können, ist klug, dann sind wir in Krisensituationen stabiler aufgestellt.“ Zudem versuche das EvKB, sich &bdquo;möglichst redundant aufzustellen, also viele Ersatzrouten vorzuhalten“. Ihn ärgert: &bdquo;Finanziell werden wir da vom Land alleine gelassen.“ Kottkamp: &bdquo;Diese Vorsorge, die zunehmend an Gewicht gewinnt, braucht auch eine finanzielle Ausstattung.“ Ein MANV kommt alle zwei, drei Jahre vor. 2021 beim Blitzeis, zuvor bei einer Massenkarambolage am Bielefelder Berg und bei einem Schulbusunfall bei Minden. 2010 sogar als MANV 2 bei hitzebedingten Stopps von ICEs in Bielefeld. Doch führt nicht jede MANV zum internen Alarm, hier schaut Kottkamp genau hin, stimmt sich ab mit Leitstellen, Krisenstäben, Kliniken. Zu groß sei der Einschnitt, als dass sofort Alarm mit all seinen Folgen ausgelöst werde. Kottkamp ist froh, &bdquo;dass wir diese Erfahrung glücklicherweise noch nicht gemacht haben“. Lesen Sie auch: Von Oma bis Enkelin - komplette Familie beim selben Arbeitgeber angestellt Terror-MANV Szenarien: Herausforderungen für Rettungskräfte und Kliniken Das gilt auch für Szenarien, die derzeit als Terror-MANV vorbereitet werden. Für Alpträume mit neuen, im Klinikalltag untypischen Verletzungen, weil Kriegswaffen benutzt wurden (so Schuss- und Explosionsverletzungen). Dazu Bedrohungsszenarien wie der sogenannte zweite Schlag: Attacken nach dem ersten Anschlag, nun aber auf Rettungskräfte und Kliniken. Bei Terror gilt: Die Patienten und ihre Verletzungen würden weit weg vom Krankenhaus gesichtet, die Klinik würde abgeschottet. Ein Extremfall. Auf Klinikseite ist Willing überzeugt, dass die meisten sich diesem stellen würden: &bdquo;Unsere Leute sind Überzeugungstäter, die gehen zusammen durch dick und dünn.“

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