So feierten die Bielefelder vor 50 Jahren ihren ersten Leinewebermarkt

Bielefeld. Es herrschte typisch ostwestfälisches Schmuddelwetter. Und doch trotzten die Bielefelder im Mai 1974 dem strömenden Regen und feierten bis spät in die Nacht hinein. Immerhin hatte sich die Stadt erstmals für eine ganze Festwoche herausgeputzt und ein umfangreiches Programm einfallen lassen – inklusive Besuch des Staatsoberhauptes. Und obwohl die anlässlich des 25. Geburtstages des Grundgesetzes veranstaltete Feier den etwas sperrigen Namen &bdquo;Verfassungstag und Berliner Woche der Gastronomie und des Einzelhandels“ trug, erwies es sich als veritabler Überraschungserfolg, der bis heute nachwirkt. Denn aus dem Verfassungsfest von vor 50 Jahren wurde schon ein Jahr später der Leineweber-Markt, der sich seitdem zu einem der größten Volksfeste der ganzen Region gemausert hat. Der auslösende Funke für die Planungen des Festes war die Ankündigung von Bundespräsident Gustav Heinemann, sich zum Ende seiner Amtszeit auch vom Land NRW verabschieden zu wollen. Da seine Tochter Christa in Bielefeld lebte, verlegte er den für den 21. bis 23. Mai 1974 geplanten Besuch in die Leineweberstadt. Dort reifte schnell der Gedanke, Heinemann und seiner Entourage einen eher fröhlichen als staatstragenden Empfang zu bereiten. Und in den konnte man gleich noch mit weiteren Aspekten verbinden: Bundeskanzler Willy Brandt hatte die deutschen Städte Anfang des Jahres dazu aufgerufen, sich am Verfassungstag am 24. Mai an der Feier &bdquo;25 Jahre Grundgesetz“ zu beteiligen. Und weil erst ein Jahr zuvor durch die Gebietsreform der Landkreis Bielefeld mit der Stadt verschmolzen war, bot sich ein großes Volksfest zur Stärkung des noch frischen Gemeinschaftsgefühls geradezu an. Themenwoche versprach mehr Aufmerksamkeit Man einigte sich, den Festtag auf den 22. Mai zu legen. Dabei sollte es ganz bewusst keine gewöhnliche Kirmes geben, sondern ein lebendiges Fest im Herzen der Stadt mit kulturellem Charakter. Auf den Tag selbst sollte schließlich die &bdquo;Berliner Woche der Gastronomie und des Einzelhandels“ folgen, um den Bielefeldern die Stadt Berlin näherzubringen. Dafür wurden in den Gaststätten Spezialitäten von der Spree gereicht und in den Geschäften Mode aus der geteilten Stadt präsentiert. Von solch einer Themenwoche als Marketingmaßnahme versprach sich der Einzelhandel mehr Frequenz und Aufmerksamkeit, gerade auch in den neuen Außenbezirken. Nachdem das Konzept stand, stellte sich die Frage, wie das neue Fest beworben werden konnte. Dieselbe Agentur, die den Slogan &bdquo;Die freundliche Stadt am Teutoburger Wald“ ersonnen hatte, gab das Motto &bdquo;Das Grundgesetz feiert 25. Geburtstag und der Bundespräsident gibt sich ebenfalls die Ehre – das muss gefeiert werden!“ heraus. Auf Plakaten und Zeitungsanzeigen wurde etwas prägnanter mit &bdquo;Bielefeld feiert!“ geworben. Und die Slogans schienen gefruchtet zu haben. Gustav Heinemann zeigte sich von den Bielefeldern begeistert Der Bundespräsident landete am 21. Mai mit dem Hubschrauber auf dem Johannisberg, einen Tag später begann im Tal das &bdquo;Verfassungsfest“. Auf dem Klosterplatz wurde Berliner Kindl gezapft und Berliner Pfannkuchen vertilgt, mit dem Anbraten des Ochsen auf dem Alten Markt ging am frühen Nachmittag dann der Trubel richtig los. Der Bundespräsident zeigte sich von dem Empfang begeistert: &bdquo;Ich finde das ganz hervorragend – denn wir haben nicht viel, dem wir uns in breitester Freude zuwenden können.“ Immerhin war die Ölkrise 1973 gerade erst ausgestanden, Willy Brandt wegen der Guillaume-Affäre zurückgetreten und Deutschland beim ESC mit Cindy & Bert auf dem letzten Platz gelandet. Während Heinemann wegen des am Abend einsetzenden Regens seinen Besuch auf dem Fest abbrach, wurde in der Stadt mit Straßentheater und Open-Air-Disco munter weitergefeiert, gekrönt durch ein Feuerwerk an der Sparrenburg, bei dem zum Abschluss eine rot glühende &bdquo;25“ auf den Zinnen das Schauspiel abschloss. Organisatoren: &bdquo;Bielefelder räumen mit Vorurteil auf.“ Die Bielefelder waren vom Fest begeistert – und die Organisatoren von den Bielefeldern. &bdquo;Die Bürger haben bewiesen, dass das Vorurteil von den sturen Bielefeldern einfach nicht stimmt“, sagte Jürgen Schiewer, Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung und Fremdenverkehr, gegenüber der Neuen Westfälischen. Umgehend wurde über eine Wiederholung nachgedacht, und zwar genauso bunt und fröhlich wie die Premiere. &bdquo;Es werden richtige Feiern sein und nicht diese Veranstaltungen, wo das übliche Streichquartett spielt und die üblicherweise einzuladenden Gäste zuhören, die eigentlich nur kommen, weil sie kommen müssen“, so Schiewer. Diese Meinung teilte auch die Bielefelder Politik: Im Dezember 1974 wurde ein jährliches Stadtfest im April/Mai beschlossen. Der Haken daran: Es fehlte noch ein richtiger Name. Dafür wurde ein Preisausschreiben ausgelobt, um den &bdquo;treffendsten Namen für die Innenstadtfete“ zu suchen. Dieser sollte einen typisch-traditionellen Bezug zur &bdquo;freundlichen Stadt am Teutoburger Wald“ haben. &bdquo;Das sportliche Fest im Regennest“ Die Beteiligung war enorm: 5.000 Vorschläge gingen ein, darunter Titel wie &bdquo;City-Sause“, &bdquo;Dölmer-Party“, &bdquo;Bielenade“ oder aber auch &bdquo;Das sportliche Fest im Regennest“. Der Name &bdquo;Leineweberfest“ wurde 168 Mal eingereicht, &bdquo;Leineweber-Markt“ 36 Mal. Eine Jury entschied sich schließlich für &bdquo;Leineweber-Markt“. Absagen wegen Tschernobyl, Golfkrieg und Corona Als das Fest dann 1975 das erste Mal unter dem noch heute gültigen Namen stattfand, spielte auch das Wetter mit: Bei Sonnenschein strömten 100.000 Bielefelder durch die Innenstadt. Und der Erfolg sollte sich in den Jahrzehnten danach fortsetzen: Abgesehen von wenigen Ausnahmen – wegen Tschernobyl, dem Golfkrieg oder Corona musste der Leineweber-Markt abgesagt werden – ist das Stadtfest ein jährlicher Garant für tolle Tage in Bielefeld und neben dem Libori in Paderborn das größte Innenstadtfest Ostwestfalens.

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