Neue Studie: Ein klimaneutrales Bielefeld kostet zehn Milliarden Euro

Bielefeld. Zehn Milliarden Euro. Das ist eine unvorstellbar große Summe. So viel müsste aufgewandt werden, damit Bielefeld bis 2030 klimaneutral werden könnte. Die privaten Haushalte müssten 51 Prozent weniger Energie verbrauchen als 2021, die Industrie 22 Prozent. Beim Verkehr müssten es 86 Prozent weniger sein. Gleichzeitig müsste der Autoverkehr um die Hälfte reduziert werden. &bdquo;Müsste“ ist das meistgebrauchte Wort im Zusammenhang mit der Konzeptstudie und einem Aktionsplan zur Klimaneutralität, den das Essener Ingenieurbüro Gertec für die Stadt Bielefeld erarbeitet hat. &bdquo;Müsste“ heißt aber, es wird nicht so sein. Deshalb kommt Bielefelds Umweltdezernent Martin Adamski auch zu einer ernüchternden Schlussfolgerung. &bdquo;Es wird zur Kenntnis genommen, dass das Umsetzungsziel 2030 nur mit erheblichen Anstrengungen erreicht werden kann“, schreibt er in einer Sitzungsvorlage für die Politiker. Die hierfür erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen seien &bdquo;derzeit nicht darstellbar.“ Zum Thema: Klimawandel: Deshalb wird es in Bielefeld bald sehr heiß Die Stadt will &bdquo;Klimarendite“ einfahren Doch als Bankrotterklärung gegenüber dem Hauptausschuss-Beschluss von 2022, die Klimaneutralität nicht erst 2035, sondern schon 2030 erreichen zu wollen, will er den Satz nicht verstanden wissen. &bdquo;Wir schauen auf die Maßnahmen, bei denen wir die höchste Klimarendite einfahren können“, sagt er. Und er hat Beispiele parat, wie diese &bdquo;Klimarendite“ aussehen kann. 2.500 Hektar Flächen für Photovoltaikanlagen wären erforderlich, um auf diese Weise Bielefelds Energiebedarf zu decken. &bdquo;600 Hektar davon sind darstellbar, 1.000 Hektar machbar“, rechnet er vor. &bdquo;Dies trotz einer riesigen Flächenkonkurrenz, wie es sie in einer Großstadt nun einmal gibt.“ &bdquo;Intensiviert werden sollen Förderprogramme“, sagt Birgit Reher, im städtischen Umweltamt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zuständig. Eines zur Dämmung in Gebäuden werde aktuell sehr gut angenommen. Klar ist allerdings auch, dass es bei der Gebäudesanierung einen gewaltigen Nachholbedarf gibt. Ein Prozent werde derzeit jedes Jahr energetisch saniert; 6,4 Prozent sollten es sein, damit das Klimaziel geschafft werden könnte. Doch das dürfte schon wegen des anhaltenden Fachkräftemangels nicht gelingen und oftmals an der Finanzierung scheitern. Energiegenossenschaften, mehr Stadtbahnen und Fernwärme für Bielefeld Mit Hilfe von Energiegenossenschaften, die von Bürgern getragen werden, sollen alternative Energien gefördert werden. Erste vielversprechende Ansätze dazu gebe es bereits in Dornberg, so Reher. Kernstück bleibe die Mobilitätswende, der Ausbau des Radverkehrs und des ÖPNV. Dazu gehören Großprojekte wie die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 nach Sennestadt. Die Stadtwerke hatten erst kürzlich ihren eigenen Plan vorgestellt, wie sie bis 2040 das große Ziel der Klimaneutralität in ihrem Unternehmen erreichen wollen. Das Versorgungsunternehmen geht dabei von einem Betrag von zwei Milliarden Euro aus, der nötig sei. Ein Kernstück: der Ausbau des Fernwärmenetzes. Den sehen auch die Gertec-Experten als wichtig an. Aber gerade dieser Plan ist einer, der für viel Unruhe sorgt. Zwar sehnen viele den Fernwärmeanschluss herbei, doch ist immer auch von einem Anschlusszwang die Rede, wo diese Möglichkeit geschaffen werde. &bdquo;Der Anschlusszwang ist aber kein Benutzungszwang“, sagt Adamski. Soll heißen: Die bestehende Gasheizung muss nicht abgestellt werden, wenn in der Straße vorm Haus eine Fernwärmeleitung verlegt wird. Nur wenn die alte Heizung einmal ihren Geist aufgibt, muss auf Fernwärme umgestellt werden. Lesen Sie auch: Bielefeld präsentiert Notfallplan bei Überhitzung der Innenstadt Diese in vielen Fragen vorherrschende Unsicherheit soll durch eine verbesserte Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern aufgefangen werden. Auch das ist Teil des aus sieben Bausteinen bestehenden Aktivitätenprogramms, das die Experten in ihrer 100.000 Euro teureren Studie den Entscheidungsträgern im Rathaus vorschlagen. Wie es jetzt in Bielefeld weitergeht Der Rat soll das weitere Vorgehen auf dem Weg zur Klimaneutralität noch vor der Sommerpause beschließen. Erste Geldmittel könnten bereits in den Doppelhaushalt 2025/26 eingestellt werden, der nach den Ferien in das Stadtparlament eingebracht wird. Erst kürzlich hatte das Klimabündnis Bielefeld die Stadt kritisiert, dass nach der Entscheidung von 2022 nichts passiert sei, und den Aktionsplan angemahnt. Der liegt jetzt vor, auch wenn die geforderten &bdquo;quantifizierten CO?-Einsparziele“ darin nicht in allen Bereichen benannt werden. Die versprochene Öffentlichkeitsarbeit beginnt bereits mit einer Informationsveranstaltung für alle Interessierten am Donnerstag, 6. Juni, ab 18 Uhr im Historischen Saal der Ravensberger Spinnerei.

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