Bielefeld. Etwa 200 Radfahrer nähern sich sternförmig der Martinschule, begleitet von haufenweise Polizei auf Motorrädern und in Polizeibullis - und das bei Nieselregen und 5 Grad. Was ist da los? Bielefelds erste Schülersternfahrt ist los - gut 120 Martinschüler mit Eltern und Verwandten treten in die Pedale. Warum denn das?
Ein Zeichen soll es sein, nach innen und nach außen. Nach innen, weil Kinder sich gegenseitig motiviert haben, es mal mit dem Rad auszuprobieren, mal in einer Gruppe aus Brackwede, aus Bethel und aus den Gadderbaumer Wohngebieten oberhalb und unterhalb des OWD zur Schule zu radeln. Ohne Elterntaxi. Mit Wertschätzung. Und Spaß.
Eltern und Schule haben die besondere Aktion angeschoben, organisiert, und natürlich zu Beginn der Sommersaison, damit sich vielleicht etwas einschleift, bei besserem Wetter, was dann zur Gewohnheit wird. Schulleiter Marlon Hollmann-Rippe: „Das ist aktive Verkehrserziehung in der Praxis, und es steigert die Kindesgesundheit, was nach Corona auch laut Weltgesundheitsorganisation dringend notwendig ist.“
Radfahren als Teil der Schulidentität
Er hofft, dass sich ein Gruppengefühl einstellt, dass Kinder, denen bisher der Mut fehlte, aufspringen aufs Schulradeln. Dass sie das gemeinsame Radeln mit Freunden als Gewinn erleben, weitermachen wollen. Ganz klar: Die Routen, die es am Freitag gab, sollen bleiben, sollen Teil der Schulidentität werden. Sich einschleifen, zum Alltag werden. „Wenn die Kinder morgens in die Pedale treten, bekommen sie eine ordentliche Portion Sauerstoff und der Körper ist schon auf Temperatur“, weiß Hollmann-Rippe, dass im Anschluss auch die Lehrer und ganze Klassen profitieren.
Er, der gerade den fahrradbegeisterten Markus Spiekermann als Schulleiter vertritt, hofft, so viel zu erreichen: mehr Gesundheit, ein neues Gruppengefühl, mehr Klimaschutz, besseres Lernen, eine starke Verkehrserziehung.
Esther Rüßler aus der Elternschaft zeigte sich Freitag ebenfalls begeistert: „Alleine, wie sich ein Kind nach dem anderen eingereiht hat, das war schon ein tolles Gefühl.“ Dazu Polizeischutz und große Aufmerksamkeit, ja, die Kinder, die radelten, standen im Mittelpunkt, durften indirekt und direkt viel Anerkennung ernten. „Für sie ein richtig gutes Gefühl“, sagt Rüßler und hofft, dass das die Basis ist für radelnde Kinder auf dem Weg zur Schule.

Dass es nicht immer einfach ist, weiß sie auch - ob Deckertstraße, Haller Weg oder Langenhagen, trotz Tempo 30 werde oft zu schnell gefahren und seien parkende Autos ein echtes Problem. „Wir müssen Straßen umgestalten, so, dass man spürbar merkt, dass langsam gefahren werden soll.“ Vorbild Holland.
Politiker: Bikelane hat sich bewährt - auch für Schüler
Damit rennt sie offene Türen ein bei Christina Osei (Grüne) und Ole Heimbeck (SPD). Beide betonen vor Ort, dass sich gerade der Bikelane genannte Radweg entlang der Artur-Ladebeck-Straße bewährt habe, auch mit Blick auf Kinder, die hier sicherer radeln können. Genau das bestätigt auch Daniela Buchmann, Mutter von Lia (9). „Aus Brackwede kommend werden bald die Hauptstraße und dann die Artur-Ladebeck-Straße sehr gut für Kinder nutzbar sein, das könnte eine super Sache werden, wenn sich Kinder da zusammentun - und die Resonanz von vielen Eltern ist spürbar positiv.“ Buchmann: „Tatsächlich wollen etliche Kinder aufs Rad umsteigen.“ Raus aus dem Elterntaxi.

Doch es gibt sie noch, die Problemwege. Mutter Larisa Hübner sagt mit Blick auf die Deckertstraße: „Es knubbelt sich hier schon sehr, wir müssen vor allem auch darauf aufmerksam machen, dass solche Straßen sicherer gemacht werden müssen.“ Ihre Tochter, Hannah (8), hätte durchaus Lust, mit dem Rad zur Schule zu fahren, „das ist irgendwie schon cool“, sagt das Mädchen. Ihr Zwiespalt ist einer, den viele kennen, denn: „Mit dem Auto ist es aber auch cool, aber das ist ja für die Umwelt nicht so gut.“ Sie ist offen für Rad, Roller, zu Fuß gehen.
Lehrerin fordert: Tempo 20 und Sperrungen
Zurück zu Forderungen, die am Rande der Sternfahrt auch gestellt werden: Martinschullehrerin Petra Schäfferling wünscht, dass zu Schulzeiten im Umfeld der Schulen Tempo 20 gelten sollte - und, dass auch die Möglichkeit für Straßensperungen vor Schulen zu Schulzeiten genutzt werde. Bei der Martinschule wäre der „Wurmfortsatz“ der Deckertstraße bis zur Schule dafür ideal. Hollmann-Rippe sieht das ähnlich, er betont aber auch: „Das Thema ist aufgeladen, man muss im Gespräch bleiben; und das im Respekt vor jeder Verkehrsgruppe.“