Giftige Lektüre: Universität Bielefeld will 60.000 Bücher entfernen

Bielefeld. In den Räumen der Universitätsbibliothek Bielefeld herrscht normalerweise absolute Ruhe. Umso lauter wirkte daher das Echo auf die Mitteilung der Universität, dass 60.000 Bücher aus dem Bestand der Bibliothek möglicherweise giftiges Arsen enthalten und deshalb vorsichtshalber vorerst aus dem Verkehr gezogen werden. Im gesamten deutschsprachigen Raum griffen Medien die Nachricht auf. Entsprechend schnell schossen auch Spekulationen und Befürchtungen ins Kraut, dass Studierende demnächst mit langen Gesichtern vor leeren Bücherregalen stehen oder gar ganze Bereiche der Bibliothek gesperrt werden müssen. Doch dies ist mitnichten der Fall, wie der Sprecher der Universität Bielefeld, Ingo Lohuis, auf Anfrage der Neuen Westfälischen betont. Kontaminiert mit &bdquo;Schweinfurter Grün“ Schon ein Blick auf den Gesamtbestand der Bielefelder Universitätsbibliothek relativiert die im ersten Moment gigantisch wirkende Zahl von 60.000: Rund 2,3 Millionen Bücher umfasst der Katalog, womit lediglich knapp 2,6 Prozent aller Werke möglicherweise Arsen enthalten. Und hier liegt die Betonung auf &bdquo;möglicherweise“: &bdquo;Wir können zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie viele Bücher und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert mit grünen Einbänden, Buchschnitten, Titelschildern, Spiegeln oder Vorsatzblättern tatsächlich betroffen sind“, sagt Lohuis. Diese Teile der Bücher können eventuell von den damaligen Buchbindern und Druckern mit einem grünen Farbstoff versehen worden sein, der den giftigen Bestandteil Arsensulfid enthält – Experten sprechen von &bdquo;Schweinfurter Grün“ oder &bdquo;Scheeles Grün“. Lohuis vermutet, dass effektiv weniger als 10 Prozent der nun in Frage kommenden Werke tatsächlich betroffen sind, womit die Zahl der potenziell giftigen Bücher in den Promillebereich rutscht. Und: &bdquo;Alle getroffenen Maßnahmen sind als Vorsichtsmaßnahme zu verstehen“, betont der Universitätssprecher. Arsen-Problematik tauchte über die Arbeitssicherheit auf Den ersten Verdacht, dass Bücher aus dem 19. Jahrhundert Arsen enthalten können, äußerten Forscher aus Dänemark bereits vor sechs Jahren. Eine weitere Studie der Universität Bonn zu dem Thema wurde 2021 veröffentlicht. Dass die Universität Bielefeld erst jetzt aktiv wurde, hängt damit zusammen, dass die Bibliothek keinen großen Altbestand hat und auch die Forschung dazu nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. &bdquo;Daher kam das Thema durch die Arbeitssicherheit in die Bibliothek“, erläutert Lohuis. Dies war vergangene Woche der Fall, woraufhin die Universitätsleitung umgehend handelte – und so unverhofft eine große Mediale Welle losgetreten hatte. Alternativlösung für Forscher und Wissenschaftler Wenn sich die Aufregung wieder etwas gelegt hat, werden sich die Bielefelder Bibliothekare dann in Ruhe darum kümmern können, die verdächtigen Bücher nach und nach aus den Regalen zu entfernen, sie einzulagern und sie zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen. Da die 60.000 Bücher im Vergleich zum Gesamtbestand zwar wenig, tatsächlich aber immer noch 60.000 Exemplare sind, ist noch nicht klar, wie umfangreich das bislang beispiellose Unterfangen sein wird. &bdquo;Wir können leider noch nicht sagen, wie lange die Prüfung dauern wird“, sagt Ingo Lohuis. Auch stehe noch nicht fest, was genau mit den dann tatsächlich kontaminierten Büchern geschieht. Auf die womöglich betroffenen Bücher und Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert greifen eher Forscher und Wissenschaftler zurück, und das auch eher selten. &bdquo;Sollte es zu Problemen kommen, weil man nicht auf eine Quelle zugreifen kann, werden wir uns um Alternativlösungen bemühen“, so Lohuis. Denkbar wäre, dass die Bücher in einem separaten Lesesaal eingesehen werden können – und dann auch nur mit Mundschutz und Handschuhen. Im Regal stehende Bücher sind unbedenklich Der Universitätssprecher betont aber mit Nachdruck, dass die still im Regal stehenden Bücher völlig unbedenklich seien. Zu einer Gesundheitsgefährdung könne es lediglich dann kommen, wenn die mit Bände mit Grünschnitt angefasst und die Finger zum Umblättern mit der Zunge angefeuchtet werden.

Meistgelesen