Alternatives Bielefelder Wohnprojekt startet nächste Bauphase

Bielefeld. Das dumpfe Dröhnen lässt das Haus vibrieren, aus der Fensterluke im Dachgeschoss stieben kleine Staubwölkchen ins Freie, unter den wuchtigen Schlägen der Hämmer brechen Steine aus dem alten Gebälk und türmen sich auf dem Holzboden. &bdquo;Jetzt kann man sich richtig gut vorstellen, wie die Zimmer später einmal aussehen werden“, sagt Baumeister Nicolai Acikportali, für alle kurz &bdquo;Acik“, nach Inspektion der getanen Arbeit. Zusammen mit Ruth Poßberg und Marian Müller bildet er den Vorstand des Vereins &bdquo;Fliegendes Wohnzimmer e.V.“, unter dessen Ägide die Gesellschaft &bdquo;PeZwo“ das Ende des 19. Jahrhunderts an der Ecke Petristraße und Hakenort erbaute Haus von der Stadt erwarb. Die hatte es in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts den Fuhrleuten der Familie Kollmeyer abgekauft, sollte das Gebäude aus der Gründerzeit doch ursprünglich einer Straße weichen. Weil die aber nie kam, gammelte der Leerstand konsequent vor sich hin. Die Erben der einstigen Eigentümer hätten das Haus auch gerne erworben, der Rat der Stadt aber votierte für das Wohnprojekt als künftigen Käufer und offerierte Karl-Jörg Kollmeyer das angrenzende Grundstück, auf dem einst die Ställe für Gespanne und Pferde standen, später die Reste einer Werkstatt samt Garagen. Kollmeyer fügte sich den Gremien und plant nun seinerseits ein Mehrfamilienhaus mit geförderten Wohnungsbau gleich nebenan. Im März sollen die Bagger mit dem Buddeln der Baugrube beginnen. Mit Brechstangen und Hämmern Der Neubau und die Kernsanierung des Altbaus bilden dabei optisch fast eine Einheit – zumindest sieht es auf dem Papier schon einmal so aus. Das Freilegen der hölzernen Strukturen im Inneren des alten Gemäuers bringt dessen Charme zurück, auch wenn es noch eine Weile dauert, bis die neuen Bewohner ihre Bücher oder Blümchen auf den dann geölten Balken platzieren können. Noch stecken etliche Nägel in den Pfosten und Reste von Stroh klemmen in den Ritzen. Während sich unter dem Dach der Staub langsam legt und die Trümmer ihren Weg über die Schuttrutsche in die Tiefe finden, krachen eine Etage tiefer die Bretter. Mit Brechstangen und besagten Hämmern widmet sich ein anderer Abbruch-Trupp im ersten Stock den weiß getünchten Paneelen, die einst ebenfalls als Trennwände dienten. Was keine tragende Aufgabe im Haus besitzt, fliegt raus. Damit die ambitionierten Amateure in ihrem Elan aus Versehen nicht doch eine falsche Wand erwischen, sind sie mehr oder weniger alle markiert: kann weg, muss bleiben. Die Bretter leisten indes nur geringen Widerstand und machen Platz für die neue Raumaufteilung. Laut dem vom Amt positiv beschiedenen Bauantrag sieht das Wohnkonzept zukünftig im Erdgeschoss jeweils zwei Wohnungen mit jeweils zwei Zimmern vor, im Obergeschoss eine WG mit fünf Zimmern und unter dem Dach das gleiche Modell mit noch einmal vier Zimmern. Für die Besucher liegen Kopien von den Grundrissen zusammen mit weiterem Infomaterial auf dem Tisch einer ebenfalls in die Jahre gekommenen Küche. Dazu gibt es ein Kompendium aus der Bauakte über die Historie des Hauses sowie Flyer zum Bielefelder Hausbauprojekte Stammtisch und natürlich der eigenen Initiative. Zum Thema: Initiative will verfallendes Wohnhaus im Bielefelder Westen retten Gestiegene Baukosten und Bankzinsen Unter dem Credo &bdquo;Erhalten, gestalten, selber verwalten“ erklärt der Verein seine Ziele und wirbt weiter um Direktkredite von Förderern. In einem ersten großen Anlauf ist es den Aktivisten gelungen, genug Geld für den Kaufpreis der Immobilie aufzubringen. Jetzt aber stehe die Sanierung an, sagt Acikportali, und wegen der im Verlauf des vergangenen Jahres weiter gestiegenen Baukosten sowie höheren Sicherheitsleistungen für die Banken verhandle die Gruppe gerade mit verschiedenen Geldinstituten. Ende Dezember hatte die Initiative auf Instagram einen entsprechenden Aufruf gestartet, doch mittlerweile habe sich die Situation wieder entspannt. Als das Gehämmer drinnen pausiert, kreischen draußen die Motorsägen, bis das vom Anbau abrasierte Efeu handlich zerteilt auf dem Hänger bereit liegt für den Abtransport. Bis zum nächsten Bautag.

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