
Bielefeld. Es ist Sonntag, 11.40 Uhr. Vor der Neustädter Marienkirche hat sich schon eine kleine Schlange gebildet. An der Längsseite des Gotteshauses steht ein weißes Zelt. Wer etwas weiter hinten steht, hat so erst einmal ein Dach über dem Kopf. Denn es regnet am ersten Tag der Vesperkirche. Dennoch schüttelt das Begrüßungskomitee, bestehend aus Pfarrerin Christel Weber und Sozialpfarrer Matthias Blomeier eine Hand nach der anderen. Der Blick in das Kirchenschiff verrät, dass schon fast alle Plätze besetzt sind.
Darüber staunt auch Projektleiter Ulrich Wolf-Barnett: „Beim ersten Mal ist schon alles voll hier. Das ist toll.“ Er berichtet, dass es insgesamt 144 Plätze gibt. Im Schnitt würden diese dreimal am Tag besetzt. Damit alles reibungslos abläuft und alle Gäste einen gedeckten Tisch vorfinden, engagieren sich jeden Tag 35 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.
Ein Problem, so viele Menschen zusammenzubekommen, habe es nicht gegeben. Im Gegenteil, viele – insbesondere Gruppen – würden das Konzept unterstützen und hätten sehr viel Freude daran, in diesem etwas anderen Restaurant als Servicekraft mitzuhelfen.
Jeden Tag über 400 Essen
„Im Schnitt sind es 420 Essen, die zwischen 11.30 und 14 Uhr ausgegeben werden“, erzählt der Pfarrer im Ruhestand. Und was gibt es Leckeres? Das steht auf einer Tafel im Eingangsbereich. Gestern war es ein Hähnchenschnitzel mit mediterranem Gemüse und Kartoffelgratin. Vegetarier konnten sich über ein Gemüseschnitzel freuen.

„Die Menschen erfahren erst, was es zu essen gibt, wenn sie in der Kirche sind, weil sie sich nicht wegen des Essens entscheiden sollen zu kommen, sondern weil sie Gemeinschaft erleben wollen“, sagt Wolf-Barnett. Aus seiner langjährigen Tätigkeit als Seelsorger weiß er, dass es für manche eine „enorme Leistung“ ist, sich in die Vesperkirche zu trauen.
Für die sechsköpfige Gruppe um Thomas Zöllner ist alles sehr spannend. Die Männer und Frauen mit Beeinträchtigungen werden von der Lebenshilfe betreut. „Wir hatten im vergangenen Jahr davon gehört, sind jetzt aber zum ersten Mal hier“, erzählt er. Kaum haben sich Marco, Robin und Natascha auf ihren Platz gesetzt, erhalten sie von Melek Yapar, die sich bei den „Stadtteilmüttern“ im Ostmannturmviertel engagiert, auch schon einen dampfenden Schnitzel-Teller.
Stadtteilmütter engagieren sich
Selbst eine Gruppe aus Gütersloh hat sich dazu entschieden, einmal vorbeizukommen und zu schauen, wie die Bielefelder Nachbarn die Veranstaltung organisieren.
Wer alleine oder als Paar den Weg an den Papenmarkt gefunden hat, wartet zunächst einige Minuten im Eingangsbereich auf Mitstreiter. Ist eine Achtergruppe gebildet, geht es an einen der freien Tische. Neben zehn Mitgliedern der CDU gehört Sozialdezernent Ingo Nürnberger (SPD) am Sonntag zum Serviceteam.
An der Essensausgabe sind die „Stadtteilmütter“ des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gut beschäftigt. „Wir wollen die gute Sache unterstützen“, betont Anas Surchi. Gemeinsam mit Corinna Reuter, Göksen Altindal und Malathy Rathakrishnan sorgen sie dafür, dass es auch für diejenigen, die später kommen, immer Nachschub gibt. Wer das Hauptgericht geschafft hat, kann sich anschließend mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Butterkuchen verwöhnen lassen. Für die Kaffeebar ist – wie im vergangenen Jahr – die Kolpingsfamilie zuständig.
Schnitzel - mit und ohne Fleisch
Elke Nordmeyer war ebenfalls schon als Ehrenamtlerin dabei. Die Brakerin sagt: „Ich komme samstags als Gast, sonntags helfe ich.“ Auch die Sonderpädagogin Chris Krebs macht es so. An diesem Tag ist sie Gast.
Eine 65-jährige Brackwederin im rosa Pullover will ihren Namen zwar nicht in der Zeitung lesen, spricht aber über ihre Motivation: „Ich komme, weil man sich hier mit anderen Menschen treffen kann. Das ist mein Ziel als Alleinstehende.“

Um 13 Uhr gibt es dann einen „Impuls“, eine kurze Andacht mit Orgelmusik. Die Vesperkirche unter dem Motto: „Einfach teilen“ ist bis zum 25. Februar täglich geöffnet. Zudem gibt es sonntägliche Gottesdienste um 18 Uhr. Am 18. Februar kommen die frühere Superintendentin Regine Burg und Schauspielerin Tanja Krüger. Alle Infos und Spendenkonto unter: www.vesperkirche-bielefeld.de