Goldbeck ermöglicht Werkschau des Bielefelder Künstlers Aatifi an besonderem Ort

Bielefeld. Gleich zur Begrüßung im ehemaligen Kunstforum Hermann Stenner strahlt von Rechts des Eingangs das erste großformatige, expressiv-farbige Gemälde im typischen Aatifi-Duktus. Ein lichtdurchflutetes Werk, mit Schriftzeichen-Fragmenten in mutigen Schwüngen. Mit seinem teils durchscheinenden Farbauftrag leuchtet es mit dem Tageslicht um die Wette. Denn Aatifis &bdquo;Gastspiel“ kennzeichnet eine Besonderheit: Die meisten Fensterrollos bleiben hochgezogen. So tritt das wechselhafte, natürliche Licht in einen spannenden Dialog mit den Exponaten. Erst im Frühjahr musste das erfolgreich arbeitende Forum seine Türen auf Dauer schließen. Wie berichtet, wollte sich die finanzierende Goldbeck-Stiftung anderen Schwerpunkten zuwenden. Nun gibt es – großzügig unterstützt durch die Goldbeck-Stiftung selbst und einen Sponsoren-Kreis – ein Wiedersehen mit Kunst im stimmig gestalteten Interieur der Villa Weber. Wenn auch nur für die Dauer von drei Monaten bis zum 22. Februar. Am Freitag wurde die Werkschau mit dem Titel &bdquo;Maraka“ (Paschtu für Begegnung, Austausch, intensives Gespräch) mit 100 Werken des deutsch-afghanischen Malers und Meisterkalligraphen eröffnet. Der Göttinger Kunsthistoriker Alexander Leinemann betonte in seiner Rede das Unverwechselbare seiner Kunst: &bdquo;Aatifi erschafft einen Denkraum, der nicht in Gegensätzen aufzulösen ist.“ Über starre Kategorien und Grenzen hinweg suche der Künstler Wege, um mit seiner Kunst Menschen zusammenzubringen. 230.000 Besucher sahen die Schau im Pergamonmuseum Gerade die neueren Werke ließen die Betrachter an ihrem Entstehungsprozess teilhaben – durch plötzlich entstehende &bdquo;Farbspritzer, verlaufende Farbe und Setzungen“. Außerdem durch die Malspuren von Pinseln sowie selbst hergestellten Malwerkzeugen aus Bambus, aber auch durch den nachvollziehbaren konzentrierten Farbauftrag in einem Zug. Es ist die erste institutionelle Ausstellung des mittlerweile international vernetzten Künstlers in seiner Wahlheimat Bielefeld. Sein bisheriger Laufbahn-Höhepunkt fand 2015 im Islamischen Museum des Pergamonmuseums statt, wo er viele Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen vor großem Publikum zeigen konnte – sensationelle 230.000 Besucher lockte die Schau an. Lesen Sie auch: Aatifi im Pergamonmuseum: Explosive Farbigkeit Die Bielefelder Präsentation darf auch als Retrospektive seiner 25 Schaffensjahre in der Leinenstadt betrachtet werden. &bdquo;25 Werke von 100 habe ich eigens hierfür geschaffen“, so Aatifi im Gespräch mit der NW. Nach der Zusage im August habe er &bdquo;Tag und Nacht gearbeitet“. Sichtlich glücklich ist er über die Komplettbespielung des Hauses. Aatifi entwickelte eine universell verständliche Bildsprache Die Unterteilung der beiden Etagen in Kabinette ist hervorragend geeignet, um Aatifis unterschiedlichen Phasen Raum zu geben: Gegenständliche Spachtelmalerei, Holz- und Linolschnitte, Druckgrafiken sowie Landschaften in Öl aus den Dresdner Akademiejahre finden ebenso in einem eigenen Kabinett Platz, wie filigrane figurative Porträts, Radierungen und Zeichnungen. Lesen Sie auch: Kunst in der Coronazeit: Aatifi allein im Atelier Spätere Phasen zeigen eine zunehmende Abstraktion der Sujets. Ein farbig-strahlender Ausdruck, die moderne Interpretation des alten Kalligrafie-Handwerks Afghanistans sowie die Einbindung von Bezügen zu dessen Bodenschätzen – Lapislazuli, Zinn und Kupfer – kennzeichnen neuere Positionen. Der 60-jährige Künstler entwickelte in Bielefeld seine &bdquo;skripturale Malerei“, auch die besondere Drucktechnik &bdquo;Aatigrafie“ sowie die am Smartphone vorgezeichneten &bdquo;Small Mysteries“. Strukturiert begehbar, unterstreicht die Schau in Einheit mit der Innengestaltung des Hauses, wie sich Aatifis universell verständliche Bildsprache entwickelte. Diese will Brücken schlagen zwischen dem Licht und der Farbenpracht Afghanistans und der zeitgenössischen Kunst westlicher Prägung. Das könnte Sie auch interessieren: Interview: Aus für wichtiges Bielefelder Museum: Das sagt die Leiterin Filme vom Entstehen der Werke, aus der Pergamon-Schau und auch bislang nicht gezeigtes Material radikaler Umbrüche in Aatifis Kunst (&bdquo;Destruction“) ergänzen die sehr sehenswerte Ausstellung. Die zudem eindrucksvoll zeigt, wie schlüssig sich die Nutzung des Gebäudes als Ort der Kunst weiterhin anbietet. Geöffnet jeweils donnerstags, freitags und samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags von 12 bis 18 Uhr, dienstags und mittwochs für Sonderveranstaltungen und nach Vereinbarung. Ergänzend gibt es ein umfangreiches Kunstvermittlungsprogramm für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Lehrkräfte, mit dem Aatifi auch den interkulturellen Austausch fördern möchte. Besonderes Highlight ist ein &bdquo;Lebendiges Atelier“, eine Nische im Museum, in der Aatifi ab und zu live bei der Arbeit zu beobachten ist. Infos und Anmeldung: www.kunstforum-hermann-stenner.de.

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