Bielefelder Kesselbrink: Anwohner traut sich nicht mehr vor die Tür

Bielefeld. Der 23-jährige Student Lukas S. (Name geändert) wohnt am Rande des Kesselbrinks. Dass er auf dem Weg nach Hause immer wieder von Drogendealern angesprochen oder nur angeschnalzt wurde, störte ihn lange nicht. Mit der Szene vor der Haustür konnte er leben. Das änderte sich nach dem Überfall im Dezember. Eine Gruppe junger Männer bedrängte ihn wenige Meter vor seiner Haustür, nahm ihm sein Handy ab. Nach langem Zureden zauderte der Täter, als S. ihm 20 Euro zum Tausch anbot, bekam er tatsächlich sein Smartphone zurück. Für die Polizei auf der Wache am Kesselbrink war der Vorfall am Abend des 8. Dezembers offenbar nicht schwerwiegend genug. Als Lukas S. am Folgetag Strafanzeige in der Sache erstatten wollte, wurde er abgewimmelt: &bdquo;Die 20 Euro waren kein großer Verlust“, sagt der 23-Jährige. &bdquo;Trotzdem wollte ich den Vorfall anzeigen.“ Inzwischen lässt sich der Bielefelder nach Hause begleiten Schließlich treffe er Täter und Komplizen am Kesselbrink immer wieder. Seit der Tat lässt er sich von Freunden nach Hause bringen, wenn sie abends unterwegs waren. &bdquo;Alleine gehe ich da nicht mehr lang. Wenn es nicht anders geht, nehme ich nur noch heimlich den Weg durch den Hinterhof ins Haus.“ Was war damals passiert? Um 21.10 Uhr war S. kurz vor seiner Haustür, als drei junge Männer ihn bedrängen. Weitere Personen kommen näher, umstellen ihn. &bdquo;Sie kamen von beiden Seiten sehr nah an mich heran. Ich dachte, die wollen mir wieder Drogen verkaufen.“ Doch dann merkte der Student, wie ihm einer sein Handy aus der Hosentasche zieht. Eine junge Frau vermittelt zwischen Täter und Opfer S. dreht sich um und geht sofort auf den Täter zu, doch seine Komplizen stellen sich sofort bedrohlich vor den Täter. &bdquo;Das war ziemlich bedrohlich. Es standen sechs Typen vor mir und sechs neben mir.“ Trotzdem versuchte es der Bielefelder mit Argumenten: &bdquo;Ich habe mehrfach gesagt: ’Gib mir mein Handy zurück’.“ Er habe auch betont, dass er hier direkt wohne. Eine junge Frau, die mit dem Geschehen nicht einverstanden war, versuchte zu vermitteln, übersetzte zwischen Opfer und Täter, der nur arabisch sprach. &bdquo;Dann hatte ich eine spontane Idee: Ich habe ihm als Ersatz 20 Euro angeboten.“ Er hatte bereits geschwankt. Der Geldschein überzeugte ihn endgültig. Lukas S. bekam sein Handy wieder und flüchtete nach Hause. Ohne Strafanzeige wird der Bielefelder nach Hause geschickt Auch die Beamtin auf der Wache Ost ließ sich von Lukas S. den Vorfall schildern. Sie soll dann aber zu dem Schluss gekommen sein, dass ja &bdquo;letztlich nichts geklaut“ worden sei. &bdquo;Die 20 Euro haben Sie ja selbst angeboten. Das ist ja auch kein Diebstahl“, soll sie dem 23-Jährigen erklärt haben. Lukas S. ging also unverrichteter Dinge wieder nach Hause: &bdquo;Das fand ich sehr ernüchternd und auch nicht sehr angebracht.“ Er selbst habe noch sehr unter dem Stress vom Vorabend gestanden. Ernst genommen fühlte er sich nicht. Polizeisprecherin Sonja Rehmert bestätigt: Eine Strafanzeige oder ein polizeilicher Bericht wurde in dem Fall nicht aufgenommen. Als S. von seinem Erlebnis auf der Wache einer Freundin berichtete, reagierte die schockiert. Hier gehe es zumindest um einen Raub- oder Diebstahlsversuch. &bdquo;Mir ist durch die Reaktion meiner Freundin klar geworden, dass ich ziemlich abgebügelt wurde.“ Bielefelder Polizeipräsidentin: &bdquo;Die Erstattung einer Strafanzeige ist wichtig“ Dabei ist das gar nicht im Sinne der Polizei. Erst kürzlich hatte Bielefelds Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer alle Opfer von Kriminalität aufgerufen, Strafanzeige zu erstatten. Anlässlich der der neu aufgelegten Kooperation zwischen Stadt und Polizei zum Thema Sicherheit in der Innenstadt hatte sie betont: &bdquo;Sobald jemand zu Schaden kommt oder auch nur der Verdacht einer Straftat besteht, bitte sofort die Polizei informieren und Strafanzeige erstatten. Im Notfall die Notrufnummer 110 wählen.“ Das gelte übrigens nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für Dritte, die solche Situationen beobachten. &bdquo;Die Erstattung einer Strafanzeige ist wichtig“, betont Sonja Rehmert. &bdquo;Denn ohne Kenntnis der Straftat können Polizei und Staatsanwaltschaft nicht tätig werden. In der Folge kann die Tat nicht erforscht und aufgeklärt werden, der Täter oder die Täterin bleibt unentdeckt, unbestraft und er oder sie kann weiterhin Straftaten begehen.“ Bielefelder wünscht sich Kesselbrink, ohne Angst zu haben Die Frage, ob die Reaktion der Beamtin im Fall von Lukas S. angesichts der Tatschilderung nachvollziehbar sei, ließ die Polizei dennoch unbeantwortet: &bdquo;Wir müssen zunächst den Sachverhalt verifizieren.“ Der Vorfall sei deshalb zur Prüfung an das Beschwerdemanagement der Polizei weitergeleitet worden. Für Lukas S. hatte die Tat spürbare Folgen. War die Szene am Kesselbrink ihm lange egal, so wünscht er sich inzwischen, dass er nicht mehr vor seiner Tür Angst haben muss, bestohlen oder überfallen zu werden. &bdquo;Ich würde mich freuen, wenn es hier anders wird.“ Aber auch er weiß, dass die nicht ohne Grund stehlen. &bdquo;Auf sozialer Ebene muss genauso eingegriffen werden.“ Diese Möglichkeiten haben Bielefelder für die Strafanzeige Strafanzeige können Betroffene bei allen Polizeidienststellen erstatten. Wer im hektischen Wachalltag abgewiesen wird, kann auch online bei der Internetwache oder per Post oder E-Mail Anzeige erstatten, erklärt Rehmert. Betroffene, die mit der Reaktion der Polizei auf ihr Anliegen nicht zufrieden sind, können sich ans Beschwerdemanagement wenden. E-Mail an beschwerdemanagement.bielefeld@polizei.nrw.de. Lesen Sie auch: Stellungnahme der Polizeipräsidentin zur Sicherheitslage in Bielefeld

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