„Auch der Rest wird sterben“: Bielefelder trauern um ihr Karstadt-Kaufhaus

Bielefeld. Das letzte große Bielefelder Kaufhaus hat seine Pforten geschlossen. Karstadt ist nach fast genau 60 Jahren an diesem Standort nun Geschichte. Manche Bielefelder können sich damit kaum abfinden, andere haben es kommen sehen. Viele Leserbriefe haben die Redaktion erreicht: &bdquo;Das Ende von Karstadt ist nicht bitter, sondern die Folge einer Modernisierung in einer neu-technologischen Welt. Das Ende der Kaufhaus-Stadt steht eben auch im Zusammenhang mit dem Kesselbrink. Früher kamen dort Dutzende Busse an, heute ist er eine Wiese, äh Wüste. Das Geschäftsmodell der 1960er Jahre ist eben nicht mehr. Darüber hinaus ist es auch falsch, nur die Führung verantwortlich zu machen. Innerhalb des gebeutelten Personals gab es auch Planer, Marketingleute, Einkäufer – also all die Leute, die das Gesicht und die Performance bestimmten. Aber genau diese haben versagt. Die Planer ohne neues Geschäftsmodell, das Marketing ohne Gespür für Trends, die Einkäufer ausgerichtet auf eine geriatrische Zielgruppe. Dieses Problem hat mein Sohn mir schon mit zwölf Jahren gesagt: &bdquo;Nee, bei Karstadt will ich nichts, das ist nur für Rentner“. Er ist jetzt 30, und Karstadt ist mit den Rentnern von damals gestorben. Was aber jetzt passiert, das verzweifelte Erhalten eines uralten Geschäftsmodells, ist völlig sinnlos. Denn wenn man nicht die Stadt neu denkt, wird auch der Rest sterben.“ Hans E. Latzke 33607 Bielefeld Lesen Sie auch: Karstadt Bielefeld: Trauriges Ende einer Ära &bdquo;Schade, dass es mit den Kaufhäusern zu Ende geht. Aber leider ist diese Zeit auch wegen des Internets und Online-Handels abgelaufen. Allerdings ärgere ich mich darüber, dass in Bielefeld die Rolle, die das Loom beim Niedergang der Bahnhofstraße spielt, verschwiegen wird.Vor Baubeginn gab es einen Artikel in der &bdquo;Zeit“. Darin wurde beschrieben, wie Einkaufstempel den Niedergang der Innenstädte beschleunigen. Das Loom ist so geplant, dass Kunden reinfahren und nach Möglichkeit ihre komplette Einkaufszeit darin verbringen. Typisch für Bielefeld, zu meinen, mit dem Loom die Innenstadt aufzuwerten. Wie in vielem: als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Warum fahren inzwischen viele Käufer in andere Städte? Nur von Einheimischen kann die Innenstadt nicht leben. Dazu kommt, dass man als auswärtiger Autofahrer das Gefühl hat, in Bielefeld nicht willkommen zu sein.Soll man mit dem Rad oder Lastenrad anreisen?“ Siegfried Lienig 33613 Bielefeld &bdquo;Nein, es gibt nicht den geringsten Grund, Mitleid mit Karstadt in Bielefeld zu haben. Wenn ein Unternehmen glaubt, mit regelmäßigen Wechseln der Verantwortlichen (Inhabern beziehungsweise Betreibern) vor Ort die Bedingungen des Marktes aushebeln zu können, muss es eine Bruchlandung geben. Karstadt in Bielefeld ist geplant und maximal vorsätzlich in die Pleite getrieben worden. Mehr Statistiken finden Sie bei StatistaEs gibt derzeit in Deutschland nur ganz wenige Vollsortimenter, die wirtschaftlich betrieben werden. Bielefeld ist zwar eine (für mich) äußerst liebenswerte (und herzliebe) Stadt, aber für das Ex-Karstadt-Konzept bedeutend zu klein und noch bedeutender zu lokal orientiert.Wenn das Management eines solchen ungelenken &bdquo;Handelsriesen“ sämtliche Bewegungen seines Absatzmarktes ignoriert, ist der Niedergang die selbst gewählte Konsequenz. Die Leidtragenden der (. . .) Pleite sind die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von Karstadt, denen ich meine Anteilnahme und auch ganz viel Anerkennung für ihren Einsatz im &bdquo;wir-schaffen-es-doch-noch“ aussprechen möchte. Leider und erwarteter Weise ist es, wie so häufig in unserem immer mehr aus dem Ruder laufenden Land so, dass diejenigen, die können, was verlangt wird (Karstadt-Personal), von denen, die (. . .) ignoriert haben, was am Markt passiert (Karstadt-Management) ins Elend getrieben werden.“ Klaus Adams 33602 Bielefeld Lesen Sie auch: Großer Ansturm vor Bielefelder Karstadt-Haus &bdquo;Ich bin 1964 im Januar mit meinem Bruder und meinen Eltern von Göttingen nach Bielefeld gezogen. Ich war zehn Jahre alt. Mein Vater - Klaus Pelz - war Abteilungsleiter bei Karstadt (Karriere funktionierte nur über Ortswechsel) für den Bereich Sport und Autozubehör. Abteilungsleiter waren damals etwas Hochgestelltes. Ich sehe ihn heute noch vor mir: Ich durfte ihn als Kind am neuen Arbeitsplatz besuchen. Im grauen Kittel im Neubau fegte er den Bauschutt zusammen. Das war der Beginn meiner &bdquo;Karstadt Ära“.“ Lilo Repohl 33613 Bielefeld &bdquo;Ich bin Mann der ersten Stunde bei Karstadt und habe meine Lehre im April 1964 in der Fotoabteilung begonnen. Nach 48 Jahren Betriebszugehörigkeit ging ich 2012 in den Ruhestand. Mir tut die Schließung des Hauses natürlich besonders leid. Aber es blieb keine andere Wahl. In den letzten 30 Jahren ging die Anzahl der Kunden immer mehr zurück. Die Menschen wurden mobiler und das Konzept alles unter einem Dach war überholt. &bdquo;Geiz ist geil“ war die Devise und die Leute fuhren vermehrt in die Supermärkte. Ende der 1990er Jahre hat Karstadt den Anschluss an den Onlinehandel verpasst. Zu Hause bestellen und im Kaufhaus abholen, wäre eine Möglichkeit gewesen, den Umsatz anzukurbeln. Ich fände es gut, die renovierte Fassade beizubehalten und damit das Aussehen der Bahnhofstraße an dieser Stelle zu erhalten. Handel, Gastronomie, Büroflächen und vielleicht ein Hotel kann ich mir im Inneren des Gebäudes vorstellen. Ich hoffe auf einen positiven Neuanfang.“ Jürgen Zelt 33739 Bielefeld

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