Klartext von Bielefelder Handelsverbandschef: „Karstadt hätte man retten können“

Herr Kunz, was raten Sie mir, wenn ich mich als Einzelhändler selbstständig machen möchte: In welcher Branche sollte ich das tun? Thomas Kunz: Das ist eine schwierige Frage. Man muss erst einmal sagen, dass es mutig ist, derzeit ein neues Geschäft aufzumachen. Denn es ist kaum abzusehen, wie die weitere wirtschaftliche Entwicklung ist. Das hängt letztlich von der Konsumstimmung ab, und dafür ist auch die politische Lage wichtig. Wenn man sieht, dass Händler richtig investieren, so wie Finke es in Bielefeld gemacht hat, kann man davor nur den Hut ziehen. Auf der anderen Seite sehen wir durchaus auch zunehmende Leerstände. Die Wahl hängt natürlich von meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten ab . . . Sicher, man muss eine Affinität zum Fach haben. Wenn man von Mode nichts hält, sollte man vielleicht nicht in den Bekleidungshandel gehen. Ich selbst habe zum Beispiel den Handel mit Spielwaren gelernt und war bei Karstadt bis zu meiner Geschäftsführertätigkeit auch für den Spielwarenbereich tätig. Modelleisenbahnen und ähnliche Sortimente, so etwas hat mir Spaß gemacht. Es bringt nichts, sich auf Feldern zu engagieren, auf denen man sich selbst nicht wiederfindet – man muss den Kunden und Kundinnen überzeugend gegenüberstehen, man muss ehrlich rüberkommen. Einzelhandel wird von vielen als einfaches Geschäft angesehen – viele erleben eine Bruchlandung, und andere entwickeln sich unerwartet gut. Gibt es solche Erfolge heute nicht mehr? Doch, gibt es. Nicht zuletzt dank eines Förderprogramms des Landes NRW werden Gründungen im Einzelhandel unterstützt – um die Innenstädte zu beleben und Leerstände zu nutzen, werden die Mietkosten für Händler und Gastronomen durch kommunale Interventionen reduziert. Dadurch wird das Risiko für die Unternehmer kleiner. Ob die Gründungen nach der Förderphase bestehen bleiben, ist natürlich immer die Frage. Kleidung, Möbel & Co.: Diese Outlets in Ostwestfalen-Lippe sollten Sie kennen .responsive23-4c9snjEvvM42FlMf-choro-kaufkraft { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-4c9snjEvvM42FlMf-choro-kaufkraft { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-4c9snjEvvM42FlMf-choro-kaufkraft { padding-top: 166.67%; } } Ende Februar endet Ihre Zeit als Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes OWL. Nach 16 Jahren übergeben Sie die Aufgabe an Ihren Nachfolger Jan-Erik Weinekötter. Haben Sie auch mal in Betracht gezogen, Einzelhändler zu werden? Nein, nie. Ich bin mit der Mittleren Reife von der Schule abgegangen, wollte eine Ausbildung absolvieren, dann das Abitur nachmachen und studieren. Doch das hat sich nicht so ergeben: Ich bin bei Karstadt früh gefördert worden, man hat mir dort alle Entwicklungsmöglichkeiten geboten. Wer Karriere machen wollte, hatte als Mann im Spielwaren-Einzelhandel damals Vorteile, weil es viele Frauen in Teilzeit, aber zu wenige Männer gab. Die Arbeit bei Karstadt hat Ihnen Spaß gemacht? Absolut. Ich habe dort ja auch die guten Zeiten noch mitgemacht. Warum sind Sie dann 2009 von Karstadt aus zum Handelsverband gewechselt? Ich kannte den Handelsverband schon, weil ich als Geschäftsführer des Bielefelder Karstadt-Hauses dort bereits ehrenamtlich im Vorstand mitwirkte. Dann bin ich angesprochen worden – beim ersten Mal habe ich noch abgelehnt, beim zweiten Mal habe ich Ja gesagt. Ursprünglich gehörte es zur Kultur bei Karstadt, dass Zusagen etwa von Vorständen in der Essener Zentrale auch eingehalten wurden. Doch später hat sich das stark geändert. Auf Zusagen, die man nicht schriftlich hatte, konnte man dann nichts mehr geben. Und dann geriet das Unternehmen am Ende ins Trudeln. Kam die Änderung der Kultur unter der Führung von Thomas Middelhoff, dem damaligen Konzernchef? Nein, die Veränderung setzte schon früher ein. War die Pleite der Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor absehbar, als Sie dann weggingen? Nein, wir wussten natürlich, dass die Lage schwieriger wurde, weil wir die Zahlen lesen konnten. Dass es tatsächlich zu einer Insolvenz führen würde, hätte ich damals nicht erwartet, da hätte ich jede Wette verloren. Es hatte ja schon länger eine Abwärtsentwicklung gegeben – viele kleinere Filialen wurden verkauft, genauso wie die Modekette Sinn-Leffers. Waren diese Entscheidungen aus Ihrer Sicht richtig? Wenn Firmen abgegeben werden, kann man sich wieder auf die eigene Marke, auf das Kerngeschäft konzentrieren. Irgendwann war zum Beispiel der Fernsehsender DSF gekauft worden – was sollte das? Dass der verkauft wurde, war sicher gut. Auch der Entschluss, sich auf größere Häuser zu konzentrieren, machte Sinn. Der Verkauf der Immobilien aber brachte das Unternehmen in Schwierigkeiten, weil plötzlich allzu hohe Mieten fällig wurden. Wäre es nach Ihrer Meinung denn möglich gewesen, Karstadt zu retten? Ich glaube, ja. Es hätte nicht so weit kommen müssen. Konsumflauten hatte es immer einmal gegeben. Aber es gab am Ende zu viele Wechsel im Management, alle hatten andere Vorstellungen. Und es kamen auch Leute, die zu wenig Ahnung hatten vom Warenhausgeschäft und von der Karstadt-Kultur. Lange Zeit war Karstadt mit seiner Kultur der Mercedes unter den Kaufhäusern . . . Genau. Man war früher froh, wenn man bei Karstadt genommen wurde, das war wie eine Auszeichnung. Weiterbildung, Förderung und Umgang mit den Mitarbeitern waren vorbildlich. Später hat man nicht mehr in die richtigen Dinge investiert. Verkaufsoffene Sonntage 2025: Hier in OWL haben Geschäfte geöffnet Vor allem ins Bielefelder Haus ist zu wenig investiert worden? Man hat hier nicht investiert, weil das Haus auch so gut lief. Wir haben flapsig gesagt: Wir verdienen hier das Geld, das andere Filialen in den Umbau stecken. Es gab auch für Bielefeld Pläne, aus denen aber nichts wurde. Im Einzelhandel haben wir in den vergangenen Jahren viele prominente Pleiten erlebt. Geht das jetzt so weiter, oder beruhigt sich die Lage wieder? Die Frage ist, wie viel Geld die Verbraucher für den Konsum überhaupt zur Verfügung haben und wie sie die Entwicklung einschätzen. Momentan herrscht Krisenstimmung, da hält mancher lieber sein Geld zusammen. Mode zum Beispiel kaufen die meisten Leute ja nicht, weil sie keine Hosen mehr haben, sondern weil ihnen die alten nicht mehr gefallen. Manche Händler haben aber auch in solch einer Situation das richtige Händchen und sind erfolgreich. Was ist mit den Ladenmieten? Sind die gegenwärtig noch zu hoch? Die Mieten sind bereits deutlich gesunken. Vor allem bei Neuvermietungen ist es schwer, die alten Miethöhen wieder zu erreichen. In der Regel muss man einen Nachlass hinnehmen, außer in absoluten Spitzenlagen wie in Bielefeld am Alten Markt. Sind diese neuen Online-Anbieter wie Temu eine ernst zu nehmende Konkurrenz? Es ist Konkurrenz. Fragwürdig ist allerdings die Handhabe - keiner weiß, wo die Waren genau herkommen und wie sie hergestellt werden. Wir haben ohnehin einen erhöhten Konkurrenzdruck durch den Onlinehandel. Aber wenn für Billiganbieter nicht die gleichen Regeln gelten wie für heimische Hersteller und Händler, dann herrscht kein fairer Wettbewerb mehr. Seit Jahrzehnten schon gibt es Ängste um die Innenstädte. Eine echte Verödung ist bisher aber allenfalls in ganz kleinen Orten zu erkennen – oder? Das sehe ich auch so. Aber man muss einem drohenden Ladensterben entgegenwirken. Es darf nicht sein, dass es für Kunden erschwert wird, in die Stadt zu kommen. Die Städte müssen entscheiden, in welchem Umfang sie Handel haben wollen und was sie dafür tun können. Das Thema Erreichbarkeit muss geklärt werden. In Bielefeld ist einstimmig entschieden worden, dass Autos auch künftig durch die Altstadt fahren dürfen – wenn auch nur mit Tempo 20. Das ist aber in Ordnung. Gut zu wissen: Parkhäuser und Parkplätze in der Bielefelder City im großen Überblick Ein Erfolg für Sie und den Handelsverband, ähnlich wie einst die Aufstellung von Einzelhandelskonzepten im Kampf gegen unkontrollierte Handelsansiedlungen auf der grünen Wiese? Absolut. Beides hat allerdings viel Überzeugungsarbeit gebraucht. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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