Bielefeld in Bildern: Als die Stadt noch richtig hässlich war

Bielefeld. Autos, nur Autos! Soweit das Auge reicht schlängeln sich Blechlawinen durch die Innenstadt, Fußgängerströme drängen sich über die schmalen Gehsteige der Niedernstraße, damit der motorisierte Individualverkehr genug Platz hat. Zebrastreifen auf den Straßen dienen nur als Zierde. Der Adenauerplatz aus der Luft betrachtet sieht aus wie das Kamener Kreuz, Bäume und Sträucher sind dort nur schwer auszumachen. Der Kesselbrink glänzt als Parkplatz und Busbahnhof. In der Neustadt, an der Welle, ist eine Rückwarth-Tankstelle mit geschwungenem Dach der einzige Blickfang. Vor dem Ratscafé, 1954 eröffnet, kann man seinen VW-Käfer, Opel Rekord oder DKW Auto Union (Audi) direkt vor die Eingangstür stellen. Die ganze Stadt wirkt wie ein Alptraum aus stinkendem Blech und tristem Beton. &bdquo;Ein solches Bild ist heute nur noch in Braunkohletagebau-Gebieten denkbar“ Die Neustädter Marienkirche am Papenmarkt, heute die größte Kirche der Stadt, bekam erst Mitte der 1960er Jahre ihre gotischen Turmhelme und war bis dahin alles andere als stadtbildprägend. Das sechsstöckige und L-förmige Leinenmeisterhaus am Bahnhof wurde seinerzeit als &bdquo;Bielefelds neue Visitenkarte“ gefeiert. Auf der Alfred-Bozi-Straße kurvten noch Oberleitungsbusse herum, Autos hatten dort teilweise noch vier Spuren zur Verfügung – jeweils in beiden Richtungen. Zum Heimspiel von Arminia geht der Fan gesittet mit Hut und Schlips. Bei all dem grauen Asphalt auf den Bildern freut man sich doch auf jedes Gänseblümchen, das in die Kamera grinst: Die Baugenossenschaft Freie Scholle errichtet Anfang der 1960er Jahre eine neue Siedlung sprichwörtlich auf der grünen Wiese – Baumheide. Auf dieser Wiese und vor der Kulisse dieser neuen Trabantenstadt mit mehr als 300 Wohnungen grasen friedlich ein paar Dutzend Schafe. Imposant auch die Luftaufnahme der &bdquo;Besitzung Voltmann“ im Bielefelder Westen, ein Naturidyll. Hier steht heute die Universität Bielefeld. Lausbuben in Lederhosen bevölkern den Tierpark Olderdissen und spielen Ball im Bürgerpark neben der Rudolf-Oetker-Halle, dort wird 1961 auch der 600- Kilo-Elch aus Bronze angeliefert, der bis heute dort steht. Zum Heimspiel von Arminia geht der Fan gesittet mit Hut und Schlips, ebenso zum Steherrennen an die Radrennbahn. Kurzum: Wer heute über Jahnplatz oder Kesselbrink oder über breite Fahrradspuren auf der Artur-Ladebeck-Straße meckert, dem sei dieser 96 Seiten starke Bildband mit über 100 Schwarz-Weiß-Aufnahmen für 19,90 Euro wärmstens ans Herz gelegt. Bielefeld ist im Vergleich zu damals richtig schön geworden. Neue Verkehrswege werden erschlossen, stattliche Bäume, wie auf einem Foto von der Heeper Straße deutlich zu erkennen, dafür abgeholzt. &bdquo;Ein solches Bild ist heute nur noch in Braunkohletagebau-Gebieten denkbar“, heißt es in einer kommentierenden Bildzeile auf Seite 31 des Buches &bdquo;Bielefeld in den 50er und 60er-Jahren“, herausgegeben vom Wartberg-Verlag, zusammengetragen und getextet von den Historikern und Archivaren der Stadtbibliothek Bielefeld, Helmut Henschel und Andreas Vohwinkel, sowie dem Leiter des Stadtarchivs und der Landesgeschichtlichen Bibliothek, Jochen Rath. Bielefeld war eine wirklich hässliche Stadt, nachdem die Kriegstrümmer beiseite geschafft worden waren und die Bevölkerung, beflügelt durch ein aufkeimendes &bdquo;Wirtschaftswunder“, sich in ihrem &bdquo;neuen“ Alltag einfand. Konsum und Mobilität waren die Zauberworte jener Zeit, alles andere wurde diesen untergeordnet. Frischluftschneisen, Regenrückhaltebecken, grüne urbane Oasen oder Fahrradwege, alles Fehlanzeige. Der Verkehr und der Rubel musste rollen. Der Verkehr und der Rubel musste rollen. Auch skurril anmutende Dinge erfährt man bei der Lektüre des Buches. Konsumiert und gekauft – und später verzehrt – wurden seinerzeit sogar lebende Tiere auf dem Wochenmarkt am Kesselbrink, vornehmlich Federvieh und Hoppelhäschen, auch ein paar Zicklein und Lämmer waren dabei, undenkbar heutzutage. Und um ein Haar hätte Bielefeld Einzug gehalten in die Gastronomie-Geschichte Deutschlands: Wäre da nicht ein Parkverbot vor einer Bratwurstbude am Niederwall ausgewiesen worden, hätte sich die freundliche Stadt am Teutoburger Wald unsterblich gemacht als Standort des bundesweit ersten Drive-in-Restaurants.

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