Abschied: Bielefelder Gastronomenfamilie Büscher gibt Schlüssel ihres Traditionshauses ab

Bielefeld. Es ist kahl geworden. Rund ums Haus, aber auch in den Räumen des ehemaligen Hotels und Restaurants Büscher. An der Carl-Severing-Straße sind in den vergangenen Tagen fast 80 Bäume und Büsche gefällt worden. Im großen Gebäudekomplex sind die Räume auch schon weitestgehend leer geräumt. Die Entrümpler und Familie Büscher haben in nur 14 Tagen ganze Arbeit geleistet. Am Mittwoch wird das Traditionshaus, das vor dem Abriss steht, an den neuen Eigentümer übergeben, der an seiner Stelle vier Mehrfamilienhäuser errichten will. Karina Büscher steht etwas verloren im Eingangsbereich, wo früher der Tresen stand. Von der Holzbalkendecke baumelt am Kabel einen nackte Glühbirne. Unter dem Wandgemälde, das mit dem Gasthaus &bdquo;Zur Rennbahn“ und den benachbarten großen Scheunen eine Episode aus der 140-jährigen Geschichte des Hauses zeigt, lehnt ein Rettungsring an der Wand. Sinnbildlich hat die Familie einen solchen Rettungsring auch mit dem Verkauf ergriffen. Traurig ist das Ganze trotzdem. Jeder, der schon einmal das Haus oder die Wohnung von Eltern oder Großeltern ausgeräumt hat, kann die Gefühle nachvollziehen. Bei Familie Büscher ist das alles noch einmal eine Nummer größer. Auf insgesamt 6.000 Quadratmetern hat sich dort Lebensgeschichte gesammelt. &bdquo;Das sind schon Gänsehaut-Momente“, sagt die 41-jährige Karina Büscher. &bdquo;Die eine oder andere Träne ist dabei geflossen.“ Obwohl sie versuche, das Ende irgendwie &bdquo;auf Abstand zu halten“. Ihr Mann Patrick sei der Fels in der Brandung, wenn es wieder mal nicht funktioniere, so wie in dem Moment, als in einem Zimmer alte Familienfotos auftauchten. Aus für Büschers auch für die Queller emotional Die Hotel-Betriebswirtin und Köchin sowie Küchenmeister Patrick Büscher sind die fünfte Generation, die in Quelle ihre Gäste verköstigt und beherbergt hatte, zusammen mit Karinas Eltern, Petra und Andreas Büscher. Darum weiß Karina Büscher auch, dass das Aus für Hotel und Restaurant nicht nur für ihre Familie emotional ist, sondern auch für viele Bielefelder, für die Büschers einfach immer dazugehört hat. Doch die finanzielle Belastung eines solch großen Komplexes war zuletzt wohl zu groß. Büschers hatte 32 Gästezimmer, einen großen Saal für 200 Personen, einen kleinen für 50, einen Biergarten mit mehr als 100, ein Restaurant mit 80 Plätzen. Es gab eine nicht mehr genutzte Doppelkegelbahn sowie ein Schwimmbad mit Sauna, wo zuletzt die &bdquo;Le Petit Chef“-Veranstaltungen stattgefunden hatten. Der Sanierungsstau war beträchtlich, obwohl immer wieder etwas gemacht worden sei. &bdquo;Aber das nützt alles nichts, wenn das Gebäude nicht mehr zeitgemäß ist. Wir hätten so vieles erneuern müssen“, sagt Karina Büscher. Zudem die hohen Energiekosten. Und so ist der letzte Restaurant-Gast Ende September bewirtet worden, der letzte Hotel-Gast hat am 27. Oktober ausgecheckt. Danach hat Familie Büscher mit dem Räumungsverkauf begonnen, hat Dinge verschenkt. Viele Einrichtungsgegenstände habe der Heimatverein Brackwede mitgenommen, schildert die 41-Jährige, die sich freut, dass damit im &bdquo;Roten Rathaus“ an der Cheruskerstraße eine Kneipe aufgemacht werden soll - allerdings ohne echte Bewirtung. Dann folgte der &bdquo;Staatsakt“, wie Karina Büscher das nennt, das Ausräumen. Berge von Inventar und Lebensmittel für Bedürftige gespendet Und weil danach immer noch so viel übrig war, vor allem auch Lebensmittel und Kücheneinrichtung, nutzte die Gastronomin ihre bereits bestehenden Kontakte zu Foodsharing in Bielefeld. Anja Westermann ist Botschafterin der Umweltorganisation. Sie ist noch immer ganz entzückt &bdquo;über die Kettenrekation der Großzügigkeit“, die Karina und Patrick Büscher nach ihren Worten ausgelöst haben. Der Bielefelder Tisch und das Café Welcome haben Lebensmittel, Geschirr und Dekoration mitgenommen, die an Bedürftige weitergegeben werden. Auch Möbelstücke, Getränke, Textilien und Putzmittel haben so ihre Abnehmer gefunden. All diese Dingen hätten beide Doppelkegelbahnen bis unter die Decke ausgefüllt, schildert Karina Büscher die Menge dessen, die nach dem Entrümpeln noch übrig war. &bdquo;Das war verrückt. Ich hab gedacht, wo wollen die mit alldem hin.“ Doch jetzt sind die Kegelbahnen leer, der Strom ist abgestellt. Zu gut zum Wegschmeißen waren auch die noch genießbaren Lebensmittel, die in der Küche tiefgefroren waren, einvakuumiert, unettiketiert oder zu exotisch, da Patrick Büscher gerne regionale und internationale Küche gemischt hat. &bdquo;Da sind wir in die Bresche gesprungen“, schildert Anja Westermann. &bdquo;Das wurde und wird von uns alles verarbeitet. Wir sind die letzte Bastion vor der Mülltonne.“ Appell zum Foodsharing an die Gastrokollegen Karina Büscher betont, dass sie Foodsharing früher bereits regelmäßig Lebensmittel überlassen haben, &bdquo;beispielsweise was abends an unserem Stand auf dem Weihnachtsmarkt Bielefeld noch übrig war“. Oder was nach Silvester-Feiern noch im Kühlhaus stand. &bdquo;Das war eine tolle Kooperation“, sagt die 41-Jährige, der es nach eigenen Worten immer ein Graus ist, Lebensmittel wegzuschmeißen und die deshalb auch mit &bdquo;To good to go“ zusammenarbeitet. Mitten in der Entrümplungsarbeit appelliert die Gastronomin an Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls über Lebensmittelrettung nachzudenken - so sie es noch nicht tun. Sie wird mit ihrem Mann an anderer Stelle weitermachen. Die beiden übernehmen in Rheda-Wiedenbrück das beliebte Seecafé auf dem ehemaligen Landesgartenschaugelände, der Flora Westfalica. Nach einer knapp einmonatigen Renovierungsphase soll es Anfang März wieder öffnen.

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