Verprügelt bis zur Bewusstlosigkeit: Bielefelderin leidet unter Albträumen und Ängsten

Bielefeld. Die 22-jährige Bielefelderin hatte ihren Bruder (24) ganz zufällig beim Döner-Laden an der Notpfortenstraße getroffen. Doch das Wiedersehen blieb ganz und gar nicht fröhlich. Denn an jenem frühen Morgen gegen 4 Uhr am 16. Oktober 2021 erlebten beide plötzlich den Ausbruch roher Gewalt. Eine Gruppe von jungen Männern hatte offenbar Stress gesucht und gefunden. Die Jugendlichen und Männer sollen plötzlich auf den 24-Jährigen eingeschlagen haben, und zwar ohne Hemmungen. Als die Schwester einschreitet und sich schützend vor ihren am Boden liegenden Bruder stellen will - er ist gegen die Überzahl der Männer hoffnungslos unterlegen -, wird auch sie angegriffen. Es hagelt Faustschläge, bis die 22-Jährige von einem Schlag aufs Ohr getroffen wird. Sie bricht bewusstlos zusammen. Endlich greifen weitere Zeugen ein. Auch sie werden verletzt. Die Angst, die Täter wieder zu treffen, ist für die Bielefelderin belastend Wie berichtet, platzte damals das Trommelfell der jungen Frau - seitdem ist ihr Gehör eingeschränkt -, sie erlitt eine Gehirnerschütterung und wurde am Kiefer verletzt. Doch die Folgen dieser Tat gehen über die körperlichen Blessuren hinaus. Die 22-Jährige leidet bis heute unter Angstzuständen. Wenn sie abends rausgeht, dreht sie sich ständig um. Die Angst, die Täter von damals wieder zu treffen, ist so präsent, dass sie zum ständigen Begleiter wird. Ihre Therapie dauert bis heute - mehr als zwei Jahre nach der Tat - an, weil die Aufarbeitung des Erlebten idealerweise erst nach dem belastenden Prozess erfolgversprechend ist, berichtet ihr Bruder. Warum der Prozess erst so spät beginnt, erfahren die Geschwister nicht. Auch der Bielefelder leidet unter Rheuma-Schüben und Albträumen Auch dem Bruder ist die Belastung anzumerken: &bdquo;Die haben meine Schwester und mich über die sozialen Netzwerke bedroht.“ Und jeder in unserem Freundeskreis, der die Fahndungsfotos geteilt hatte, habe eine bedrohliche Nachricht von Fake-Accounts erhalten. Der junge Mann selbst bekam damals ein Knie ins Gesicht. Der wackelnde Zahn hat sich zum Glück erholt. Aber nach dem Angriff hatte er starke Rheuma-Schübe, auch er musste sich eine Zeit lang in Therapie begeben. Die Albträume haben bis heute nicht aufgehört. &bdquo;Uns geht es immer noch schlecht – auch der Prozess hat daran nichts geändert“, sagt er. Die Tatverdächtigen wurden zwar nach einer Öffentlichkeitsfahndung der Kripo identifiziert. Aber vor dem Amtsgericht Lemgo (bei Minderjährigen gilt für den Prozess das Wohnortprinzip) wurden erst bei der jüngsten Sitzung zwei Verfahren gegen minderjährige Angeklagte aus Lippe gegen verschiedene Auflagen eingestellt. Die Identifizierung der Angeklagten war dem Gericht offenbar nicht eindeutig genug. Das Urteil gegen den Haupttäter steht noch aus Von den ursprünglich fünf gesuchten Tatverdächtigen – zum Teil einschlägig vorbestraft – ist damit am Ende nur noch einer übriggeblieben. Der mutmaßliche Haupttäter (26) - ebenfalls mehrfach mit Gewaltdelikten aktenkundig. Am Montag, 4. Dezember, wird das Urteil gegen ihn erwartet. Der zusammengeschlagene Bruder wurde als Zeuge für die Abschlusssitzung wieder ausgeladen: &bdquo;Ich hatte zwar schon ein paar Fragen beantwortet, aber dann wurde die Sitzung unterbrochen. Wie es mir geht, scheint das Gericht nicht zu interessieren“, sagt er enttäuscht. Auch Rechtsanwalt Peter Rostek, der den Bielefelder eigentlich in einer Nebenklage vertreten sollte, die aber wegen des Jugendstrafverfahrens nicht zugelassen wurde, ist überrascht über die Ausladung: &bdquo;Für das Opfer entsteht so der Eindruck, das hinter den Kulissen Absprachen getätigt wurden.“ Auch wenn das nicht der Fall sein muss, sei das unglücklich. Opferschutzverbände kritisieren die Justiz für ihre Täterkonzentration Die Geschwister nimmt deshalb der Prozess ziemlich mit. Die Anwälte der Gegenseite hätten sie als unglaubwürdig darstellen wollen. Sie selbst fühlen sich in dem Verfahren allein gelassen. Gerade jetzt leidet der Bielefelder wieder unter Alpträumen. &bdquo;Besonders, seitdem zwei von denen ohne große Strafe davongekommen sind. Da kommt jetzt alles wieder hoch. Ich bin seit dem Angriff nicht mehr derselbe.“ Opferschutzverbände betonen immer wieder, dass in Gerichtsverfahren die Opfer oft keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Justiz ist bemüht, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Es gelingt längst nicht immer.

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