Bielefelder Café-Milestones-Streit: Knallharte Kritik besonders an einer Partei

Bielefeld. Der Konflikt um die Zukunft des Cafés Milestones an der August-Bebel-Straße schwelt weiter. Die Vereine Artists Unlimited und Meet-Art fordern einen Neuanfang. Die Künstlervereine sind Mieter des Gebäudes, das im Besitz der Stadt ist. &bdquo;Milestones“-Betreiber Zilo Demirovic ist ihr Untermieter. Er müsste nach der Kündigung sein Lokal zum Jahresende schließen. Etliche Leserbriefe gingen bei der NW zum Thema ein. Lotte Eisner beschrieb die Heimat Friedrich Wilhelm Murnaus einst als einen Landstrich, &bdquo;in dem grobknochige Bauern schwerfällige Arbeitspferde aufzäumen“. Heute müsste wohl eher vom Joch einer geistig schwerfälligen Bielefelder SPD die Rede sein, die hier ihr grobes Handwerk verrichtet beim Versuch, eine über 38 Jahre aktive, ehrenamtlich tätige Initiative freier Künstler auszulöschen. (. . .)Was geschehen ist? Der Verein Artists Unlimited hatte rechtmäßig dem Kneipier gekündigt, der im Komplex des Künstler-Hauses zapfen lässt, und mit dem es seit langem kein Auskommen gibt. Man wolle keine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen, hieß es in einer frühen Verlautbarung der Künstler. SPD-Fraktionsgeschäftsführer und SPD-Bezirksbürgermeister waren über die Gründe der Kündigung umfassend in Kenntnis gesetzt worden – und trotz besseren Wissens reflexartig bereit, die Sache zum &bdquo;Politikum“ hochzujazzen.Guter Stil, dachte ich damals über das Schweigen der Künstler und: zu gut für diese Stadt.Und während teils auf Schulhöfen (ja, wirklich, auf Schulhöfen) Unterschriften für die Aufhebung der Kündigung dieses Kneipiers gesammelt wurden, setzte eine perfide politische Kampagne der Infantilisierung der Künstler ein, denen in paternalistischstem Tonfall &bdquo;Beratungsresistenz“ vorgeworfen wurde. &bdquo;Beraten“ wollte: die SPD.Bislang durfte man sich hier nur über einen Oberbürgermeister mokieren, der gern mal mit seiner Kunstferne kokettierte, die ihm doch die Sympathien des &bdquo;kleinen Mannes“ einzubringen schien. Dass er vom bürgerschaftlichen Engagement von Artists Unlimited an diesem überschaubaren Ort seit fast vier Jahrzehnten keine Kenntnis genommen hat, von dem vom Verein ohne externe Förderung vergebenen Gaststipendium, das immerhin über 100 internationale Künstler nach Bielefeld gelockt hat, wäre doch gerade beschämend genug gewesen. (. . .)Der Blick in die Kluft zwischen hehrem Anspruch und ernüchternder Wirklichkeit ist schwindelerregend, denn längst hat sich die Bielefelder SPD exklusiv zur Anwältin privatwirtschaftlicher Interessen gemacht.Beruhigend jedenfalls zu wissen, dass die Sozialdemokratie den Kulturarbeitern von Artists Unlimited nicht ihre Villen im Tessin wegnehmen kann, denn diese gibt es nicht. Hochgradig alarmierend dagegen, dass dieses exemplarische Projekt von ihr offenbar nur noch wollüstig als lukrative Immobilie begafft werden kann, eine Beschneidung der finanziell am Rande zum Prekären geleisteten, wertvollen Arbeit von Artists Unlimited überhaupt erwogen wird.Kleine Anfrage an die Bielefelder SPD-Fraktion: &bdquo;Gehts noch?“Matthias Müller33602 Bielefeld Matthias Müller lebt und arbeitet seit 1980 als Künstler in Bielefeld und lehrt als Professor in Köln. Seine Filme befinden sich in den Sammlungen der Kunsthalle Bielefeld und von Tate Modern, London. Als unbeteiligte Kunstinteressierte kann ich nur sagen: Toll wäre eine Gastronomie in diesem Eckhaus, die die vielfältige Arbeit der Artists Unlimited ständig mit sichtbar macht. Leider konnte man ihre Existenz dort optisch meist nur erahnen. Regelmäßig einige Bilder aufhängen, Installationen im Biergarten, Präsenz bei Vernissagen, begleitende Vorträge und Lesungen, Videos, einen Weg zu den Ateliers – es gäbe so viele Möglichkeiten, die Bielefelder mit der Kneipe teilhaben zu lassen an den künstlerischen Entwicklungen im Haus. Für das Renommee der Stadt wäre diese Sichtbarkeit ein zusätzlicher Gewinn – oder, &bdquo;Bielefeld Marketing“? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es keine zahlreichen Bewerbungen für so eine Gastronomie gibt, inklusive gutem Essen und toller Stimmung.Anke Schmidt?33615 Bielefeld Als ehemaliger Student am Fachbereich Gestaltung war Artists Unlimited das Zentrum der Stadt für mich. Hier kamen zukünftige und etablierte Kunst- und Kulturschaffende aus aller Welt zusammen. Es wurden einem Optionen über den oft schwierigen Eintritt in die Welt der Gestaltenden eröffnet. Diese Orte bringen durch ihren künstlerischen Einfluss Menschen hervor, die unsere Welt mitgestalten und über Stadtgrenzen hinaus einen guten Ruf genießen. Ob München, Berlin oder Hamburg – überall standen mir die Türen auch wegen des Vereins offen. In Deutschlands größten Verlagen sowie renommierten Designbüros. Bielefeld steht in der Verantwortung, ihre Kulturschaffenden zu schützen, denn leider müssen sie wegen mangelnder Wertschätzung immer um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Sie arbeiten häufig aus idealistischem Antrieb und müssen auf finanziellen Halt verzichten. Was passiert, wenn man Menschen Räume nimmt, an denen sowas noch möglich ist? Dass die Politik in Erwägung zieht, derlei Orte einzugrenzen, macht mich mehr als betroffen, denn sie bringen Lebendigkeit in die Stadt. Sie stehen für das etwas Andere. Fängt man an, über Quadratmeterpreise zu sprechen, nimmt man Kultur die Luft zum Atmen, denn sie findet eben nicht in der Mietwohnung von nebenan statt. Sie braucht Platz, auf dem Farbe fließen, Installationen gebaut und Entwürfe gehängt werden können. (. . .) Und nicht zuletzt ist Artists Unlimited für mich auch immer ein Ort von Freundschaften, Begegnungen und Verständnis gewesen, in einer Zeit, in der es an diesen Dingen ganz eindeutig mangelt.Steffen Budke? 20459 Hamburg Es kann doch nicht wahr sein, dass die Politik (die SPD) der Stadt Bielefeld nichts Besseres zu tun hat, als sich um privatwirtschaftliche Angelegenheiten zu kümmern, die sie – gelinde gesagt – einen feuchten Kehricht angeht. Was ist denn das Problem? Die Kneipe bleibt doch erhalten! Wie zum Geier steckt der Herr Bezirksbürgermeister mit dem Wirt unter einer Decke, dass hier ernsthaft über eine Kündigung des Künstlervereins, der seit fast 40 Jahren in dem Gebäude ansässig ist, diskutiert wird?! Hier geht es um viele Existenzen. Um Familien, um Menschen, die ihr Zuhause womöglich verlieren. Künstler, die teilweise über ihr halbes Leben, in den Räumen in der August-Bebel-Straße wohnen und arbeiten. Kunst schaffen. Kann mir mal jemand verraten, warum die Hammer Mühle ohne mit der Wimper zu zucken, abgerissen wurde und hier in dem Fall (es geht nur um den Wirt als Person, nicht um die weiterbestehende Kneipe) in der Politik so ein Fass aufgemacht wird? Ich finde, das stinkt. Und zwar gewaltig.Und was den Vorwurf der mangelnden Transparenz angeht: Artist Unlimited wollte keine Schlammschlacht in der Öffentlichkeit. Die einzelnen Akteure in der Politik wissen allerdings ganz genau, was alles zwischen den Parteien vorgefallen ist. Umso verwunderlicher ist es, dass das die betreffenden Politiker so gar nicht zu stören scheint. Vorne hui, hinten pfui. Das sollten sich die Leser hier mal merken für die kommende Wahl.Sanna Schwarzenau32130 Enger Sehr interessante Koalitionen bilden sich in der Auseinandersetzung zwischen Artists Unlimited und ihrem Pächter. Bei der SPD kann man noch ?den üblichen Opportunismus unterstellen – man sieht dort seine Wähler anscheinend eher unter Kneipengängern als unter Kunstliebhabern. Die? Haltung der FDP, sonst stets Hüterin der Marktwirtschaft und Vertragsfreiheit, gibt dagegen Rätsel auf. Inzwischen veranlasst die Stadt schon einmal den ISB, Artists Unlimited die Folterwerkzeuge zu ?zeigen, in Gestalt von Mieterhöhung bzw. Vertragskündigung. Und ausgerechnet die Grünen halten derweil das Banner der Vertragsfreiheit? hoch.Thomas Schwade 33602 Bielefeld

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