
Bielefeld. Die Idee des Johann-Amos-Comenius-Preises ist so einfach wie überzeugend: Nicht nur die Ausgezeichneten erhalten eine besondere Würdigung für ihr oftmals ehrenamtliches Engagement für „Not leidende Kinder und junge Menschen“, so das Stiftungsziel des 2021 verstorbenen Stifters, Prof. Rainer Winkel, wörtlich – die Vergabe ist gleichzeitig mit dem Auftrag verbunden, das Preisgeld von 25.000 Euro in neue Projekte zugunsten von Kindern und Jugendlichen zu investieren.
Viele Schnittmengen zeichneten die Verleihung 2023 am Freitag aus: Nicht nur, dass der Stiftungsgeber der in Essen ansässigen Institution aus einer Bielefelder Textildynastie (das Museum Wäschefabrik Winkel legt bis heute Zeugnis ab) stammte. Auch die diesjährige Preisträgerin, Christina Rau (67), Ehefrau des verstorbenen Ex-Bundespräsidenten Johannes Rau, entstammt als gebürtige Delius der Bielefelder Familie, die die Ravensberger Spinnerei mitbegründete.
Geeigneter konnte daher der Ort der Preisverleihung, das Historische Museum neben der „Raspi“, kaum sein, um der ehemaligen First Lady in ihrer Heimatstadt einen würdigen Empfang zu bereiten. Pfarrer Volker Krolzig, Mitglied des Stiftungsvorstands und früherer Preisträger, verwies in seiner Begrüßung darauf, dass es erstmalig seit dem Tod des Stifters eine Jury-Entscheidung für den nächsten Preisträger gegeben habe und man sich „sehr schnell“ auf Christina Rau einigen konnte.
Aktivitäten erfordern „viel Zeit und gutes Netzwerken“
Raus Laudatorin, die ehemalige NRW-Schulministerin Gabriele Behler, ebenfalls Bielefelderin, hielt eine ebenso persönliche wie über den Tag hinausweisende Rede. Rau habe den Preis „ohne Zweifel verdient“, für ein vielfältiges Wirken für Kinder und Jugendliche, das sich wie ein roter Faden durch ihr Leben ziehe. Sie zählte nur einige der Engagements von Rau auf: Botschafterin der Kindernothilfe, Unicef-Schirmherrin, Schirmherrin des „Campus Rütli“ der ehemaligen „Problemschule“ im Berliner Bezirk Neukölln, engagiert für die Hermann-Lietz-Schule auf Spiekeroog sowie ihre Arbeit für und mit Kindern weltweit.
All diese Aktivitäten erforderten „viel Zeit und ein gutes Netzwerken“, welches Christina Rau in vorbildlicher Weise einbringe. Behler gab ihrer Rede eine nachdenkliche Grundierung und verwies neben zunehmenden Problemlagen für Kinder und Jugendliche auch auf Klagen über mehr Gewalt und nachlassenden Respekt unter jungen Leuten. Suche man nach Gründen, gebe es keine einfachen Antworten. Außer vielleicht, dass die Erwachsenenwelt ebenfalls zunehmend zu verrohen scheine und auf die schnelle Befriedigung egoistischer Impulse aus sei. Ihr komme somit eine noch wichtigere Vorbildfunktion zu als bisher, sagte Behler und forderte mehr Mut zur Erziehung.
Sie habe früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen
Zu diesem Anspruch scheint die Auswahl der beiden vom Preisgeld profitierenden Projekte gut zu passen: Beide dienen der Prävention des Abrutschens von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen – zum einen der Deutsche Kinderschutzbund Bielefeld, vertreten durch Geschäftsführerin Dorothee Redeker, der ein Patenschaftsprojekt zur Resilienzförderung von Kindern psychisch kranker Eltern installierte. Die zweite Hälfte des Geldes erhält die Kinderschutzambulanz des Evangelischen Klinikums Bethel, die sich Beratung, Beschäftigung und Diagnostik von Kindern aus belasteten Familien widmet. Die Ambulanz wurde vertreten durch die Leitende Psychologin Claudia Friedhoff.
Die Verleihung von Glasskulptur, Urkunde und Scheck nahmen die Witwe des Stifters, Lydia Winkel, und Hedda Vogel aus dem Stiftungsvorstand vor. Christina Rau dankte für die Auszeichnung in ihrer ihr eigenen sympathisch-zurückhaltenden, uneitlen Art und betonte, welche Freude es ihr mache, sich für Menschen stark zu machen, die Unterstützung brauchen.
Sie selbst habe durch ihre familiäre Prägung und die Konventionen und Traditionen ihrer Schulumgebung in Schottland früh gelernt, „Verantwortung zu übernehmen“, sich selbst zurück zu stellen und sich „für die Gemeinschaft zu engagieren“. Ihr sei bewusst, dass auch ihre Rolle als Ehefrau, zunächst des NRW-Ministerpräsidenten, dann Bundespräsidenten Rau, zusätzliche Türen geöffnet habe.
Musikalisch gestaltet und schwungvoll umrahmt wurde die Feierstunde von der Orchester-AG der Friedrich Wilhelm Murnau-Gesamtschule unter der Leitung von Martin Deppermann.