Rund 120.000 Euro für Bielefelder Toiletten-Gutachten

Bielefeld. Es liegt in der Natur des Menschen, dass ihn gelegentlich ein gewisses Bedürfnis überfällt. Wer damit auf den Straßen Bielefelds unterwegs ist, der hat in der Regel ein echtes Problem. Denn öffentliche Toiletten waren und sind Mangelware. Und die es gibt, sind teils schwer zu finden. Jetzt soll für geschätzte 120.000 Euro ein externes Gutachterbüro beauftragt werden, ein gesamtstädtisches Konzept zu erstellen, um "ein attraktives Angebot zur Verfügung zu stellen". Mit einigen Sofortmaßnahmen soll kurzfristig zumindest in der Innenstadt die Situation ein kleines bisschen verbessert werden. Der Seniorenrat fordert ein solches Konzept seit nahezu zehn Jahren. Und dies nicht nur für ältere Menschen. Er bezeichnet die öffentliche WC-Infrastruktur in Bielefeld "als beschämend". Gleichwohl hat sich die Situation im Vergleich zu 2015 schon ein wenig gebessert: Damals gab es 25 WCs, heute sind es knapp 50 öffentliche Toiletten unterschiedlichster Ausstattung und mit unterschiedlichen Nutzungszeiten. Barrierefrei sind die wenigsten. Auf der Online-Karte der Stadt zu den Stillen Örtchen sind nur 16 für Menschen mit Beeinträchtigungen geeignet. Ihre Öffnungszeiten sind zumeist eingeschränkt, da sie oftmals in Verwaltungsgebäuden zu finden und an die Bürozeiten gekoppelt sind. Daher ist auch der Beirat für Behindertenfragen sehr daran interessiert, dass sich die Situation verbessert. Ziel des Konzeptes ist ein attraktives Angebot an öffentlichen Toilettenanlagen, das den unterschiedlichsten Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gerecht wird, heißt es in einer Informationsvorlage aus dem Rathaus. Sicher, sauber, umweltfreundlich, inklusiv und wirtschaftlich sind die zentralen Kriterien, die erfüllt werden sollen, um der Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge gerecht zu werden. Nicht zuletzt sollen sich die Toiletten auch gut ins Stadtbild einfügen. Berlin hat die modernste öffentliche Toiletteninfrastruktur Wie das gehen und aussehen kann, hat die Stadt Berlin vorgemacht, die sich 2016 auf den Weg gemacht und ein ambitioniertes Toiletten-Programm entwickelt hat. Heute verfügt die Hauptstadt nach eigenen Angaben über die modernste öffentliche Toiletteninfrastruktur in Deutschland – und die zweitgrößte ihrer Art in Europa. Insgesamt gibt es in Berlin rund 420 öffentliche Toilettenanlagen. Ein Plus von 60 Prozent gegenüber früher. Die Firma Wall GmbH hat eigens für die Stadt die "Berliner Toilette" entwickelt - vollautomatisch, barrierefrei und ans Stadtbild angepasst. Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass es seit Jahren Serviceverträge mit dem Spezialisten für Außenwerbung und Stadtmöblierung gibt, die im Zuge des Toilettenkonzeptes modifiziert wurden. Das gibt es in dieser Form in Bielefeld nicht. Die Stadt betreibt ihre Anlagen überwiegend selbst. Und sie tut sich sehr schwer, neue Standorte zu finden und umzusetzen. Beispielhaft sei hier der Versuch des Stadtbezirkes Brackwede genannt, in dem sich unterschiedliche Akteure seit vielen Jahren für ein rund um die Uhr zugängliches öffentliches WC einsetzen. Bislang vergeblich. Die Bemühungen scheiterten zuletzt daran, dass es ein Zuständigkeitsgerangel in der Verwaltung gab, wer sich denn nun um Stille Örtchen kümmern muss. Und der Immobilienservicebetrieb ISB ließ mitteilen, dass er in Brackwede über keinen geeigneten städtischen Immobilienbestand verfüge, um den Wunsch nach einer selbstreinigenden Toilette zu erfüllen. Aktion "Nette Toilette" in Bielefeld kein Erfolgsrezept In der Vergangenheit waren große Hoffnungen in die Aktion "Nette Toilette" gesetzt worden, die mit Unterbrechung seit 2009 existiert. Ohne städtische Investitionen sollte sich die Zahl der WCs damit signifikant erhöhen, indem teilnehmende Gastronomiebetriebe eine monatliche Pauschale (100 Euro in der Innenstadt und 50 Euro in den Stadtbezirken) bekommen, wenn sie ihre Toilettenanlagen während ihrer Geschäftszeiten öffentlich zugänglich machen. Diese Hoffnungen haben sich jedoch nicht erfüllt. 2015 gab es 15 teilnehmende Betriebe, heute sind es rund 20 und damit unwesentlich mehr. Jetzt soll also ein Gutachter Grund reinbringen - den Bestand ermitteln, weitere potenziell nutzbare Anlagen finden, die Bedarfe in der City und in allen Stadtbezirken eruieren, Standortvorschläge machen, Ausbaustandards vorschlagen sowie ein Betreiber- und Finanzierungskonzept entwickeln. Zuguterletzt sollen die Toiletten besser auffindbar und ausgeschildert sein. Und an diesem Punkt will die Stadt kurzfristig ansetzen. Bestehende WC-Angebote in Bielefeld oft unbekannt Im ersten Schritt sollen in den am stärksten frequentierten Bereichen an Jahnplatz, im Bahnhofsumfeld und auf dem Kesselbrink die Beschilderung verbessert und ein neues, besser sichtbares Design verwendet werden. Unter dem Jahnplatz befindet sich eine sanierte und barrierefrei zu erreichende WC-Anlage (kostenpflichtig) im nördlichen Zugangsbereich der Stadtbahnhaltestelle. Leider wissen viele dies nicht, weil bisher ein Hinweissystem fehlt. Gleiches gilt für die Toilette in der Bürgerberatung im neuen Rathaus. Potenzial für eine weitere Toilettenanlage sieht die Verwaltung im Jahnplatzforum, dessen Ankauf beschlossene Sache ist. In der Wissenswerkstadt gibt es ab Mitte kommenden Jahres ein neues Angebot. Am Kesselbrink findet sich eine barrierefreies WC-Anlage auf der Rückseite des Grünen Würfels, eine weitere im Untergeschoss auf der Ebene der Tiefgarage (April bis Oktober geöffnet, von Reinigungskraft beaufsichtigt). Die ganzjährig geöffneten oberirdischen Toiletten werden häufig durch Vandalen außer Betrieb gesetzt und sehr stark von der örtlichen Szene genutzt. Hier soll die Beschilderung aufgerüstet, Sicherheit und Sauberkeit verbessert werden. Bielefelder Hauptbahnhof ist ein besonderes Problem Besonderer Handlungsbedarf besteht am Hauptbahnhof. Im Bereich der Bahnsteigzugänge gibt es eine kostenpflichtige Anlage, aber nicht rund um die Uhr. In der derzeit laufenden Machbarkeitsstudie zur Aufwertung des Bahnhofsumfeldes wird ein zusätzliches Toilettenangebot als zwingend erforderlich angesehen. In die Planung mit einbezogen werden soll auch eine "Toilette für alle". Darunter versteht man ein Rollstuhl-WC mit zusätzlicher Pflegeliege, Lifter und ganz viel Bewegungsfläche, damit auch für Menschen mit schwereren Beeinträchtigungen "müssen müssen" kein Problem mehr darstellt.

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