Eltern empört: Ihr Wille zählt bei der Schulplanung in Bielefeld nicht mehr

Bielefeld. Wunsch und Wirklichkeit liegen auch bei Schulplätzen in Bielefeld oftmals weit auseinander. Ebenso das eigene Zuhause und die Schule der Wunschschulform, an der Kinder überhaupt einen Platz bekommen könnten. Das kritisieren vor allem Realschuleltern seit Jahren immer wieder. Die Folge: Familien schwenken deshalb dann doch zu einer anderen Schulform um. Dass der ursprüngliche, gesetzlich definierte Elternwille jetzt als Prognosemodell aus der Ganzheitlichen Schulentwicklungsplanung gestrichen wurde, kritisiert der Stadtelternrat scharf. Denn die Zahlen, die im Februar nach der ersten Anmeldephase vorliegen und den gesetzlich definierten Elternwillen in Bezug auf die Schulwahl dokumentieren, seien ganz andere als die Schülerzahlen, die dann zum neuen Schuljahr tatsächlich in den Schulen starten. Das bestätigt auch Frederik Suchla (SPD), selbst Konrektor an der Martin-Niemöller-Gesamtschule. Für die Planung des Bedarfs an zukünftigen Schulplätzen nutzte das Amt für Schule bisher beide Werte. Auf die ersten Anmeldezahlen, die des Elternwillens, will die Verwaltung jetzt verzichten. Die FDP hatte beantragt, sie weiterhin mit als Grundlage für die Ermittlung des zukünftigen Bedarfs zu nutzen. Der Antrag wurde von der Ratskoalition mehrheitlich abgelehnt. "Es fand keine Diskussion hierzu statt", bemängelt Tim Seidel aus dem Vorstand des Stadtelternrats. Demnach hätten sich SPD, Grüne und Linke schon im Vorfeld gegen die weitere Einbindung vom Elternwillen entschieden. Das werfe ernsthafte Fragen zur Transparenz und demokratischen Entscheidungsfindung auf. Wenig Plätze, weite Wege: Einige Familien schwenken nach der Absage zu einer anderen Schulform um Die Schülerzahlen im Herbst spiegelten nicht den tatsächliche Elternwillen bei der Schulwahl wider, kritisiert die FDP. Um den zu sehen, müsse man die Zahlen nach der ersten Anmeldung zugrunde legen. Da seien sie beispielsweise bei den Realschulen immer deutlich höher, bei den Gesamtschulen hingegen deutlich geringer. Dass das so ist und einige Familien nach erhaltener Absage ihrer Wunschschule dann doch zu einer anderen Schulform umschwenken, zeigen die aktuellen Daten: 909 Kinder wurden in diesem Jahr erst einmal an einer Realschule angemeldet, vermeldet die Stadt nach den Hauptanmeldetagen (Stand 23. Februar). Wirklich besuchen jetzt allerdings nur noch 869 Fünftklässler diese Schulform. Die städtischen Gesamtschulen hingegen hatten insgesamt Ende Februar laut Zahlen der Stadt 406 Anmeldungen, verzeichnen jetzt aber insgesamt 477 Schüler. "Bevor Eltern ihr Kind dann zu einer Realschule am anderen Ende der Stadt schicken, wählen viele alternativ doch noch einen Platz an einer Gesamtschule in der Nähe", sagt Jan-Maik Schlifter (FDP). Das bestätigen Eltern aus Heepen. Ihnen sei nach der Absage von der Realschule vor Ort ein Platz in Sennestadt angeboten worden. "Unsere Tochter geht jetzt auf die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesamtschule", berichtet eine Mutter. Elternwille bezieht sich laut Gesetz nicht auf die Schule, sondern die Schulform &bdquo;Wir wissen, dass Eltern und Kinder sich eine Schule aussuchen und hoffen auch, dass möglichst viele diese Wunschschule bekommen – wichtig ist aber auch, dass sich der Elternwille laut Gesetz nicht auf die Schule, sondern die Schulform bezieht", sagt Lisa Brockerhoff, schulpolitische Sprecherin der Grünen. "Dieser Elternwille wird und muss weiterhin berücksichtigt werden bei den Planungen, aber auch konkret nach der Anmeldephase, zum Beispiel durch die Schaffung von Mehrklassen.“ Dass die Bildung dieser nur dann noch möglich sein soll, wenn stadtweit alle Plätze an der Schulform vergeben sind, hatten SPD und Grüne im Oktober 2022 beantragt, und auch damit für viel Entsetzen bei den Eltern gesorgt. Sie zogen den Antrag dann zurück. "Natürlich sind beim Prognosemodell Elternwille mehr Variablen vorhanden", ergänzt Michael Stelter, Vorstandsmitglied des Stadtelternrats. "Trotzdem sind diese Zahlen einfach näher an der Realität, da sie das Wahlverhalten von uns Eltern berücksichtigen." Auch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) empfehle Eltern auf seinem "Familienportal: Die richtige Schulform sollte dem Leistungsvermögen und der Lernbereitschaft Ihres Kindes entsprechen. Als weitere für Eltern und Kinder relevante Kriterien würden dort unter anderem auch ein kurzer Schulweg genannt. "Wir fordern, dass der Elternwillen bei der Schulentwicklungsplanung angemessen berücksichtigt wird", ergänzt Seidel.

Meistgelesen