In Not: Bielefelder Kliniken ordern jetzt Hebammen von Zeitarbeitsfirmen

Bielefeld. Hebammen sind überall in Deutschland knapp - in den Städten, auf dem Land, in Kliniken und in der ambulanten Versorgung. Auch in Bielefelder Kliniken ist die Not so groß, dass sich für Zeitarbeitsfirmen ein neues Geschäftsfeld aufgetan hat. Sie vermitteln Hebammen in die Entbindungsstationen von Krankenhäusern, die dringend Löcher in der Personaldecke auf den Geburtenstationen stopfen müssen. Im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) arbeiten derzeit 25 Hebammen, die meisten davon in Teilzeit. Das Haus leide wie alle großen Geburtskliniken in Deutschland mittlerweile unter dem Hebammenmangel, räumt Pflegedirektorin Petra Krause ein. Die Versorgung sei "ein wahrer Kraftakt." Aktuell müssten auch Hebammen aus Zeitarbeitsfirmen beschäftigt werden. Um langfristig feste Beschäftigte zu gewinnen, würden Hebammen im Anerkennungsjahr ausgebildet. Zudem würden ab Januar 2024 sechs Hebammen aus Chile eingestellt. Rüter: "Wir ziehen Humankapital aus dem Ausland ab" Das Franziskushospital habe zwar auch Probleme, Personal zu finden, und beschäftige immer wieder Leiharbeiter in allen Bereichen. Aktuell sei das unter den Hebammen jedoch nicht der Fall, sagt Georg Rüter, Geschäftsführer des Franziskus-Hospitals. Je nach Bereich verdienten die "Leiharbeiter oder Freelancer" 200 Prozent dessen, was die anderen verdienten. "Das ist ein grenzwertiges Tun", findet Rüter. Auch zum Import von Arbeitskräften aus dem Ausland hat er eine kritische Auffassung. "Diese Länder investieren in die Ausbildung von Fachleuten. Und wir kommen und ziehen das Humankapital ab", so Rüter. Die bundesweit agierende Zeitarbeitsfirma Felten bietet in Bielefeld erst seit Mai eine Vermittlung von Hebammen an. "Das liegt einerseits daran, dass mittlerweile die Nachfrage für diesen Bereich da ist", sagt Niederlassungsleiter Michael Schwabe. Außerdem habe sich die Versicherung erst seit Kurzem zu diesem Geschäft bereit erklärt. Pro Monat gingen im Schnitt etwas mehr als zehn Bewerbungen von Hebammen bei Felten ein, sagt Schwabe. Zu konkreten Vermittlungen sei es in Bielefeld allerdings noch nicht gekommen. "Unser Hauptgeschäftsfeld liegt im Ruhrgebiet", erklärt Schwabe. Dort würden schon länger Hebammen über die Zeitarbeitsfirma vermittelt. In Bielefeld sperrten sich viele Geschäftsführungen der Kliniken noch dagegen. Bisher seien zwei Krankenhäuser aus der Region potenziell bereit, über die Zeitarbeitsfirma einzustellen. Zeitarbeit als Hebamme: höherer Lohn, flexible Arbeitszeiten Die Bewerbungen stammten häufig von jüngeren Hebammen, die mobil seien. Sie würden dann in Bielefelder Kliniken und in einem Radius bis zu 45 Kilometer an wechselnden Standorten eingesetzt. "Die Vermittlung erfolgt zum akuten Management und ausschließlich in die Entbindungsstationen. Vor- oder Nachsorge machen diese Hebammen nicht", erklärt Schwabe. Die Vorteile einer Bewerbung über eine Zeitarbeitsfirma seien die Arbeitsbedingungen. Die Frauen müssten sich nicht selbst versichern, bekämen einen höheren Stundenlohn als in den Krankenhäusern und könnten Bedingungen für die Arbeitszeiten stellen, etwa Nacht-, Spät- oder Wochenendschichten für sich ausschließen. Auf ihrer Internetseite wirbt die Firma mit 27 Euro brutto pro Stunde, maximal 35 Stunden pro Woche, Dienstwagen und Zulagen. Doch: "Nicht jeder ist für Zeitarbeit geschaffen", räumt Schwabe ein. Die meisten Kolleginnen seien mit dem Arrangement sehr zufrieden, sagt Barbara Blomeier, erste Vorsitzende des Hebammenverbandes Nordrhein-Westfalen. Doch die Zeitarbeit bringt auch Nachteile mit sich. "Wenn die Hebammen ständig an wechselnden Einsatzorten sind, kann auf den Stationen keine Teambildung stattfinden", sagt sie. Außerdem werde so keine Veränderung im System erreicht. Es würden mit den Honorarhebammen zwar Löcher gestopft, die Kliniken müssten aber an den Arbeitsbedingungen und der Personaldecke nichts ändern. Denn der Grund, warum die Krankenhäuser keine Hebammen fänden, sei kein Fachkräftemangel. Die Frauen verließen die Kliniken in erster Linie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, sagt Blomeier. Auch Georg Rüter sieht das Problem nicht im Fachkräftemangel. "Wir müssen unser Arbeitskräfteproblem erstmal selber lösen." Denn die Geburtenzahl nehme ab, genauso wie die allgemeine Patientenzahl. Ansätze könnten seien, mehr zu arbeiten, etwa 48 Stunden pro Woche, oder bis länger als 65 Jahre. Außerdem müsse die Produktivität im Gesundheitswesen erhöht werden.

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