Bielefelds zweitgrößter Verein sieht sich seit Jahren im permanenten Abwehrkampf

Bielefeld. Wer nach Bielefelds größtem Verein fragt, wird über die Antwort nicht wirklich überrascht sein: Der DSC Arminia Bielefeld hat aktuell mehr als 15.200 Mitglieder. An Position zwei der Hitliste steht aber kein weiterer Sportverein, sondern ein Hidden Champion. Einer, der noch dazu auf eine längere Geschichte zurückblicken kann als Arminia Bielefeld: der Verein Haus & Grund. Der steht seinen rund 5.200 Mitgliedern erstaunlicherweise zu den gleichen Themen mit Rat und Tat zur Seite wie vor 125 Jahren. Gerade jetzt ist der Dachverband in diesem Sinne auf Konfrontationskurs. Haus & Grund spielt in der ersten Liga, wenn es um die Belange von Vermietern, Haus- und Wohnungseigentümern oder Kauf- und Bauwilligen geht. Der Verein, der die Eigentümerinteressen von rund 920.000 Mitglieder vertritt und der damit zu den größten seiner Art in Deutschland gehört, bietet auch schon mal der Bundesregierung die Stirn. So wie er es aktuell mit seiner Absage zu deren Wohnungsbaugipfel am Montag, 25. September, getan hat. Haus & Grund wie der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW sehen sich und ihre Vorschläge nicht ernstgenommen, das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" komme zu spät. Die Themenbereiche, um die sich Haus & Grund kümmert, unterscheiden sich 2023 und 1898 nahezu kaum. Und er hat so gut zu tun wie in seinen Gründerjahren, weiß Geschäftsführerin Daniela Niermann in Bielefeld. Dort hat auch der Landesverband OWL mit 45 Ortsvereinen seinen Sitz. Die Steuern, die privaten Grundbesitz betreffen, haben heute vielleicht einen anderen Namen. Aber das Bestreben, Steuern und Lasten auf ein "erträgliches und gerechtes Maß zu beschränken", wie 1898 über den Vereinszweck in der Zeitung zu lesen war, ist heute noch immer wichtig. In NRW liegt die Grundsteuer aktuell auf Eis "Die Grundsteuer ist damals wie heute ein Thema", sagt die Geschäftsführerin. Für Ein- und Zweifamilienhäuser sei sie viel zu hoch, und es sei mit der Neuberechnung mit weiteren Kostensteigerungen zu rechnen. Mehr als eine Million Einsprüche habe es deshalb in Nordrhein-Westfalen gegeben. Aber noch, sagt Daniela Niermann, sei kein Fall beschieden. Darauf warten Haus & Grund und der Bund der Steuerzahler nahezu sehnsüchtig. Gegen einen solchen Bescheid soll dann in einer Musterklage vorgegangen werden, nachdem ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter in einem Gutachten das neue Grundsteuermodell als gesetzeswidrig eingeschätzt hat, sagt Niermann. "Doch in NRW liegt die Grundsteuer derzeit komplett auf Eis." Es sei beabsichtigt, eine Untätigkeitsklage zu erheben. Ein anderes Thema, das den Immobilienbesitzern noch viel mehr den Schlaf raubt, ist das neue Gebäudeenergiegesetz. Bevor es dieser Tage in abgeschwächter Form verabschiedet worden ist, sagt die Haus&Grund-Vertreterin, habe es für wirklich sehr große Unsicherheit bei den zumeist älteren Vereinsmitgliedern geführt. "Ein Rechtsberater, der seit 20 Jahren bei uns ist, sagt, dass er soetwas noch nie erlebt habe", schildert Daniela Niermann. Mitglieder seien in der Geschäftsstellen nicht nur einmal in Tränen ausgebrochen, weil sie sich beispielsweise große Sorgen um ihre Rente machen würden. Kleinstvermieter nicht mit großen Immobiliengesellschaften gleichsetzen Die meisten der rund 5.600 Mitglieder seien im Schnitt 60 Jahre alt und hätten maximal bis zu fünf Immobilien. "Sie sind klassisch Kleinvermieter", schildert Niermann. Viele würden durch die Vermietung ihre Rente aufstocken. Die ursprünglich angedachten Energiemaßnahmen für fünf- bis sechsstellige Beträge hätten sich diese überwiegend nicht leisten können. "Ich habe noch nie so verzweifelte Leute gesehen", sagt Daniela Niermann. Andersherum sei ein Verkauf der Altersvorsorge auch nicht Sinn der Sache, so die Geschäftsführerin. Zumal die Preise für Wohnimmobilien im zweiten Quartal dieses Jahres innerhalb Jahresfrist fast um 10 Prozent gesunken sind - so stark wie nie zuvor seit Erhebung der Zahlen. Die Wogen hätten sich jetzt etwas geglättet, nachdem beim Energiegesetz die weitreichendsten Forderungen vom Tisch seien und es mehr Förderung geben solle, schildert Niermann. "Die Politik hat glücklicherweise erkannt, dass es so nicht funktioniert." Etwas, was nicht vom Tisch sei, aber irgendwie unter dem Radar: Es sei weiterhin Gesetz, dass bei einem Hausverkauf alle Heizungen, die 30 Jahre und älter sind, raus müssten. Weitere Baustellen sind laut Daniela Niermann die hohe Grunderwerbssteuer, die geplante Verlängerung der Mietpreisbremse oder auch die entgegen aller Versprechen noch nicht abgeschafften Straßenausbaubeiträge. Die Geschäftsführerin von Haus & Grund wird aktuell mit Interesse gelesen haben, dass das Kabinett in NRW nun im Oktober einen entsprechenden Gesetzesentwurf beschließen will.

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