Justizvollzugsanstalt Bielefeld lässt als Vermieter große Wohnungen bewusst leer stehen

Bielefeld. Es gibt eindeutig Gegenden, wo es sich schlechter wohnen lässt. Nahezu alle Wohnungen mit Blick ins Grüne, Eichhörnchen huschen an den Balkonen und Terrassen vorbei, Vögel zwitschern. Es herrscht Ruhe, wenn man vom leisen Rauschen der A33 absieht - und der gewöhnungsbedürftigen Nachbarschaft. Denn die sitzt hinter Gittern. Doch die Wohnwelt hat Risse. Etliche Wohnungen im Bielefelder Süden stehen trotz des allgemeinen Wohnraummangels leer, werden von der Natur zurückerobert. Verkrautete Balkone sind Refugien für Tauben. Ein unhaltbarer Zustand, meint ein Mieter, zumal die Unterkünfte dem Land gehören. Und noch eines treibt ihn um: die seit langem drohende Kündigung für alle. An der Umlostraße, in direkter Nachbarschaft zur Justizvollzugsanstalt (JVA) Brackwede, befinden sich die einst als Dienstwohnungen für JVA-Mitarbeiter gedachten 40 Wohneinheiten. Davon stehen nach Auskunft von Berthold S. (Name von der Redaktion geändert) mittlerweile 17 leer, obwohl sie bei einer Große von 80 bis 125 Quadratmetern wahrscheinlich schnell Liebhaber finden würden.Mittlerweile ist die Nutzungsbindung aufgehoben und nicht nur Landesbedienstete dürfen dort wohnen. Vermieter der Wohnungen ist die JVA Brackwede, Eigentümer der Immobilien der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes Nordrhein-Westfalen. "Einige Mieter haben die Flucht ergriffen, nachdem vor fünf oder sechs Jahren erstmals Erweiterungspläne der JVA bekanntgeworden sind", schildert Berthold S. Ihnen sei es zu heikel gewesen, nicht dauerhaft ein gesichertes Zuhause zu haben. Sanierungswünsche würden abgeblockt Andere seien entnervt gewesen, dass an den Mitte der 1970er Jahre gebauten Gebäude nichts mehr gemacht werde. "Auch bei mir sind die Fenster undicht", schimpft der Mieter mit Blick auf die Energiepreise. Die Forderungen auf Fenstertausch oder andere Sanierungswünsche würden aber mit dem Hinweis auf einen möglichen Abriss der Wohnanlage abgeblockt. "Die Anstalt tut sich sehr schwer, etwas zu tun", behauptet Berthold S. Leergezogene Wohnungen würden in der Regel nicht mehr neu vermietet. Dabei sei das Gerede von einer zusätzlichen JVA-Erweiterung bislang nichts weiter als ein Gerücht. "Es gibt weder konkrete Pläne noch eine Zeitschiene." Der Bewohner wünscht sich in dieser Hinsicht endlich einmal aktuelle Informationen, am besten auf einer großen Mieterversammlung. "Aber diesem Wunsch kommt die JVA nicht nach", klagt Berthold S. Und noch eines findet der Brackweder unsäglich: dass die JVA für die leerstehenden Wohnungen trotzdem weiterhin Miete an den BLB überweist. "Das ist doch Steuergeldverschwendung." Pläne für Erweiterung der JVA Brackwede sollen bald konkreter werden Martin Wulfert ist Leiter der Justizvollzugsanstalt Brackwede, ein Gefängnis des geschlossenen Vollzugs. Dort sitzen unter anderem Strafhäftlinge ein, die große Schuld auf sich geladen haben. Wulfert bestätigt auf Nachfrage, dass es Pläne gab und gibt, das Gefängnis auch in nord-westliche Richtung zu erweitern.Dies hängt mit einem Neubau auf der gegenüberliegenden Seite zusammen, der jetzt auf der Zielgeraden ist. Das neue Hafthaus 8, mit dessen Bau 2019 begonnen worden war, soll voraussichtlich noch in diesem Jahr in den Betrieb gehen. Und für 124 zusätzliche Häftlinge braucht es Beschäftigung. "Für einen Großteil der neuen Häftlinge müssen wir Arbeitsplätze schaffen", schildert Wulfert. Es brauche auch ein neues Besuchsgebäude und eine neue Außenpforte, da die alte Pforte nicht mehr ausreichend sei und an die aktuellen Sicherheitsbestimmungen für eine JVA im geschlossenen Vollzug angepasst werden müsse. "Wir sind gerade auf der Schwelle zwischen Überlegungen und Planung", betont der Anstaltsleiter. Etwas zur zeitlichen Schiene zu sagen, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, sagt Martin Wulfert, "auch wenn wir das möglichst forciert betreiben wollen". Der BLB NRW erklärt auf Nachfrage, dass derzeit in einer Machbarkeitsstudie untersucht werde, ob und wie eine bauliche Weiterentwicklung der JVA möglich ist. In diesem Zuge werde auch die Bausubstanz der Altgebäude und die Möglichkeit energetischer Sanierungen geplant. Großteil der Häuser müsste abgerissen werden Vor diesem Hintergrund scheue sich die JVA in der Tat, neue langfristige Mietverträge abzuschließen, räumt Martin Wulfert ein. Im Gegenzug sei es nicht so einfach, Mieter zu finden, die gerne befristen. Nahe einer Hochsicherheitsanlage sei zudem nicht jeder als Mieter geeignet. Richtig sei, dass für die geplante Erweiterung ein Großteil der Häuser abgerissen werden müsste. Von Entmietung will der Anstaltsleiter aber keinesfalls sprechen. "Als Vermieter sind wir und der BLB bei auftretenden Schäden verpflichtet, diese zu beheben", sagt Wulfert zu den Vorwürfen von Berthold S. Der Bauverwaltung angezeigte Mängel würden auch abgearbeitet. "Massive Mietmängel sind mir aber nicht bekannt." Dem Vorwurf der mangelnden Grünpflege will er nachgehen. Im Hinblick auf Mietzahlungen für leerstehende Wohnungen erklärt Martin Wulfert: Die JVA zahle nicht für Einzelobjekte, sondern für die gesamte Anstalt inklusive Wohnungen Miete an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Die JVA Brackwede gehört mit aktuell 542 und künftig 666 Haftplätzen zu den großen Haftanstalten in Deutschland. Rund 370 Mitarbeitende werden dann auf die Häftlinge Acht geben.

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