Bielefelder Stadtteil Heepen wieder unter Wasser: Seit Jahren warten Anwohner auf Hilfe

Bielefeld. "Der Hochwasserschutz hat nicht ausgereicht." Gerd Weichynik von den Bielefelder Naturfreunden klingt verärgert, und er klingt müde. Trotz aller Bemühungen ist der historische Meierhof in Heepen zum wiederholten Male überflutet worden, nachdem am 12. September heftiger Starkregen Lutter und Baderbach weiter über die Ufer treten ließ. Trocknungsgeräte surren in dem denkmalgeschützten Hof. "Das wird richtig teuer", weiß Vorsitzender Weichynik aus Erfahrung. Der Verein wird selbst zahlen müssen. "Eine Elementarversicherung, die bei Wasserschäden durch Unwetter aufkommen würde, nimmt unsere Gebäude nicht mehr auf." Denn Überschwemmungen sind hier, in Nähe des Teichs am Leithenhof, von Lutter und Baderbach gewissermaßen vorprogrammiert. Das Problem ist der Stadt bekannt. Trotzdem wartet der Verein seit einem Jahrzehnt auf den von der Stadt versprochenen Hochwasserschutz. Zwei Tage vor dem Starkregen, am Tag des offenen Denkmals, hatte der Meierhof noch für Besucher seine Pforten geöffnet. Da hatte man noch gehofft, dass diesmal nichts passiert. "Wir hatten großes Glück, dass das Wasser nicht noch höher gestiegen ist", sagt Weichynik. Denn mit bis zu 60, 70 Liter an Niederschlägen auf den Quadratmeter pro Stunde sei der Starkregen zwar heftig gewesen, aber noch kein Jahrhundertereignis. Dann könne mehr als das Doppelte runterkommen. "Trotzdem stand das Wasser bei uns schon jetzt 30 Zentimeter über der Türschwelle, höher als die letzten Male." Dabei sollte im Zuge der Luttersanierung etwas gemacht werden. Nach den Hochwasserjahren 2012 und 2013 hatte die Lutter in Heepen verbreitert und renaturiert werden sollen. Geschehen ist das bisher aber nur auf einem Teilstück. Der Hochwasserschutz für Heepen müsse mehr Priorität bekommen, fordert Weichynik, und das nicht nur an der Lutter. "Auch der Baderbach muss mehr Auslauf bekommen." Die Hochwassergefahrenkarte, die zeige, wo es schnell zu Überflutungen im Stadtgebiet kommen könne, reiche nicht. "Das ersetzt nicht die notwendigen Maßnahmen." Teich-Gewässer ist jetzt komplett abgelassen Der Teich, der zum Leithenhof gehört, veralge schnell und müsse dringend regelmäßig entschlammt werden, sagt Weichynik. Das Gewässer ist jetzt komplett abgelassen. "Aber eine gewisse Feuchtigkeit brauchen wir hier auch wegen der Eichenpfähle, auf denen der Meierhof gebaut ist", erklärt er. Nach dem erneuten Unwetter am Dienstag fragt sich der Vorsitzende: "Wer hat das beim Umweltamt hier vor Ort mal in Augenschein genommen?" Die Stadt konnte zu Fragen zum aktuellen Zeitplan für den Hochwasserschutz in Heepen, welche Maßnahmen im Detail in den kommenden Monaten/Jahren geplant sind und warum Leithenhof und Meierhof nach den Hochwasserereignissen 2012 uns 2013 noch nicht besser geschützt sind, noch keine Antworten liefern, weil es sich um ein "komplexes Thema" handelt, hieß es am Donnerstag aus dem Rathaus. Die Anwohner ärgert das. Denn Heepen ist besonders geplagt vom Hochwasser. Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern wurden in dieser Woche Erinnerungen wach an den Sommer 2012: Es ist der 29. Juni 2012, als das Wasser kam. Etliche Gärten an der Fohlenwiese wurden geflutet, das Wasser lief den Anwohnern von jetzt auf gleich in den Keller. Wie bei Jennifer Wittrowski. Sie hat damals mit ihrem Mann und dem ersten Kind an der Fohlenwiese gewohnt. Mit einer Flitsche bekam sie das Wasser aus dem Keller. Andere waren stärker betroffen. "Bei einigen schwammen die Wohnzimmermöbel im Wasser", erzählt sie. 2016 stellte die Stadt ein Hochwasserkonzept vor Ein Jahr später dann der nächste Schock: Am 21. Juni 2013 trat die Lutter wieder über die Ufer. Die Stadt hatte da bereits den Bewuchs im Abfluss-Profil der Lutter entfernt, auch Kanäle in der Siedlung Fohlenwiese wurden erneuert. Trotzdem war der Schaden für die Anwohner immens. 2014 wurde dann auf einer Länge von 120 Metern ein Hochwasserschutzwall errichtet, westlich des Leithenhofs ein Erdwall angelegt. 2016 stellte die Stadt ein Hochwasserkonzept vor. 2017 sollte eigentlich mit dem Gewässerausbau und der Erneuerung des Brückenbauwerks an der Vogteistraße begonnen werden. Aber damals hatten Verhandlungen über den Kauf von Grundstücken im Bereich der Fohlenwiese den Baustart verzögert, hieß es vom Umweltamt der Stadt. Um die Lutter vergrößern zu können, brauchte die Stadt mehr Fläche – die aber war nicht in ihrem Besitz. Im September 2020 gingen dann die Arbeiten los. Begonnen wurde damals mit dem ersten Bauabschnitt zwischen Eckendorfer Straße und Vogteistraße, gut 700 Meter lang. Dort wurde das Bachbett naturnah auf vier Meter verbreitert und die Uferböschung abgeflacht. Alleine dabei wurden ganze 5.500 Kubikmeter Boden ausgehoben. Ab diesem Sommer sollte eigentlich im Stadtbezirk Mitte zwischen der Straße Am Venn und der Einmündung Baderbach ein etwa 650 Meter langer Bauabschnitt naturnah und hochwassersicher ausgebaut werden. Doch passiert ist bislang nichts, sagt Heepens Bezirksbürgermeister Holm Sternbacher (SPD). Er war am Dienstag sofort vor Ort, um sich einen Überblick zu verschaffen, erzählt er. Auch er war schockiert, dass wieder Heepen betroffen ist. "Ich konnte das nicht glauben", sagt er gegenüber nw.de. Im August war das Hochwasser noch Thema in der Politik Noch in der August-Sitzung der Bezirksvertretung Heepen hatte die SPD einen Antrag zum Thema Hochwasserschutz gestellt. Die Verwaltung wurde aufgefordert, über den aktuellen Stand des Hochwasserschutzes im Stadtbezirk zu berichten. "Nach den ersten erfolgreichen Maßnahmen auf Heeper Gebiet ist der Eindruck entstanden, dass ein gewisser Stillstand bei den weiteren Maßnahmen eingetreten ist", heißt es da bürokratisch. "Man hat einfach das Gefühl, da rührt sich zu wenig", sagt Sternbacher. Vieles sei noch unklar. Etwa, ob die Brücke an der Vogteistraße mit einem größeren Durchlass neu gebaut wird, sagt Sternbacher. Für die Anwohner ist das alles eine mehr als missliche Lage. Diesmal, erzählt Sternbacher, habe zwar die automatische Wehranlage am Leithenhof funktioniert. Der Druck durch die Wassermassen, die aus dem Zusammenfluss Baderbach/Lutter kamen, sei aber zu stark für das Wehr gewesen. Die Schutzbarriere hielt nicht. Es traf wieder die Naturfreunde. "Auch über die Situation dort muss geredet werden", sagt Sternbacher. Erstmals sei auch der Bereich "Am Großen Wiel" in Baumheide betroffen gewesen, sagt Sternbacher. "Da müssen wir schauen, was der Grund ist."

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