Geschäftsführer muss gehen: Geplante Bielefelder Klimaschutzsiedlung auf der Kippe

Bielefeld. Die überraschende Abkehr vom Geschäftsführer der Sennestadt GmbH schlägt Wellen – im Stadtbezirk, aber auch in Fachkreisen. Der Aufsichtsrat hatte im August beschlossen, den Vertrag des 59-jährigen Bernhard Neugebauer über den 30. September hinaus nicht mehr zu verlängern, wie jetzt bekanntgeworden war. Vier der sieben Mitglieder hatten sich gegen ihn ausgesprochen. Aufsichtsratsvorsitzende Tanja Orlowski (CDU) äußert sich erstmals über die Gründe. Eine mögliche Auflösung der GmbH, wie sie jetzt ins Gespräch gebracht worden ist, will sie auf alle Fälle vermeiden. Die Sennestadt GmbH ist 1956 vom LWL, dem Landkreis Bielefeld und der damaligen Gemeinde Senne II gegründet worden, um den Bau der Reichow-Stadt auf von ihr gekauften 400 Hektar Land voranzutreiben. Mit der Eingemeindung ist sie seit 1973 eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt. Nach Fertigstellung der Sennestadt und langer Stand-by-Phase war die Gesellschaft 1995 auf Wunsch von Aufsichtsrat und Bezirksvertretung vom Rat reaktiviert worden. Zunächst wurden neue Baugebiete für junge Familien geschaffen. Ab 2006 übernahm die Gesellschaft Aufgaben mit dem Ziel einer integrierten Quartiersentwicklung. Für ihr innovatives &bdquo;Stadtlabor“, das neues Bauen in einer Klimaschutzsiedlung realisiert, die energetische Sanierung im Altbestand anschiebt, neue Energie- und Wärmekonzepte umsetzt und Mobilität neu denkt, ist die Sennestadt GmbH mit dem &bdquo;KfW-Award Leben 2022“ ausgezeichnet worden. Andere Städte machen sich auf den Weg, dem Bielefelder Modell einer eigenständigen Gesellschaft zur Stadtentwicklung zu folgen. Weg zur Baureife der Klimaschutzsiedlung zu lang Der städtischen Tochtergesellschaft gehören das Sennestadthaus, die Alte Post gegenüber, die Kita Ehrenbergplatz sowie der Sennestadtpavillon. Laut Beteiligungsbericht der Stadt gehören ihr rund 121.000 Quadratmeter Fläche, davon gut 49.000 Quadratmeter mit Baurecht. Größter Brocken ist das ehemals industriell genutzte Schilling-Gelände an der Paderborner Straße. Dort entsteht zurzeit die Klimaschutzsiedlung, ein wegweisendes Projekt, das bundesweit und im Ausland Beachtung erfährt. Der Weg dorthin war lang und steinig. Die ersten Häuser stehen, doch die Vermarktung stockt, da sich angesichts der aktuellen Lage auf Finanz- und Bausektor viele Käufer zurückhalten. Daher hatte die GmbH im Frühjahr Familien ein besonders Paket mit kostengünstigen Finanzierungsmodell geschnürt, was die Nachfrage durchaus wieder ankurbelte, aber sich laut Orlowski nicht in Verkäufen niedergeschlagen habe. Die Aufsichtsratsvorsitzende lässt durchblicken, dass der Weg bis zur Baureife zu lang gedauert habe – auch, weil Geschäftsführer Neugebauer und seine Berater sich zu lange am Landesbetrieb Straßen NRW um Zufahrten auf die L756 abgearbeitet hätten. Neugebauer hat sich vehement für den Weiterbau der Stadtbahnlinie 1 und den Rückbau der L756 eingesetzt. Orlowski räumt atmosphärische Störungen zwischen Teilen des Aufsichtsrates und Neugebauer ein, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut hätten. Insider sprechen sogar von Konkurrenzdenken. Aber noch im März hatte der Aufsichtsrat der Geschäftsführung Entlastung erteilt. Kommen jetzt normale Ein- und Zweifamilienhäuser? Für das Schilling-Gelände, auf dem im ersten Bauabschnitt 88 Wohneinheiten entstehen sollen und mindestens ebenso viele später im angrenzenden &bdquo;Urbanen Gebiet“, müssten &bdquo;jetzt andere Wege der Vermarktung und neue Ideen her“, sagt Tanja Orlowski. Wie genau das aussehen könnte, sagt die CDU-Politikerin nicht. &bdquo;So weit sind wir noch nicht.“ Im November, wenn sich Interimsgeschäftsführerin Wiebke Schmiedeskamp (Leiterin des Konzerncontrollings der Stadt) eingearbeitet habe, werde die nächste Aufsichtsratssitzung stattfinden. Wie aus unterrichteten Kreisen zu hören war, könnte dies vielleicht das Ende der Klimaschutzsiedlung bedeuten und den Verkauf der Grundstücke an Bauherren mit konventionellen Bauwünschen bedeuten. Bezirksbürgermeister Lars Nockemann (SPD), ebenfalls Mitglied im Aufsichtsrat, bedauerte die Entscheidung. Er hätte es nach eigener Aussage gerne gesehen, wenn Neugebauers Vertrag, der 17 Jahre lang Geschäftsführer der Sennestadt GmbH gewesen ist, verlängert worden wäre.

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