Für 50.000 Bielefelder Bedürftige gibt es jetzt eigene Postkästen

Bielefeld. Er ist klein und gelb, aber die Sorgen, die auf gelben Karten im Postkasten des neuen Solidar-Kümmer-Mobils landen, können ganz schön groß sein. Eine Person schreibt, dass sie sich so einsam fühlt und gerne wieder mehr Anschluss finden möchte. Eine Frau aus Baumheide sucht dringend eine Tafel oder Lebensmittelverteilstelle in ihrem Umfeld, die sie noch aufnimmt. Und ein Mann hat notiert, dass er eine größere Wohnung für seine Familie sucht. Aber im näheren Gespräch mit einer "Solidaritäterin" stellt sich heraus, dass der Pflegebedürftige viel zwingender eine Alltagshilfe braucht, die er seit zwei Jahren bereits vergeblich sucht. In all diesen Fällen versuchen Ehrenamtliche der Bielefelder Stiftung Solidarität, Solidaritäterinnen und -täter eben, zu helfen, zu vermitteln. Seit Juli sind Ehrenamtliche der Stiftung Solidarität bei Arbeitslosigkeit und Armut mit ihrem Kümmer-Mobil in der Stadt unterwegs. Von dienstags bis samstags stehen sie mit dem Imbisswagen auf Wochenmärkten, Flohmärkten oder anderen Orten, wo sich viele Menschen aufhalten. Auf dem Kesselbrink stehen am Samstag Rimante Krapiene und Paul Barnstaple hinter dem Tresen. Sie verkaufen Waffeln, Kuchen, Getränke oder auch eine warme Suppe - für Bielefeld-Pass-Inhaber übrigens zum Solidarpreis. Ganz nebenbei kommen sie mit den Menschen ins Gespräch, sammeln Fragen, Nöte und Karten ein, um die sich dann in der Folge andere ehrenamtliche Solidaritäterinnen kümmern. Paul, der halb Ire und halb Schotte ist, wie er betont, aber schon seit 23 Jahren in Bielefeld lebt, hat dabei so gar keine Berührungsängste. Entertainment liegt ihm nach eigenen Worten im Blut. Lange habe er auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet, sagt der Tanzlehrer. Er hilft bereits ehrenamtlich in Bethel mit, arbeitet in der Tanzschule auch mit behinderten Menschen, seit einigen Monaten ist er zudem noch bei der Stiftung Solidarität mit dabei. "Man muss doch den Menschen mit niedrigem Einkommen helfen", sagt er. 50.000 Bielefelder sind auf Unterstützung angewiesen In Bielefeld mit seinen 334.000 Einwohnern sind das nicht gerade wenig. Mittlerweile sind es rund 50.000 Menschen, die Anspruch auf den Bielefeld-Pass haben. Er ist ebenfalls ein Projekt der Stiftung und sorgt dafür, das Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen wenig Geld zum Leben haben, Vergünstigungen erhalten. Rimante ist 28 Jahre alt, gebürtige Litauerin, und seit elf Jahren in Bielefeld. Sie arbeitet sonst im Café der Musik- und Kunstschule, aber in den Ferien hilft sie immer bei der Stiftung, wie sie erzählt. Ihr Waffelteig ist am Samstag so schnell aufgebraucht, dass viele Besucher aufs nächste Mal vertröstet werden müssen. Und natürlich ist auch Franz Schaible, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Solidarität, am Samstag mit auf dem Kesselbrink. Mit einer gelben Werbeschürze vor dem Bauch promotet er das neue Angebot, wirbt nebenbei noch Förderer an und hat auch ein Ohr für die Menschen, die nicht auf Rosen gebettet sind. Ein Mann, der ihm berichtet, dass sein Fernseher kaputt ist und er sich keinen neuen leisten kann, bekommt sein Visitenkärtchen in die Hand gedrückt. Schaible verspricht, zu sehen, ob er über die Solidarshops oder auf anderem Wege helfen kann. Keine Sorge ist zu banal. Bielefelder Markthändler spenden ihre Waren Die Präsenz des Kümmer-Mobils auf dem Kesselbrink hat noch einen ganz anderen Effekt. Weil auch Markthändler gerne mal eine Suppe oder eine Stück Kuchen essen, hat sich noch eine andere Form der Solidarität ergeben: Einige Beschicker haben sich bereit erklärt, am Ende des Markttages entbehrliches Obst und Gemüse zu spenden, das die Stiftung dann direkt in ihren beiden samstagnachmittags geöffneten Lebensmittelverteilstellen in Sieker und Heepen weitergeben kann. Zu ihnen gehört auch Bernd Grewe aus Borgholzhausen, überall als Bauer Bernd bekannt. Er beliefert im Sommer die Händler mit Zuckermais, im Herbst mit Kürbissen. Er und Bäuerin Annette freuen sich, mit ihren Produkten Menschen glücklich zu machen, die sonst oft nicht Qualititätsware bekommen könnten. "Man kriegt so oft ein Lächeln und ein Danke zurück", sagt Bauer Bernd, "viele haben vergessen, wie schön das ist." Der Borgholzhauser Hof profitiere seit Jahren selbst von sehr viel solidarischer Hilfe, beispielsweise bei der Ernte, sagt Bäuerin Annette (Kempe). Es fühle sich gut an, hier etwas zurückgeben zu können. Gerne würde die Stiftung ihr zweites Kümmer-Mobil auf den Weg schicken, aber noch fehlen die Ehrenamtlichen, die ihn besetzen könnten. Auch braucht es noch Solidaritäter, die im Hintergrund-Team mitarbeiten. Alle, die helfen möchten, aber auch solche, die Probleme loswerden wollen, finden die Details und Ansprechpartner auf der neuen Webseite www.solidaritaeterinnen.de oder unter Telefon 0521 2997799.

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