Versuchstiere: Modernes Zuhause für Tausende Tiere an der Universität Bielefeld

Bielefeld. Kräftig orangefarbene Schnäbel, grau-gemustertes Gefieder mit schwarz-weißen Streifen – doch die Bewohner des gerade fertig gewordenen Baus hinter der Universität Bielefeld sind nicht nur hübsch anzuschauen, sondern auch erstaunlich sozial. Die Zebrafinken und ihr Verhalten erforschen Barbara Caspers und Sabine Kraus im neuen Zuhause für Versuchsvögel auf dem wachsenden Campus Süd. Hier baut die Uni nicht nur neue Trakte für Mitarbeiter und Studenten, sondern auch für Nager, Reptilien und Co. Die Bielefelder Verhaltensforschung zählt zu den ältesten und wohl renommiertesten Fachbereichen der Universität. Sie ist ab dem 14. August Gastgeberin des Weltkongresses &bdquo;Behaviour“ – und sie wird gerade grundmodernisiert. Neue Gebäude für Lehre und Forschung entstehen am Waldhang hinter dem Uni-Hauptgebäude, auch für die rund 3.000 Tiere der Verhaltensforschung. &bdquo;Welche Tiere das sind, hängt von den laufenden Projekten ab“, erklärt Verhaltensökologin Caspers. Versuche an und mit Tieren sind nach wie vor wichtiger Bestandteil wissenschaftlicher Forschung an verschiedenen Fakultäten der Uni. Dass Singvögel sehr gut riechen können, sich über ihren Geruchssinn sogar verständigen und erkennen, wer zur Vogelfamilie gehört und wer nicht, hat Verhaltensforscherin Caspers (48) so anhand von Zebrafinken entdeckt. Ein Meilenstein, erklärt die Bielefelder Professorin. &bdquo;Lange wurde den meisten Vögeln ein ausgeprägter Geruchssinn abgesprochen.“ Singvögel erkennen Familienmitglieder am Geruch, fand die Bielefelder Professorin Barbara Caspers heraus Tatsächlich erkennen schon Finken-Küken ihre Mutter am Geruch. &bdquo;Die Vögel putzen sich auch eher gegenseitig das Gefieder, wenn sie genetisch miteinander verwandt sind. Das können sie riechen.“ Um das komplexe Zusammenspiel von Umwelt und Genetik zu verstehen, seien die schnell brütenden und sozialen Zebrafinken ideale Partner für die Forschung, erklärt Caspers. Auch weil sie mit dem Menschen manches gemein hätten, wie die monogame Lebensweise. Dass Zebrafinken auch Charakter haben, weiß Wissenschaftlerin Kraus (33) die individuelle Unterschiede bder Tiere untersucht. &bdquo;Dass, was wir beim Menschen Persönlichkeit nennen.“ Ihre Forschung, hofft sie, werde den Blick der Menschen auf Vögel positiv verändern. An der Universität wurden Zebrafinken aus Volieren gestohlen, weitere Tiere erfroren Neben den domestizierten und Australischen Finken beherbergt die Verhaltensforschung laut Caspers aktuell zudem Feuersalamander, Mäuse, Fische sowie Spitzschwanzamadinen und Japanische Mövchen, gesellige Vogelarten, die auch als Haustiere gehalten werden dürfen. Sechs Tierpflegerinnen und Tierpfleger sowie vier Auszubildende reinigen Aquarien, Volieren, Ställe und versorgen die Tiere mit frischem Wasser, Futter, Wasserbädern, Streu, Ästen, Grün oder Nestbaumaterial. Als erste &bdquo;Mitarbeiter“ der Verhaltensforschung sind nun die Zebrafinken umgezogen in moderne Volieren, die laut Caspers deutlich größer und flexibler geworden seien. &bdquo;Sie können zum Beispiel über Zwischentüren miteinander verbunden werden.“ Eine Betonmauer schützt die vergitterte Anlage mit ihren 64 Einzelvolieren – vor Mardern und Mäusen, aber auch vor Menschen. 2014 waren 20 Zebrafinken gestohlen worden, weitere Tiere erfroren, nachdem sich Unbekannte an Volieren zu schaffen gemacht hatten. 3.300 Quadratmeter für Nager, Reptilien, Amphibien und weitere Tierarten an der Universität Bielefeld &bdquo;Das war für uns eine schlimme Erfahrung“, sagt Caspers. Sie betont, der Tierschutz läge allen Verhaltensforschern am Herzen. &bdquo;Wir arbeiten ja mit den Tieren zusammen und für unsere Forschung ist es wichtig, sie unter möglichst natürlichen Bedingungen zu halten.“ Auch alte oder kranke Vögel dürften in den Anlagen ihren Lebensabend verbringen. Jedes neue Projekt, bei dem Tiere zum Einsatz kämen, werde zudem von diversen Gremien geprüft. Den 810 Quadratmeter große Volierenbau, der seit April fertig ist, realisierte ein Spezialunternehmen bei Kosten von 2,4 Millionen Euro. Die Universität als Bauherrin errichtet nun in direkter Nachbarschaft den nächsten Tier-Bau in ganz anderen Dimensionen: Rund 3.300 Quadratmeter Nutzfläche wird das Gebäude &bdquo;R7“ für Nager, Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische bereitstellen. Weil die Zahl der Versuchstiere auf dem Campus wächst, neben Biologie und Chemie auch die neue Medizinfakultät an und mit Tieren forschen wird, war ein neues &bdquo;Tierhaus“ notwendig geworden. Diese Entwicklung stieß bereits früh auf Kritik: 2018 hatte ein Bündnis lokaler und regionaler Tierschutzgruppen einen Protestmarathon organisiert, weil eine Zunahme von Tierversuchen an der Uni befürchtet wurde. 2025 soll es fertig sein und damit später als das Gebäude &bdquo;R5“, in dem Büros und Lehre der Verhaltensforschung einziehen werden und das bereits im Rohbau ist. Ende 2024 soll die neue Verhaltensforschung fertig sein und den in die Jahre gekommenen alten Betonkomplex an der Konsequenz ablösen. Die ehemalige Verhaltensforschung soll später als Fläche für Labore und Forschungsbereiche der Medizinischen Fakultät genutzt werden. Ob das Gebäude saniert oder abgerissen werden wird, wird laut Universität aktuell geprüft. Unterdessen steht für Caspers und Kraus jedoch fest: &bdquo;Wir ziehen nicht um, bevor nicht all unsere Tiere gut untergebracht sind.“

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