Wiebke Esdars Plan für ein „rotes Rathaus“

Beim jüngsten Unterbezirksparteitag sind Sie mit großer Mehrheit als Chefin der Bielefelder SPD wiedergewählt worden. Sie haben ein klares Ziel gesetzt: Das Bielefelder Rathaus soll weiterhin rot bleiben. Wie lautet ihr Plan? Wiebke Esdar: Ein wichtiger Baustein ist die Verankerung bei den Menschen vor Ort. Diese Verankerung wollen wir jetzt durch noch mehr Präsenz verstärken. Wir haben den Bulli Bernd angeschafft, mit dem wir in die Quartiere und zu Veranstaltungen fahren. Dort sind unsere Leute direkt ansprechbar, die aus unseren Ortsvereinen und ich als Bundestagsabgeordnete. Bielefeld ist eine Flächenstadt. Ich finde es wichtig, dass wir auch den Fokus auf die Quartiere legen und nicht nur auf dem Jahnplatz einen Infostand aufbauen. Wenn Sie auf das letzte Wahlergebnis schauen, dann war das Rathaus nicht rot, sondern die SPD war nur zweiter Sieger mit 24 Prozent. Und die CDU hatte 28. Wenn ich sage, das Rathaus soll rot bleiben, dann spreche ich erst mal davon, dass wir die Oberbürgermeisterwahl wieder gewinnen wollen. Um auf die Frage konkret einzugehen: Ja, unser Ziel ist auch wieder stärkste Fraktion zu werden. Das waren wir bei der letzten Wahl nicht. Wie wird die Kandidatenkür ablaufen? Aufgabe des neuen Vorstandes wird es sein, die Kommunalwahl und die Bundestagswahl, die an einem Tag stattfinden werden, entsprechend vorzubereiten. Das ist gesetzt. Und gesetzt ist auch, dass es in der SPD transparente Verfahren gibt für Personalentscheidungen. Das gilt vom Oberbürgermeister bis zur Bundestagsabgeordneten, auch für die Ratslisten bei der Kommunalwahl. Es werden Namen gehandelt: Bei einem Kandidaturverzicht von Pit Clausen wären das Sozialdezernent Ingo Nürnberger, Ratsfraktionschef Riza Öztürk, die Landtagsabgeordnete Christina Kampmann. Wir haben einen guten Oberbürgermeister und viele gute Leute für die Kommunalpolitik, alles andere klären wir zu gegebener Zeit. Den großen Zielen auf kommunaler Ebene steht aktuell eine miese Stimmung im Bund gegenüber. Da begegnet mir zweierlei. Das eine ist eine Verunsicherung, die wir beispielsweise durch das Heizungsgesetz haben. Die ist dadurch entstanden, dass ein Gesetzentwurf frühzeitig durchgestochen worden ist, den die SPD so nie mitgetragen hätte. Jetzt haben wir nach zähem Ringen etwas viel Besseres zustande gebracht. Das andere ist ein offensichtlich neuer Politikstil. Ich bin selbst überrascht, wie oft auch von hochrangigen Vertretern der Regierung Twitter als Ort der Auseinandersetzung gewählt wird. Meinungsverschiedenheiten müssen innerhalb der Koalition ausgeräumt werden und nicht in den sozialen Medien. Wie wollen Sie den Menschen in Ihrem Bielefelder Wahlkreis das neue Heizgesetz erklären? Viele fürchten, finanziell auf der Strecke zu bleiben. Die Sorge war berechtigt am Anfang, weil der Entwurf von Habeck zu wenig Rücksicht genommen hat auf die finanziellen Möglichkeiten und der Klimaschutz zu sehr mit der Brechstange erreicht werden sollte. Was uns von der Vorgängerregierung unterscheidet, ist, dass wir das ernst nehmen mit dem Klimaschutz. Und wenn wir CO2-Emissionen reduzieren wollen, dann dürfen wir den Wohnungssektor nicht außen vor lassen, weil da ganz viel CO2 produziert wird. Wir sorgen jetzt für einen sozialen Ausgleich und nehmen Geschwindigkeit aus dem Verfahren, weil es logischer ist, erst die kommunale Wärmeplanung zu machen. Dann kann man sehen, wo etwa Fernwärme möglich ist und welche alternativen Möglichkeiten es gibt. Die Menschen haben Angst ums eigene Häuschen, empfinden die Debatte als zu akademisch und von oben herab. Deshalb müssen wir das Thema jetzt viel besser kommunizieren. Unser Anspruch ist, dass wir niemanden finanziell überfordern. Es wird eine sozial gestaffelte Förderung geben. Wenn man ein geringes Einkommen hat, kann man bis zu 70 Prozent Zuschuss bekommen. Wir haben mit Grünen und FDP einen vernünftigen Kompromiss gefunden. Kompromisse finden müssen Sie auch mit Grünen und Linken in der Bielefelder Rathauskoalition. Ist die SPD-Vorsitzende mit der Arbeit ihrer Ratsfraktion zufrieden? Ehemalige Ratsmitglieder sollten aktuellen Ratsmitgliedern keine öffentlichen Bewertungen von der Seitenlinie geben – das gilt auch, wenn sie Parteivorsitzende oder Bundestagsabgeordnete sind. Daran halte ich mich. Die Linie der SPD ist immer, nicht mit der Brechstange vorzugehen. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen. Zum Beispiel bei der Verkehrspolitik, die wir machen. Anspruch der Verkehrspolitik der SPD in Bielefeld ist auch, dass wir den neuen Lebensrealitäten vieler Menschen, die nicht mehr nur mit dem Auto unterwegs sind, gerecht werden. Dass wir zweitens, weil wir eine wachsende Stadt sind, auch den Verkehrsraum so aufteilen müssen, dass beispielsweise mehr Busse und Bahnen weniger Verkehrschaos verursachen als lauter Einzelpersonen, die in einem Pkw sitzen. Und es gehört natürlich auch der Klimaschutz mit dazu. Anwohnerparken soll jetzt 60 statt wie angedacht 360 Euro kosten, eine Idee, die ja offenbar in der SPD-Fraktion geboren worden ist. Spricht man das im Parteivorstand ab oder ist die Fraktion da autonom? Die Kommunikation mit dem Parteivorstand und mit mir als Parteivorsitzende ist gut. Aber es bleibt dabei, dass ich konkrete kommunalpolitische Entscheidungen oder was gerade debattiert wird, nicht öffentlich kommentiere. Sowohl die Kommunikation zum Oberbürgermeister, als auch zu den Dezernenten und zur Ratsfraktion, die läuft. Muss die Politik nicht ehrlicher sein? Der Autoverkehr soll sich bis 2030 halbieren, Bielefeld 2035 klimaneutral sein. Das wird nicht funktionieren. Der OB hat eingeräumt, dass die Ziele im Vertrag mit dem Radentscheid nicht einzuhalten sind. Ich nehme das Beispiel Radentscheid. Die Verbesserung des Radverkehrs ist ein wichtiges Ziel. Es war richtig, sich vertraglich zu binden, weil damit der Verein Radentscheid für die Politik ein Partner auf Augenhöhe geworden ist. Um möglichst viel zu erreichen, müssen die Ziele hoch gesteckt sein, sonst kommt am Ende noch viel weniger dabei heraus. Darum gehört es zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen, ja, wir setzen uns große Ziele, aber auf dem Weg dahin müssen wir nachsteuern, weil sich Bedingungen geändert haben. Um die Klimaneutralität kommen wir nicht herum, erreicht werden muss sie möglichst schnell. 4,5 Millionen Euro gibt’s vom Bund für das neue Fahrradparkhaus im Bunker am Hauptbahnhof. Wie sorgt man als Bundestagsabgeordnete dafür, dass so ein Betrag in den eigenen Wahlkreis fließt? Als Erstes gibt es im Haushaltsausschuss einen Beschluss, dass eine Förderlinie für den Bau von Fahrradparkhäusern aufgemacht wird. Schon zu dem Zeitpunkt ist die Kommunikation zwischen der örtlichen Abgeordneten und dem Rathaus hilfreich. Dann geht es konkret in die Haushaltsverhandlungen mit SPD, Grünen und FDP, die Listen erstellen, in denen die Anträge positiv begutachtet werden. Natürlich habe ich mich an dieser Stelle stark für Bielefeld eingesetzt. Setzt sich der SPD-Unterbezirksvorstand weiter für ein Jugendkulturzentrum im Jahnplatztunnel ein? Ja. Der Oberbürgermeister sieht das anders, warnt vor den hohen Kosten. Also vollkommen klar: Wir brauchen gut erreichbar, in der Innenstadt, ein neues Jugendkulturzentrum. Und ich halte den Jahnplatztunnel für einen geeigneten Ort. Der Oberbürgermeister hat recht in seiner Argumentation, dass das Kosten verursacht, weil das unterirdische Belüftungssystem teuer ist. Aber wenn ich mir anschaue, wie rar gesät verfügbarer Raum in der Innenstadt ist, dann können wir diesen Platz nicht verschenken. Zuschütten ist keine gute Option. Gibt es eine andere gute Idee für den Jahnplatztunnel und ein anderes innenstadtnahes, geeignetes Gebäude für ein Jugendkulturzentrum, dann brauchen wir nicht dogmatisch zu sein. Es gibt zwei Ziele, die ich auch als SPD-Vorsitzende stark vertrete. Das eine ist das Jugendkulturzentrum und das andere ist, diesen Raum im Jahnplatztunnel auch zukünftig zu nutzen.

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