Streit um riesigen Badesee in der Bielefelder Johannisbachaue

Bielefeld. Obwohl sich der Rat der Stadt schon vor Jahren dafür ausgesprochen hat, die Pläne für einen Untersee in den Papierkorb zu werfen und die Johannisbachaue zum Naturparadies zu entwickeln, bleibt der Bau der umstrittenen Naherholungsanlage zumindest theoretisch möglich. Dafür haben CDU, FDP und AfD im Regionalrat gesorgt. Grüne, BUND und der Naturwissenschaftliche Verein haben bereits heftig protestiert. Jetzt fährt der Verein Pro Grün scharfe Geschütze auf: Er will die Entscheidung des Regionalrates vom Düsseldorfer Ministerium für Wirtschaft, Landesplanung und Raumordnung überprüfen lassen. &bdquo;CDU und FDP missbrauchen die Regionalplanung für kommunalpolitische Ränkespiele. Damit ist der Stadt wahrscheinlich sogar Schaden entstanden“, sagen Tilman Rhode-Jüchtern, Martin Enderle und Michael Blaschke. Der Plan, zwischen dem Viadukt am Obersee und Brake einen Untersee als Freitzeitgewässer anzulegen, ist über 50 Jahre alt. Mehrere Vereine, Initiativen, Investoren, Planer und Dezernenten haben sich im Laufe der Jahre dafür starkgemacht. Von Anfang an gab es auch Kritik: Das Vorhaben sei weder machbar noch bezahlbar, es schade der Natur und löse viel zu viel Verkehr aus. Außerdem, so der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Klaus Feurich-Tobien, solle damit kein Badesee für alle Bielefelder geschaffen werden, sondern vor allem teures Bauland mit Seeufer für das Klientel von CDU und FDP. Gebiet hat sich zur Naturfläche entwickelt Als Gegenentwurf gibt es seit langem landschaftsplanerische Konzepte, um die Johannisbachaue in ein über 200 Hektar großes Naturschutzgebiet mit Wanderwegen zu verwandeln. Mit Mehrheit hat der Stadtrat diese Ziele beschlossen. &bdquo;Damit wurde die reale Entwicklung des Gebietes zu einem wertvollen Lebensraum zum Wohl seltener Tier- und Pflanzenarten nachvollzogen“, so Pro Grün. Im Regionalplan für OWL, der die rechtliche Grundlage für Bauvorhaben aller Art, für Straßenprojekte, aber auch für Naturschutzflächen ist, blieb der Untersee jedoch eingezeichnet. Derzeit wird der Plan überarbeitet. Über den neuen Regionalplan, der bis 2045 verbindlich sein wird, entscheidet der Regionalrat. Der hat erst im Juni wieder getagt. Dabei ging es auch um den Wunsch der Stadt Bielefeld, den Untersee aus dem Plan zu streichen. Knappe Mehrheit für den See Um das durchzusetzen, hätten SPD und Grüne aber eine Mehrheit gebraucht. Doch CDU und FDP/Freie Wähler, die zusammen zehn der 20 Sitze im Regionalrat haben, hatten schon vorher angekündigt, die Streichung zu blockieren. Stimmengleichheit hätte dafür gereicht. Doch da auch der AfD-Vertreter im Regionalrat gegen die Herausnahme des Sees stimmte, ergab sich sogar eine dünne Mehrheit dafür, den Untersee im Regionalplan stehenzulassen. &bdquo;CDU und FDP haben einen Ratsbeschluss ausgehebelt, anstatt im Interesse ihrer Stadt zu handeln. Mit einem Taschenspielertrick blockieren sie eine wichtige Zukunftsentscheidung. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus“, schimpfen Martin Enderle und Michael Blaschke. Pro Grün fordert daher, den Entschluss des Regionalrates zum Untersee zurückzunehmen. Auch die Bezirksregierung favorisiere die Naturschutzausweisung. Die Stadt könnte Landeszuschüsse verlieren Darüber hinaus will Pro Grün die Aufsichtsorgane des Regionalrates bei der Bezirksregierung Detmold und im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium einschalten. Sie sollen prüfen, &bdquo;ob der Regionalrat durch einzelne Mitglieder missbraucht wurde, um kommunale Entscheidungen zu blockieren“. Zudem bittet Pro Grün den Oberbürgermeister, zu prüfen, ob Bielefelder Mitglieder des Regionalrates – gemeint sind Detlef Helling (CDU) und Jan Maik Schlifter (FDP) – &bdquo;gebunden werden können, für die Umsetzung des Ratsbeschlusses zu votieren“. Das könnte im Herbst der Fall sein, wenn abschließend über den neuen Regionalplan abgestimmt wird. Bleibe der Untersee weiterhin Teil des Regionalplanes, könne das Gebiet nicht als Naturschutzfläche ausgewiesen werden. Dadurch könnten der Stadt Landesmittel für die Weiterentwicklung der Fläche verlorengehen, moniert Michael Blaschke. Wasserqualität schon jetzt eher mäßig Während die Naturschutzverbände darauf hinweisen, dass sich die Johannisbachaue bereits zu einem einmaligen Lebensraum für geschützte Tier- und Pflanzenarten entwickelt habe, macht Pro Grün zudem deutlich, dass der Bau eines Untersees &bdquo;keine Realisierungschance“ habe. In Zeiten des Klimawandels, gelinge es nur mit großen Anstrengungen, die Wasserqualität des Obersees einigermaßen im Griff zu behalten. Dass in einem nachgeschalteten Untersee die Wasserqualität sprunghaft ansteige, so dass er als Freizeitsee tauge, sei &bdquo;utopisch“. Die FDP weist die Kritik empört zurück und bezeichnet Pro Grün als &bdquo;Aktivistenverein“. &bdquo;Vorgebliche Naturschützer und ihre Parteiorgane als notorische Standortbremsen“ würden es seit Jahrzehnten schaffen, jede Überlegung, wie in Bielefeld eine größere Wasserfläche zur Naherholung entstehen könne, im Keim zu ersticken. &bdquo;Dabei ist der Bedarf unbestritten, wenn man sich den Obersee mal an einem Sonntag ansieht“, so Jan Maik Schlifter. Michael Blaschke hält dagegen: &bdquo;Der Untersee ist eine Chimäre. Die Befürworter sollten endlich die Realität akzeptieren, dass dort eine Naturfläche entstanden ist und der Obersee, der ursprünglich für den Naturschutz vorgesehen war, heute der Freizeit und Erholung dient.“

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