Bielefelder Tätowierer covert fiese Tattoos und alte Narben

Bielefeld. Tattoos finden viele cool. Weniger cool, wenn das Tattoo peinlich ist oder zur schmerzhaften Erinnerung wird. Wenn es Menschen belastet. Belastend können auch alte Wunden sein. Solche, die an einen Unfall erinnern, oder solche, die vom Ritzen und sich selbst Verletzen kommen. Wer viel Geld hat, konnte sich bis 2021 Tattoos weglasern lassen, für hohe dreistellige Summen. Heute ist das Ärzten vorbehalten; und es braucht psychologische Gutachten. Zudem spielen Krankenkassen oft nicht mit. Im Tattoostudio können vorhandene Tattoos über-tätowiert, also quasi übermalt werden. Wer wenig Geld hat, der behält sein Problem. Für solche Menschen hat die Stiftung Solidarität dieses Angebot: Kult-Tätowierer Milos Ukena wurde, gefördert vom Jobcenter, angestellt und befreit Menschen von ihren Problemen. Hakenkreuz und SS-Rune - oder verhasste Namen Die haben es oft in sich: Hakenkreuz und SS-Rune tragen manche, Gefängnis-Tattoos mit allzu eindeutigen Botschaften andere. Einer Frau wurden vom Partner mit Gewalt seine Initialen eintätowiert, ein Liebesbeweis, auf den sie gerne verzichtet hätte. Auch Partnernamen aus beendeten und gewalttätigen Beziehungen tragen viele mit sich herum. Die Möglichkeiten der schlimmen Dinge auf der Haut scheinen unbegrenzt. Ein Problem. Sozialpfarrer Matthias Blomeier: "Wenn jemand mit politisch eindeutigen Tattoos auf der Stirn an der Supermarktkasse steht, ist das nicht einfach" - vor allem, wenn der derjenige heute kein Nazi mehr ist, sich nach einer Gefängnisstrafe integrieren will und weitgehend geläutert ist. Es leidet auch unsäglich die Frau, die einen Josef liebte, von diesem aber vergewaltigt und geschlagen wurde - und noch immer den Namen auf dem Arm trägt. Statt 250 Euro nimmt Milos 20 bis 30 Hier kommt jetzt Milos ins Spiel. Kostet sonst ein handtellergroßes Tattoo 250 Euro, nimmt er 20 bis 30 Euro. Dank Jobcenter und Anstellung kann er das. Für die Stiftung Solidarität ein gutes Projekt, wenn auch ein kleines Zuschussgeschäft. "Es ist aber einmalig in Bielefeld", sagt Vorstand Moritz Schön. Gut sei, dass Blomeier und Milos ihre ganz eigenen Kontakte hätten, sehr bekannt seien - und so viele Menschen erreichen könnten. "Viele von denen öffnen sich nicht jedem", sagt Schön. Milos hatte vor zwei Jahren die Idee, er, der ab 1991 über fast 25 Jahre Tattoo-Studios in Bielefeld hatte, dann aber die Lust verlor. Jetzt schuf er sich selbst mit seiner Idee die Plattform für ein neues, erfüllteres Arbeiten. "Grundrente, Bielefeld-Pass - wer einen offiziellen Nachweis seiner Bedürftigkeit hat, dem helfen wir", sagt Schön. "Über den Namen des verhassten Ex-Mannes mache ich dann ein paar Blömkes drüber", sagt Milos, Blümchen also. Neues verdeckt altes Tattoo Das neue Tattoo verdecke dann das alte, mit ein paar Schatten funktioniere das bestens. Einmal habe er tatsächlich auch schon ein Hakenkreuz "über-tätowiert", auch eine Erfolgsgeschichte für ihn, der Rassismus strikt ablehnt und jeden, der sich bei ihm in dieser Richtung äußert, erst ermahnt, dann rauswirft. Täglich hat er ein bis zwei Menschen bei sich an der Werner-Bock-Straße 13 sitzen, die ein Tattoo oder eine vernarbte Verletzung loswerden wollen. Oft Beziehungsgeschichten, manchmal politische Sachen, oft gibt es Gefängnis-Hintergründe. Blomeier, der Inhaftierte manchmal über Jahrzehnte begleitet: "Viele sind tätowiert, einige nicht glücklich mit den Motiven - da sind oft echt extreme Sachen zu sehen, widerliche Bilder, harte Aggro-Dinge." "Die wollen ein normales Leben haben" Wer "Ich hasse Euch alle" quer auf dem Rücken stehen hat, dürfte im Freibad irritieren - dasselbe gilt für tätowierte Nazi-Ausrufe oder sexuell eindeutige Bilder. "Die wollen aber wieder ein normales Leben haben", sagt Blomeier aus Erfahrung; und freut sich, dass es das Projekt rund um Milos gibt. Dass das Gesundheitsamt alles geprüft und abgenommen hat, verstehe sich von selbst. Wer Interesse hat, mailt Milos unter info@goodkarmatattoo.de oder ruft ihn an unter Tel. 0157 52383989 - oder wendet sich an Sozialpfarrer Blomeier unter Tel. 0173-4221185.

Meistgelesen