Der Blick von Burg zu Burg in Bielefeld geht über 125 Millionen Jahre

Bielefeld. Zwischen Hünenburg, Fernsehturm und Umgebung auf der einen Seite des Bielefelder Passes sowie Sparrenburg bis Eiserner Anton auf der anderen liegen Luftlinie teilweise nur wenige Kilometer. Was die Bauten angeht, liegen bis zu 1.500 Jahre zwischen ihnen. Unglaublich aber ist der Abstand, wenn auf das Gestein geschaut wird, das unter den Gebäuden und in ihrer Nähe liegt. Hier sind es etwa 125 Millionen Jahre. Knapp 120 Millionen Jahre alt ist der Osning-Sandstein aus der Unteren Kreidezeit, auf dem quasi der Fernsehturm steht - und gut 240 Millionen Jahre alt ist der Muschelkalk, auf dem die Sparrenburg steht. Beide entstanden aus Sedimenten in Meeren. 125 Millionen Jahre auf 3 Kilometern? Elmar Döring war fast 40 Jahre lang Bio-Lehrer am Helmholtz-Gymnasium, auch die Geologie fasziniert ihn. Er findet, dass die Bielefelder von diesem Phänomen wissen sollten. Es sei bundesweit "wohl einmalig" und "sensationell". Treffpunkt ist die Galgenheide in Gadderbaum. Von hier aus ist Bethel zu sehen. Zwei Täler gibt es, Freudental und Quellenhoftal. Quasi am Quellenhof entlang, der Verbindung Gadderbaums mit Sieker und Brackwede, verläuft laut Döring ein gewaltiger Riss. Einer, der Welten trennt. Jene Welten, die 125 Millionen Jahre auseinander liegen. "So ein Unterschied ist doch wirklich überraschend, oder?", fragt der Mann, der heute, am 23. Mai, 87 Jahre alt wird. Im Extremfall könnten es sogar fast 200 Millionen Jahre Abstand sein, so weit liegen die Gesteinsschichten laut Döring maximal auseinander. Für ihn faszinierend: "Ich finde, die Bielefelder sollten wenigstens erahnen können, was für eine spannende Geschichte wir hier hatten." Druck erzeugt Faltenwurf aus Gestein Schuld sei gewaltiger Druck aus Nordosten gewesen. Der habe den Teuto wie eine geschobene Tischdecke in Falten geworfen, der Druck habe auch die Bruchspalte erzeugt. Die Falte aus Gestein, auch das Bild einer steinernen Welle passt gut, brach im Bereich des heutigen Quellenhofweges. Steiler ragten die gewaltigen Gesteinsschichten - oben Kreide, unter ihr Jura, dann Keuper, dann Muschelkalk und schließlich Buntsandstein - im Umfeld von Sparrenburg bis Eiserner Anton auf. "Mehr als 1.000 Meter hoch", sagt Döring, "doch subtropischer Regen ließ sofort die Erosion gewaltig einsetzen und spülte im sehr warmen Tertiär vor 65 bis 35 Millionen Jahren unfassbare Mengen an Gestein letztlich in die Weltmeere. "Da ist richtig viel abgeflossen." Viel weniger war es im Umfeld des heutigen Fernsehturms. Dort war die Welle runder geblieben, nicht so aufgerissen, nicht so stark und steil nach oben gebrochen worden. Folge: viel weniger Erosion. All das sei im mittleren Tertiär geschehen. Und während auf der einen Seite Gestein aus 120 Millionen Jahren abgetragen wurde, so dass am Ende 240 Millionen Jahre alter Muschelkalk oben lag, blieb es im Westen bei der 120 Millionen Jahre alten Sandsteinschicht an der Oberfläche. Und so kam es auch dazu, dass der damals mutmaßlich höhere Berg der heutigen Sparrenburg längst der kleinere ist - die Burg steht auf 180 Metern Höhe, der Fernsehturm mit der Hünenburg auf gut 312 Metern Höhe. Burg und Turm nennt Döring eher sinnbildlich für die besondere Nähe der gewaltigen Verschiebungen - "die exakten Schichten können auch leicht anders liegen". Geht's noch älter? Ja, denn sogar der fast 250 Millionen Jahre alt ist Buntsandstein - und dieser ist laut Döring in wenigen Bereichen entlang des Quellenhofweges zu entdecken. Hier wurde damals auch noch der Muschelkalk von der Erosion noch weggefräst und die darunter liegende Schicht freigelegt. Hier gibt es also einen Nachschlag von etwa 10 Millionen Jahren. Wo ist von alldem etwas zu sehen? Wie sich dieser gewaltige Bruch auf Bielefeld auswirkte, ist laut Döring an vielen Gebäude zu sehen. Während im Norden viele Häuser auf Fundamenten aus Muschelkalk stünden, sei es ab Mitte und im Süden der Osning-Sandstein, der dominiere. Zu unterscheiden seien sie bestens, denn im Muschelkalk seien "viele kleine Sonnensteine" zu finden. Sonnensteine, so werden versteinerte Reste von See-Lilien genannt, viele versteinerte Fossilien prägten den Stein. Muschelkalk sei eher gräulich in der Anmutung, Osning-Sandstein hingegen farbiger: Ihn gibt es in einer bläulichen und einer rötlichen Variante. Und das Alter der Gebäude auf diesen Uralt-Gesteinen? Die Sparrenburg ist gut 800 Jahre alt, der Fernsehturm wurde 1952 in seiner ersten Variante gebaut. Er ersetzte den Drei-Kaiser-Turm, der 1894 fertig gestellt worden war. Die Hünenburg selbst soll aber älter als 2.050 Jahre sein. Und die Infos dazu? Es gibt alte Bücher, so vom Naturkundemuseum. Und eine Info-Tafel unterhalb der Galgenheide, doch die, so Döring, erzähle fast nichts von der extrem besonderen geologischen Situation. Gerne würde er hier den Anstoß für eine neue Tafel geben.

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