Verwunschener Bielefelder Park mit ungewöhnlichen Pflanzen-Raritäten

Bielefeld. Hinter einer rund zwei Meter hohen Mauer aus Muschelkalk, die an das ehemalige Windel-Werksgelände (dem heutigen Öko-Tech-Park) im Stadtbezirk Senne angrenzt, verbirgt sich ein verwunschener historischer Garten, der stadtweit seinesgleichen sucht: mit einer Vielfalt exotischer und heimischer Bäume, mit künstlerischen &bdquo;Tupfern“ und einer alten Familiengrabstätte. Unter dem wuchernden Grün finden sich seltene Gewächse, die in Bielefeld wohl einzigartig sind. Rund zwei Jahre lang hat der Senner Biologe Hans Schumacher (88) die Anlage erkundet, Pflanzen und Kunst fotografiert, bestimmt und dokumentiert. Dabei hat er die seltene Papierbirke entdeckt, deren dünne Rinde sich wie ein schmales Geschenkband kringelt; oder eine europäische Säuleneiche, schlank wachsend und rund 30 Meter hoch. &bdquo;Ihr Holz wird gern für die Herstellung von Barrique-Fässern genommen“, erzählt Christian Meyer-Stork. Der 64-jährige Weinexperte ist ein Enkel des Fabrikanten Hermann Windel. Der hatte sich 1914/15 von dem Bielefelder Architekten Wilhelm Wiethüchter direkt neben seiner Firma eine vornehme Familienvilla bauen und den rund drei Hektar großen Park drumherum anlegen lassen. Noch vor dem Ersten Weltkrieg ließ der Unternehmer den bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts angelegten Park vergrößern und als englischen Landschaftsgarten gestalten. Dafür beauftragte er zwei Hamburger Gartenarchitekten, Hermann Schnackenberg und Paul Friedrich Siebold. Auf einer Länge von 300 Metern erstreckt sich hinter dem großzügigen Herrenhaus mit seiner strengen Symmetrie, dem Walmdach und der schlossähnlichen Freitreppe eine weite Rasenfläche mit jahrhundertealten Bäumen und Pflanzinseln, die rund ums Jahr blühen. Am Südende liegt ein Springbrunnen, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Karpfenteich genutzt worden sein soll. &bdquo;Wohl zur Ergänzung der in jenen Jahren doch recht kargen Speisekarte“, hat Schumacher mit feinem Humor in seinem rund 274 Seiten starken neuen Buch &bdquo;Natur und Kultur“ über die Parkanlage notiert. Zu bekommen ist es beim Autor unter Tel. (05209 2783) Barocke Putten aus Osning-Sandstein Neben einem kleinen gelben Teehaus, das innen mit Rokoko-Wandmalereien des ostdeutschen Malers Paul Roloff geschmückt ist, steht im Park bis heute eine fein gearbeitete Sonnenuhr, ein Geschenk der Windel-Belegschaft von 1921. Darin finden sich zudem barocke Putten aus Osning-Sandstein, eine Storchen-Skulptur aus Obernkirchener Sandstein sowie ein steinernes Wappen der Familie Meyer-Stork mit einem stilisierten Storch. Zwischen Mauer und Villa wurde ein kleiner Familienfriedhof angelegt, wo sich auch die letzte Ruhestätte des Firmengründers und seiner Frau Auguste befinden. Die Mutter von Christian Meyer-Stork, Christa, die den Garten lange Jahre gepflegt hat, ist ebenfalls hier begraben. Einen Trompetenbaum hat der ein oder andere Bielefelder vielleicht selbst in seinem Garten - jedoch kaum einen, der seinen Namen so verdient wie das Exemplar im Windelpark: mit dickem Stamm, rund 15 Meter hoch, frei und krumm gewachsen. Das uralte Gewächs zeigt bis heute im Frühsommer große weiße Blüten mit gelben Streifen und purpurvioletten Tüpfeln. Ob Silber-Ahorn, Appalachen-Rosskastanie, Ginkgo, Blutpflaume oder Sibirische Fichte, rund 45 verschiedene Rhododendren-Arten, Perückenstrauch, Farne, Pilze und Wildkräuter - der Park punktet mit einer Vielzahl von bekannten und unbekannten Pflanzen, die auch seltene Schmetterlinge wie den Himmelblauen Bläuling und den hübschen C-Falter anziehen. Hans Schumachers Entdeckungs-Highlight aber ist ein Urwelt-Mammutbaum aus China, der 1940 als Fossil erstmals gefunden wurde. Wenige Jahre später stießen Engländer auf einige lebende Exemplare im Himalaja, nahmen Samen mit und verkauften 1950 die daraus gezogenen ersten Exemplare. Eines davon steht bis heute im verwunschenen Windel-Park.

Meistgelesen