Das sind die ungewöhnlichsten Angebote auf Bielefelds Wochenmärkten

Bielefeld. Nicht nur Brot und Käse, Obst und Gemüse, Fisch und Fleisch kann man auf Bielefelds Wochenmärkten kaufen. Schaut man etwas genauer hin, findet man viele tolle und außergewöhnliche Dinge, darunter auch unbezahlbare Dinge: Heimatgefühl zum Beispiel. Am Wochenmarkt in Sennestadt vor dem Wurststand vom Fleischereibetrieb Norbert Burda aus Recklinghausen wartet eine beträchtliche Menschentraube und hinter der Auslage stehen Eva und Roman Kordan. Das tun sie hier am Reichowplatz schon seit 20 Jahren und das hat sich herumgesprochen. Sie verkaufen schlesische Wurstwaren und damit sind sie in der Region einzigartig. &bdquo;Etwa die Hälfte unserer Kundschaft kommt tatsächlich aus unserer oberschlesischen Heimat“, berichtet Roman während er ein kleines Papiersäckchen mit diversen Krakauer-Varianten füllt. Wir haben mal nachgezählt: 12 verschiedene Krakauersorten bieten die Kordans an. &bdquo;Unsere Sachen kommen kaum vom Großhändler, sondern direkt aus der Heimat. Zweimal die Woche kriegen wir ’ne Lieferung“. Jeder Handgriff sitzt bei den Kordans, das Zusammenspiel funktioniert blind und stumm, kein Wunder: die Beiden sind seit 34 Jahren verheiratet: &bdquo;Ich war bei unserer Trauung 18 Jahre jung“, rechnet Eva vor. Da scheinen sich die Richtigen gefunden zu haben. Ein älterer Herr auf einem Elektrorollstuhl ist an der Reihe. Er lässt sich gekochten Schinken, geräuchert mit Lorbeerblättern, einpacken. Auch er stammt aus dem heutigen Polen und erinnert sich: &bdquo;Als ich vor vielen Jahren das erste Mal hier war, hab’ ich nur probiert. Seitdem bin ich Stammkunde, denn es schmeckt wie zu Hause“. Das gilt wohl auch für den schlesischen Mohnstrietzel, der auf dem Tresen liegt. &bdquo;Süße Grüße aus der Heimat“, freut sich Eva Kordan. "Süße Grüße aus der Heimat" 800 Kilometer westlich von Schlesien liegt Theesen. Hier betreibt Jürgen Gößling eine kleine Farm mit Wachteln. 30 dieser kleinen Hühner nennt er sein Eigen. Ihre Eier verkauft er samstags auf dem Wochenmarkt in Schildesche (mittwochs und freitags ist er auf dem Siggi). &bdquo;Meine Wachteln kriegen ausnahmslos Bio-Futter“, sagt er, aber auf eine Bio-Zertifizierung verzichtet er aus Kostengründen: &bdquo;Ich setze auf das Vertrauen meiner Kunden“. Der 61-jährige, der sich selbst als &bdquo;rau, aber herzlich“ beschreibt, setzt bei seiner Ware auf Regionalität – und das saisonal. &bdquo;Ok, meine Zitronen sind eine Ausnahme. Aber im Winter wird es bei mir keine Tomaten geben. Und ich käme nie auf die Idee mir ’ne Avocado in die Auslagen zu legen“. Anmerkung: für einen Kilo Avocado werden 1.000 Liter Wasser benötigt. Äpfel gibt es im Stand von &bdquo;Jürgis Naturkost“ erst im Juni. Sie kommen vom Obst-Arboretum in Olderdissen, sein Rapsöl stammt von der Teutoburger Mühle in Ibbenbüren. Das mit dem &bdquo;regional“ und &bdquo;saisonal“ nehmen wir ihm ab – so schafft man Vertrauen (siehe oben). Bis vor zehn Jahren war Jürgen Gößling noch bei Teutonia Kinderwagen in Hiddenhausen beschäftigt. &bdquo;Ich hab’ den Absprung rechtzeitig geschafft“, zeigt er sich zufrieden mit seiner Lebensplanung, Teutonia produziert dort nicht mehr. &bdquo;Mein jetziger Beruf ist ’ne Herzensangelegenheit“. Auch das nehmen wir ihm ab. Aus seiner Farm am Telgenbrink kommen auch diverse Kräuter, die er verkauft: Liebstöckel, Estragon, Thymian, Kümmel, um nur einige zu nennen. Und auch sein Rucola stammt aus seinem eigenem Gemüsegarten. Er betont die Wichtigkeit, heimische Landwirtschaft zu unterstützen und handelt dementsprechend: &bdquo;Spargel, Paprika, Gurke, Erdbeere – alles kommt hier aus der Gegend. Obwohl ich’s mir einfacher machen könnte: im Großhandel wäre Paprika drei Euro billiger“. &bdquo;Ich hab’ den Absprung rechtzeitig geschafft“ Zum Nachtisch ’was Süßes aus &bdquo;Ela’s Gourmethütte“. Diese steht samstags auf dem Altstadtmarkt vor der Nicolaikirche an der Niedernstraße und freitags auf dem Siegfriedplatz. Inhaber Yalcin Pirhan nimmt es mit dem Heimatbegriff nicht ganz so genau. Der 39-jährige Türke bezieht seine Gourmet-Erzeugnisse überwiegend aus Italien, genauer aus Sizilien. &bdquo;La dolce vita“ also, das süße Leben findet sich in seiner Auslage: Cannoli beispielsweise bestehen aus 60 Prozent Mandeln, sind glutenfrei ohne Mehl zubereitet und sind den herzhaften Namensvettern Canneloni nur optisch ähnlich. In den Varianten Pistazie, gesalzenes Karamell, Zitrone, Ricotta-Haselnuss, Orange oder Tiramisu sind sie zu bekommen. Auch die &bdquo;Pasta di Mandorla“ sind gluten- und laktosefrei und eine Seltenheit in unseren Breiten. In der Geschmacksrichtung &bdquo;schwarze Vanille“ sehen die handgefertigten Knödelchen aus wie &bdquo;Grillkohle-Briketts, die noch ’ne halbe Stunde brauchen“ – schmecken aber besser! &bdquo;Ich bin zwar aus der Türkei“, sagt der junge Familienvater, &bdquo;aber Baklava gibt’s hier schon genug, deshalb hab’ ich mich auf diese süßen Sünden aus Palermo kapriziert“. Vor sieben Jahren hat sich der gelernte Industriemechaniker entschieden, auf eigenen Beinen zu stehen um nicht mehr als angestellter CNC- Programmierer sein Tagwerk zu verrichten: &bdquo;Die beste Entscheidung meines Lebens“, wie er sagt und schaut dabei ganz verliebt seine Tochter an: &bdquo;Darf ich vorstellen? Das ist Ela, die Namenspatin meines Geschäfts. Die Achtjährige schaut nicht minder verliebt zurück. Yalcin’s Leckereien findet man übrigens auch im Internet: https://elas-gourmethuette.de/.

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