Schluss nach 26 Jahren: Bielefelder Orthopäde stellt besondere Nachfolgerin vor

Bielefeld. Durch einen glücklichen Zufall habe er 1997 in die Orthopädiepraxis an der Hauptstraße einsteigen können, berichtet Mark Tenge. Ähnlich sei es jetzt bei seinem Ausstieg. Nachfolgerin Jadranka Simic (42) arbeitete im Klinikum Rosenhöhe, wo wiederum Tenges Tochter, angehende Anästhesistin, ein Praktikum absolvierte. Über sie, und parallel über Tenges Praxispartner Ralf Berg, sei der Kontakt entstanden. Denn sonst sei es auch für Fachärzte aktuell absolut nicht einfach, einen Nachfolger zu finden, so der 65-jährige Orthopäde und Chirurg. Trotz gestiegener Arbeitsbelastung sei er wirklich jeden Tag mit Freude in die Praxis gekommen, habe seinen Beruf immer als sehr erfüllend empfunden und stehe auch weiterhin bei Bedarf unterstützend zur Verfügung. Aber er hat auch noch etwas anders vor: "Ich mache eine sechsmonatige Ausbildung zum Notfall-Seelsorger über den Kirchenkreis", berichtet Tenge, der in Schloss Holte geboren wurde, in Sennestadt am Ehrenberg-Gymnasium Abitur gemacht und in Bochum, Berlin und Göttingen Medizin studiert hat. "Ich wollte gerne noch irgendetwas Sinnvolles machen", ergänzt der Vater von vier erwachsenen Kindern. Menschen in Ausnahmesituationen zu betreuen, kennt Tenge. Vor seiner Selbstständigkeit war er zehn Jahre lang als Notarzt mit dem Rettungshubschrauber Christoph 13 unterwegs. Daher wisse er, wie wichtig die Unterstützung, die er zukünftig ehrenamtlich übernimmt, da ist. Aber auch auf mehr Zeit mit seiner Frau Romy freut er sich, für die gemeinsamen Hobbys: Reisen, Fahrradfahren, Lesen und den Garten. Langweilig werde es ihm definitiv nicht. Schon als Jugendliche der Großmutter auf dem Lande Schmerzmittel gespritzt Jadranka Simic freut sich, offiziell ab 2. Mai - nach einer zweiwöchigen Einarbeitungszeit - in der vor einem Jahr frisch renovierten Gemeinschaftspraxis an der Hauptstraße 92 zusammen mit Kollegin Andrea Schröder und Ralf Berg seine Patienten zu betreuen. "Ich wollte schon als Kind unbedingt Ärztin werden", sagt die 42-Jährige. Als Jugendliche habe sie ihrer Großmutter auf dem Lande Schmerzmittel gespritzt. "Weil keiner da war, der das machen konnte", sagt sie. Das habe sie angespornt. Die ersten vier Lebensjahre verbrachte Simic mit ihren Eltern in Deutschland, wurde dann aber wieder in deren Heimatland Serbien zu den Großeltern geschickt. "Das wurde damals mit vielen Gastarbeiterkindern so gemacht, weil die Eltern sich hier erst etwas aufbauen wollten", erinnert sich die Fachärztin. 1993 kam sie als damals 13-Jährige zurück nach Bielefeld zu ihren Eltern. "Ich konnte nur ganz wenig Deutsch, kam aber zum Glück recht schnell rein." So schaffte sie es aufs Brackweder Gymnasium, und ins Medizinstudium. Parallel zog sie nicht nur als Alleinerziehende ihre Tochter, die im kommenden Jahr Abitur macht, groß. Sondern absolvierte auch noch im Krankenhaus Mara in Bethel eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und finanzierte sich so ihr Studium. Druck für Praxen extrem hoch, auch für die Fachangestellten Ihrer Tochter ein Vorbild zu sein, ihr ein gutes Leben ermöglichen zu können, habe sie zusätzlich motiviert, sagt Simic, die zusammen mit ihrem neuen Partner in Quelle wohnt. Ihrer einstigen Jugendliebe, verrät sie. Sie habe ihn durch Zufall, und im Endeffekt durch die Einschränkungen in der Coronazeit, wiedergetroffen. Praxis statt Klinik: Sie schätze es, selbstbestimmt arbeiten zu können. Patienten auch länger zu betreuen - und nicht nur das konkrete orthopädische Krankheitsbild zu betrachten. Das sagt auch Mark Tenge. Aber die Arbeitsbelastung sei schon enorm gestiegen, die Bedingungen schlechter geworden. Der Druck extrem hoch, auch für die Fachangestellten. "Weil die Menschen immer älter und kränker werden, wir einfach viel mehr behandeln müssen", ergänzt Tenge. "Vor zehn Jahren haben wir uns über jeden neuen Patienten gefreut, da haben sich die Bedingungen erschwert.“ Dass die Politik sie verbessert, sei dringend notwendig. Aber das Positive überwiege für ihn trotz alledem. Und er sei froh, mit Simic jemanden gefunden zu haben, der die Praxis in seinem Sinne weiterführt. Viele schöne Erinnerungen habe er an die 26 Jahre. "Als ich hier anfing, waren unsere Kinder noch klein, kamen später oft auf dem Weg von der Schule zwischendurch rein", berichtet Tenge. An viele dankbare, aber auch an den ein oder anderen speziellen Patienten erinnert er sich. "Als ich damals schnell losmusste, um bei der Geburt meiner jüngsten Tochter dabei zu sein, hatte einer so gar kein Verständnis und beharrte darauf, dass er doch schließlich einen Termin hatte", erinnert sich Tenge schmunzelnd.

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