Spektakulärer Abriss: Was passiert auf dem riesigen Gelände in Bielefeld?

Bielefeld. Das imposante ehemalige NW-Druckhaus an der Industriestraße wird nach über 60 Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Im Januar begann die Entkernung des verschachtelten Gebäudekomplexes, seit vier Wochen arbeiten sich die Abrissbagger durch die Mauern. Bis alles niedergerissen, die riesige Schuttmenge abtransportiert und das gesamte Gelände leer geräumt ist, werden noch Wochen ins Land gehen. Wer in diesen Tagen an der blauen Umzäunung entlang geht, der kann noch einen letzten Blick ins ehemals ummauerte Innere des Druckhauskomplexes erhaschen: in hohe Treppenhäuser, weitläufige Hallen, lange Flure und offene Büroräume - bis auch das von den mächtigen Abrissbaggern zum Einsturz gebracht wird. Deren immense Kraft ist besondern bei den alten Fundamenten, die unter den Rotationsmaschinen verbaut wurden, gefordert: Mit einer Art "Riesenmeißel", so Projektleiter Thorsten Schlüter, anstelle der Baggerschaufel pflügen sich die schweren Maschinen scheinbar mühelos auch durch den massiven Stahlbeton des fünf Meter dicken Bodens. Der Abriss markiert das Ende einer jahrzehntelangen Industriegeschichte. Vor mehr als 60 Jahren, Ende der 1950er Jahre entschließt sich die Verlagsspitze rund um Herausgeber Emil Groß und die damalige Presse-Druck GmbH zum Bau eines komplett neuen Druckhauses in der jungen Sennestadt, mitten im Industriegebiet am Rand der damaligen neuen Stadt vor den Toren Bielefelds. Presse-Druck erwirbt dafür ein 45.000 Quadratmeter großes Areal. Dort wird die Produktion von Drucksachen, Zeitschriften, Zeitungen, Büchern, Plakaten, Prospekten und Broschüren konzentriert. Druckhaus ist nach allen Seiten erweiterbar 1960 ist Richtfest, 1962 Einweihung von Haus und Technik, deren Mittelpunkt eine Rollenoffset-Rotation und eine kleine Hochdruck-Rotation sind. Schon der erste Bauabschnitt ist so angelegt, dass sich das Gebäude nach allen Seiten vergrößern lässt. 1969 bestellt das Nachfolgeunternehmen J. D. Küster Nachf. und Presse-Druck (k+p) eine moderne Hochdruckrotationsmaschine für drei Millionen Mark. Gleichzeitig beginnen die Planungen für die Erweiterung des Druckhauses. Das Gebäude bekommt einen Vorbau mit Platz für kleinere Druckererzeugnisse im Erdgeschoss, Büros im Obergeschoss, Kantine, Wasch- und Umkleideräume. Ein Papierlager wird neben der Rotationshalle errichtet. Unter der Druckmaschine wird ein Fundament mit 350 Kubikmetern Stahlbeton verbaut. Der damalige Innenminister Willy Weyer (FDP) startet 1970 die "Super-Rota" per Knopfdruck und mit ihr die Arbeit im damals größten Zeitungsdruckzentrum in OWL. Neue Halle mit massivem Fundament Anfang 1976 endet die Bleisatz-Ära bei k + p, ein eigens Redaktionssystem auf IBM-Basis, entwickelt von EDV-Fachleuten und ehemaligen Setzern ersetzt die Handarbeit. 1989 dann wird auf 6.000 Quadratmetern Fläche erneut eine Rotationshalle samt Packerei gebaut, für rund 70 Millionen D-Mark - davon 32 Millionen allein für dei Offset-Maschine. Auch die bekommt wieder ein massives Fundament. Es ist fünf Meter dick und ruht auf Schwingungsdämpfern. Der Sockel lässt sich hydraulisch bewegen, so dass die Rota millimetergenau ausgerichtet werden kann. Ab Ende 2001 vereinfacht eine "Computer-to-plate"-Anlage die Zeitungsproduktion erneut: Die gespeicherten Seiten werden per Infrarotlaser direkt auf lichtempfindliche Platten übertragen. 2021 kommt der nächste - und letzte - Einschnitt in der Druckhausgeschichte. Die NW-Gruppe reagiert auf die veränderten Nutzungsgewohnheiten in der Medienwelt, auf den sich abzeichnenden Trend hin zu Digitalprodukten. Das Druckhaus wird geschlossen und dann samt Grundstück an die Indigo Invest Holding GmbH & Co verkauft, die zur Goldbeck-Unternehmensgruppe gehört. Gedruckt wird nun in Osnabrück und Rodenberg. Pläne für Museumsdepot aufgegeben In Sennestadt soll das Gelände derweil bis Mitte Juni frei von Bebauung und Schutt sein. Aus den anfänglich ins Auge gefassten Museumsdepot-Plänen wurde nichts, "wir haben nicht zusammengepasst", so das Unternehmen. Was nun auf dem Gelände passieren soll, sei noch nicht entschieden.

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