Bielefelder „Problemviertel“ schreibt Erfolgsgeschichten - dank dieser vier Frauen

Bielefeld. Drogen, Prostitution, Spritzen, die herumliegen: Das Ostmanntrumviertel hat in Bielefeld nicht den besten Ruf. Dabei schreibt das Viertel seit Jahren eine Erfolgsstory – die von Melek Yapar, Aras Surchi, Nadia Ar-shad und Jennifer Kubatzki. Für die vier Frauen und Freundinnen ist das &bdquo;Problemviertel“ ihr Zuhause. Mit Energie und Engagement machen sie sich seit fast zehn Jahren für die ganze Nachbarschaft stark und als &bdquo;Stadtteilmütter“ vor, wie Integration in Bielefeld gelingen kann. Das Ehrenamt hat ihre Leben umgekrempelt. Seit 2014 arbeiten die vier &bdquo;Stadtmütter“ zusammen im gleichnamigen Projekt der städtischen Quartiersarbeit. Ihre Aufgabe: Mit offenen Armen auf die Menschen verschiedenster Kulturen zugehen, die zwischen Herforder und August-Bebel-Straße rund um den Ostmannturm wohnen, um so bessere Zugänge zu Hilfsangeboten zu schaffen. Als &bdquo;Stadtteilmütter“ mit ausländischen Wurzeln und eigenen Integrationserfahrungen sind Ansprechpartnerinnen auf Augenhöhe, gerade für die Frauen in den Familien. &bdquo;Ich gebe die Hilfe, die ich damals selbst gebraucht hätte“, sagt Aras Surchi (42). Als sie 1999 aus dem Irak nach Deutschland kommt, spricht Surchi kein deutsch und hat Schwierigkeiten in der neuen Heimat Bielefeld Fuß zu fassen. &bdquo;Ich habe sehr jung geheiratet, hatte keine Ausbildung.“ Surchi hat damals zudem ein schwer krankes Kind, die Verständigung mit Ämtern und Ärzten lässt sie verzweifeln. &bdquo;Ich habe mich völlig hilflos gefühlt. Es gab keine Dolmetscher. Deutsch habe ich beim Fernsehgucken mit meinen Kindern gelernt.“ Die Lebenswege der Bielefelder Stadtteilmütter nehmen durch ihr Ehrenamt eine drastische Wendung Als die Mutter 2014 angesprochen wird, ob sie &bdquo;Stadtteilmutter“ werden möchte, traut sie sich das zunächst nicht zu. Neun Jahren später ist Surchi unter dem Dach des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nicht nur zur Integrationshelferin für zahlreiche kurdisch- und arabischsprachige Familien geworden. Sie hat zugleich ihr Deutsch verbessert, sich fortgebildet, für die Frauenberatung gearbeitet und inzwischen beim DRK einen festen Job gefunden als Sozialbetreuerin in der Flüchtlingsunterkunft am Rütli. Auch für ihre drei Kolleginnen, alle zu Beginn des Projekts erwerbslos, bringt das Ehrenamt beruflich und persönlich den Durchbruch. &bdquo;An uns sehen die Frauen und Familien im Viertel, was möglich ist, Schritt für Schritt“, sagt Kubatzki. So hat Yapar, gebürtig aus der Türkei und Mutter von drei Kindern, gerade ihre erste Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen abgeschlossen und koordiniert ein DRK-Projekt. Nadia Arshad (37) aus Pakistan, deren Psychologie-Bachelor nicht anerkannt wurde, arbeitet bei einem Sicherheitsdienst und ist Sozialbetreuerin für Geflüchtete. Jennifer Kubatzki (40) mit englisch-portugiesischen Wurzeln ist Projektleiterin der &bdquo;Stadtteilmütter“ im Ostmannsturmviertel und in Sennestadt und stellvertretende Leitung in einer Flüchtlingsunterkunft. Ihrem Ehrenamt sind alle treu geblieben. Die Stadtteilmütter sind zum Kitt geworden, der das &bdquo;Problemviertel“ am Ostmannturm zusammenhält Im Ostmannturmviertel kennt die vier Frauen jeder. Ein roter Schal ist das Erkennungszeichen der &bdquo;Stadtteilmütter“. Sie überwinden Sprachbarrieren und begleiten bei Arztterminen und Behördengängen, erledigen Telefonate, füllen Formulare aus, erklären, dolmetschen oder hören einfach zu. &bdquo;Wir haben inzwischen ein Team aus zwölf Frauen mit zwölf verschiedenen Muttersprachen, in denen wir beraten“, erzählt Kubatzki. Immer donnerstags gibt es offene Sprechstunden. Selbst &bdquo;biodeutsche“ Viertelbewohner holen sich hier inzwischen Rat, bitten um Hilfe bei Anträgen. &bdquo;Mit der Bürokratie kennen wir uns oft besser aus als die Leute in Sozial- oder Jugendamt selbst“, sagt Yapar. Zusätzlich zur Begleitung und Beratung von um die 60 Familien pro Jahr organisieren die Frauen regelmäßige Aktionen im Viertel, Spaziertreffs und Elterncafés. Die &bdquo;Stadtteilmütter“ sind zum Kitt geworden, der das &bdquo;Problemviertel“ am Ostmannturm zusammenhält – und es nach außen öffnet. &bdquo;Die Leute in den Ämtern, bei Organisationen, bei der Stadt und die Politik kommen inzwischen auf uns zu. An uns kommt keiner mehr vorbei“, meint Kubatzki lachend. Der Umfang der Aufgaben sei jedoch so gewachsen, dass &bdquo;Stadtteilmutter“ eigentlich ein Beruf geworden sei, sind sich die Frauen einig. Yapar: “Wir schließen riesige Lücken im System. Das sollte besser gefördert und bezahlt werden.“ Pro Stunde gibt es 7,50 Euro Aufwandsentschädigung. &bdquo;Für das Geld macht das keine von uns, das ist eine Herzensangelegenheit.“ Durch die Arbeit habe sie viel Selbstbewusstsein gewonnen, sagt Nadia Arshad. &bdquo;Ich bin so dankbar. Ich werde immer Stadtteilmutter sein.“

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