Für die Gerechtigkeit: Jetzt in Bielefeld bewerben als Laienrichter

Bielefeld. Sie entscheiden über Schuld und Unschuld, Bewährung oder Inhaftierung - und das oft ohne juristische Vorkenntnisse. Schöffinnen und Schöffen sind ehrenamtliche Richter und sitzen am Gericht gleichberechtigt neben Berufsrichtern. Gemeinsam mit ihnen fällen sie Urteile "im Namen des Volkes". Wilfried Schacker aus Dornberg ist mittlerweile 30 Jahre als Jugendschöffe in Bielefeld aktiv. Jugendschöffen werden speziell bei Gerichtsprozessen eingesetzt, bei denen Jugendliche und junge Heranwachsende unter 21 Jahren auf der Anklagebank sitzen. Sie brauchen erzieherische Vorerfahrungen mit Heranwachsenden, um ihr Ehrenamt ausüben zu dürfen. Die hat Wilfried Schacker. Er war 36 Jahre Englischlehrer an der Marienschule der Ursulinen in Schildesche, mittlerweile ist er pensioniert. Seit 1989 war Schacker sowohl am Amts- als auch am Landgericht als Jugendschöffe tätig. Im Schnitt hat er an acht bis zehn Sitzungstagen pro Jahr teilgenommen, wie er sagt. Seine Motivation, sich ehrenamtlich als Jugendschöffe zu engagieren, liegt darin, jungen Menschen zu helfen. "Ich finde es sehr wichtig, dass man versucht, die Ränder der Gesellschaft aufzufangen. Als Jugendschöffe kann man jungen Menschen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, dabei helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen", erklärt der 68-Jährige. Rund 580 Bewerbungen bisher Aktuell laufen bundesweit die Bewerbungsverfahren für die kommende Schöffen-Amtszeit von 2024 bis 2028. In Bielefeld sammelt die Stadt die Bewerbungen für Amts- und Landgericht. Auf der Vorschlagsliste muss immer die doppelte Anzahl der später tatsächlich benötigten Schöffen stehen. In Bielefeld müssen demnach 554 Personen auf der Vorschlagsliste der Schöffen und 190 Personen auf der Vorschlagsliste der Jugendschöffen stehen. Laut einer Sprecherin der Stadt sind bisher etwa 580 Bewerbungen für das Schöffenamt eingegangen. Für die Listen fehlen zum aktuellen Zeitpunkt also insgesamt mehr als 160 Bewerbungen. Sollten sich zu wenige Kandidaten um das Amt bewerben, kann die Vorschlagsliste mit zufällig aus dem Melderegister ausgewählten Bürgern aufgefüllt werden, die den Vorgaben entsprechen. Zu den Vorgaben gehört, dass das Schöffenamt nur von Deutschen ausgeübt werden kann, die zum Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagslisten in Bielefeld wohnen. Bewerber sollten außerdem über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, den Anforderungen eines Gerichtsverfahrens körperlich gewachsen sein und zu Beginn der Amtsperiode, am 1. Januar 2024, mindestens 25 und noch keine 70 Jahre alt sein. Juristische Vorkenntnisse sind keine Voraussetzung. Wichtiger sei die "außergerichtliche Perspektive aus der Mitte der Bevölkerung, die die Schöffen mitbringen", sagt Anke Weilert vom Amtsgericht Bielefeld. "Diese Fälle gehen an die Seele" Am Amtsgericht sowie in der kleinen Strafkammer des Landgerichts sitzen zwei Schöffen neben einem Berufsrichter. In der großen Strafkammer am Landgericht sind ebenfalls zwei Schöffen und zwei oder drei Berufsrichter vertreten. Vor Gericht dürfen Schöffen Zeugen, Angeklagte und Sachverständige befragen. Zudem muss ihnen Akteneinsicht gewährt werden. "Jedes Urteil wird mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder des Gerichts gefällt. Gegen die Stimmen beider Schöffen kann somit kein Angeklagter verurteilt werden", erklärt Guiskard Eisenberg vom Landgericht Bielefeld. Obgleich Wilfried Schacker ein großer Verfechter des Schöffenamtes ist, hat er während seiner Zeit als Schöffe auch Dinge erlebt, die ihn sehr geprägt haben. Das seien insbesondere Prozesse gewesen, in denen es um Kindesmissbrauch ging. "Diese Fälle gehen wirklich an die Seele", sagt er. Ein Verfahren sei ihm so nahe gegangen, dass er sich im Nachhinein professionelle Hilfe gesucht habe, um darüber zu reden. Ebenfalls hart für ihn waren jene Prozesse, in denen es um Tötungsdelikte ging. Dreimal habe er in seinen 30 Jahren als Schöffe mit solchen Fällen zu tun gehabt. "Auf der anderen Seite gibt es aber auch die vergleichsweise leichteren Fälle, wie Schwarzfahren oder kleinere Drogendelikte", erklärt er. Er persönlich empfiehlt das Schöffenamt jedem weiter: "Ich finde, das ist ein ausgesprochen sinnvolles und spannendes Ehrenamt. Hier gibt die Justiz der Bevölkerung die Möglichkeit, mitzureden. Man kann damit wirklich etwas bewirken". Er betont allerdings, dass man für das Schöffenamt bestimmte Charaktereigenschaften mitbringen sollte. So seien Einfühlungsvermögen, eine gute Menschenkenntnis und Selbstbewusstsein für die Ausübung des Amtes wichtig. Sitzungen können langwierig sein Ebenfalls, so der langjährige Schöffe, sollten sich Bewerber darüber im Klaren sein, dass manche Sitzungen langwierig sein können. "Ich bin aktuell Teil eines Verfahrens, das im April 2021 begonnen hat und bis Januar 2024 terminiert ist. Das sind 106 Verhandlungstage", berichtet Schacker. Derart langwierige Verfahren seien aber die Ausnahme, sagt er. Bis zum 24. April können sich Interessierte noch schriftlich bei der Stadt bewerben. Alle Informationen zur Bewerbung gibt es auf der Webseite der Stadt unter www.bielefeld.de/schoeffenwahl.

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