Schadenersatz nach Fehlurteil: Bielefelder Vater wird Tochter noch im Gerichtssaal weggenommen

Bielefeld. Für Niki Abbe waren es schlimme 18 Monate. Das Jugendamt hatte dem Nigerianer und seiner damaligen Freundin die gemeinsame Tochter weggenommen. Dabei bestand damals für die kleine Pamela keine Gefährdung. Das gaben vor dem Familiengericht im März 2018 auch alle Beteiligten zu. Trotzdem wurde die eineinhalbjährige Tochter nach dem Urteil des Amtsgerichts dem Vater noch im Gerichtssaal weggenommen. Pamela lebte 18 Monate lang in einer Pflegefamilie. Zu Unrecht, wie das Oberlandesgericht Hamm im Mai 2019 entschied. Die Inobhutnahme damals sei rechtswidrig gewesen, hieß es im Urteil. Daraufhin hat Niki Abbe nun vor dem Landgericht Bielefeld einen Schadenersatz zugesprochen bekommen. Er hatte das Jugendamt der Stadt und den involvierten Verfahrenspfleger wegen der &bdquo;rechtswidrigen Zwangsvollstreckung“ verklagt. Allein die Art und Weise verstieß gegen alle Regeln einer Inobhutnahme, betonte sein Rechtsanwalt Bernd Wegener. Aber auch das Familiengerichtsverfahren sei durch eine &bdquo;merkwürdige Häufung gröbster Fehler“ aufgefallen. Gericht verurteilt Bielefelder Jugendamt auf vierstellige Summe Die nun im Urteil festgelegte vierstellige Schadenersatzsumme ist aber laut Wegener zu gering. Abbe und sein Anwalt hatten aufgrund von zwei bereits vorliegenden Urteilen aus der Vergangenheit mindestens 50.000 Euro als Wiedergutmachung gefordert. Das Landgericht hatte den Beklagten zugestanden, in guter Absicht gehandelt zu haben. Außerdem sei es dem Kind ja gut gegangen. Doch beides sei auch in den anderen Urteilen nicht angezweifelt worden. Deshalb legten sie gegen das Urteil Berufung ein. Wegener hatte den &bdquo;Fall Pamela Abbe“ nach dem Inobhutnahme-Urteil des Familiengerichts übernommen: &bdquo;Ich war damals fassungslos, als ich das Urteil und das dazugehörige Gutachten las.“ Denn das Gutachten kam trotz der Einschätzung, dass es dem Mädchen bei seinen Eltern gut gehe, zu dem Ergebnis, dass die Erziehungsberechtigten nicht in der Lage seien, auch die weitere Entwicklung des Kindes zu fördern und zu begleiten. Diese Einschätzung reichte dem Richter, um den größtmöglichen Eingriff in eine Familie abzusegnen. Weniger tief greifende Maßnahmen der Jugendhilfe seien nicht erwägt worden, so Wegener. Und so wuchs Pamela im Alter von 1,5 bis 3 Jahren bei einer Pflegefamilie auf. Massive Drohungen gegen Jugendamtsmitarbeiterinnen Der Anwalt betont: &bdquo;Das war ein Urteil für eine Tat, die nicht begangen wurde.“ Dazu muss man wissen, dass das Kindeswohl auch dann gefährdet sein kann, wenn eine bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes vorliege. Die Gutachterin habe Mutter und Vater die kognitiven Fähigkeiten abgesprochen, künftig für Pamela sorgen zu können. Sicherlich spielte in dem Verfahren eine große Rolle, dass es bereits eine Vorgeschichte zur Mutter gegeben hatte: Ihr erstes Kind wurde bereits in der Vergangenheit in Obhut genommen. Und auch der Vater hatte sich dem Jugendamt gegenüber alles andere als kooperativ gezeigt. Er hatte die Mitarbeiterinnen zunächst ignoriert, später sogar massiv bedroht, wie es Jugendamtsdezernent Ingo Nürnberger berichtet hatte. Niki Abbe hatte den Eingriff der Behörden, insbesondere von Frauen der Behörde, als respektlos empfunden. Experte soll Gutachten als "grob mangelhaft" bezeichnet haben In einem neuen Gutachten seien beim Vater zwar Defizite in Sachen Selbstkontrolle und Stressbewältigung identifiziert worden, diese Aggressionen seien jedoch nie gegen die Tochter gerichtet gewesen. &bdquo;Für eine sofortige Inobhutnahme, was im Gutachten empfohlen wurde, gab es also keinerlei Grundlage“, wettert Wegener. Das Oberlandesgericht betonte später, dass nicht jedes Versagen von Eltern den Staat berechtige, ihnen die Kinder wegzunehmen. Eine Kindeswohlgefährdung sei nicht feststellbar gewesen, hieß es vom OLG. Nachdem Pamela wieder zu ihrem Vater und seiner neuen Partnerin zurückkehren konnte, fordert der 36-Jährige nun auch Schadenersatz von Gutachterin, die vom Familiengericht bestellt worden war. In diesem zweiten Verfahren vor dem Landgericht Detmold habe ein Experte das Gutachten der Psychologin und Systemischen Familientherapeutin inzwischen als &bdquo;grob mangelhaft“ bezeichnet, so Wegener. Die Erläuterungen und Rückschlüsse genügten demnach nicht den Mindestanforderungen an ein Gutachten. Gutachterin lehnt 20.000-Euro-Zahlung an den Vater ab Das Landgericht Detmold soll im Gütetermin die Zahlung von 20.000 Euro vorgeschlagen haben, was die Gutachterin aus Lippe abgelehnt habe. Das Gericht hatte den Streitwert auf 50.000 Euro festgelegt. Ein Urteil in diesem Verfahren steht noch aus. Die Haftung für gerichtlich bestellte Gutachter ist in Paragraf 839a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt: &bdquo;Erstattet ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.“ Sollte das Landgericht Detmold in diesem Fall mindestens eine grobe Fahrlässigkeit erkennen, könnte der &bdquo;Fall Abbe“ einer von wenigen in Deutschland sein, in dem ein Sachverständiger für sein Gutachten haftet und zu Schadenersatz verpflichtet wird.

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