Gift bis in Teutoburger Wald getragen: Warn-Apps blieben bei Großbrand nahe Bielefeld stumm

Bielefeld. Das Feuer war immens. Meterhoch schlugen die Flammen aus den Wänden und dem Dach einer Lagerhalle im unmittelbar an Bielefeld angrenzenden Steinhagener Ortsteil Amshausen, die Feuerwehr kämpfte bis in die Nacht hinein mit dem Feuer. Doch während der Großbrand praktisch ganz Steinhagen in Atem hielt und die Bürger im Kreis Gütersloh aufgefordert wurden, Türen und Fenster geschlossen zu halten, bekamen die ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Feuers lebenden Bielefelder nur wenig von der Großschadenslage mit: Die Sirenen der auch aus Bielefeld zum Ort des Geschehens eilenden Rettungskräfte waren zu hören und die über dem Brandherd aufsteigende Rauchsäule war bis in die Abendstunden hinein von weitem noch sichtbar. Ansonsten aber gab es weder Alarm noch Hinweise – was beim genauen Hinschauen durchaus zu Irritationen führen konnte. So führte der Großalarm unter anderem auf der Warn-App &bdquo;NINA“ zu einer merkwürdigen Anzeige. Die &bdquo;Notfall-Informations und Nachrichten-App“ des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnte die Smartphone Nutzer im Kreis Gütersloh in einem Radius von 5 Kilometern um Steinhagen vor gefährlichen Rauchgasen – die sich scheinbar an der Stadtgrenze zu Bielefeld in Luft auflösten. Denn während der von der Rauchentwicklung betroffene Bereich Richtung Halle, Werther und Gütersloh wie von einem Zirkel gezogen wirkte, endete die Gefahr Richtung Ummeln, Brackwede und Quelle praktisch an den Ortseingangsschildern. Mehr noch: Die Polizei des Kreises Gütersloh warnte später am Abend via Twitter sogar für einen Umkreis von 20 Kilometern vor einem &bdquo;möglichen Rauchniederschlag giftiger Stoffe“ und riet dringend dazu, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Der Radius würde hier 10 Kilometer betragen – was per Luftlinie von Amshausen aus bis weit in den Bielefelder Osten hinein reichen würde. Trotzdem gab es keine Warnungen für die Stadt. Ein Versäumnis? Bielefelder ABC-Erkunder halten direkten Draht zur Leitstelle Mitnichten, wie die Bielefelder Feuerwehr erläutert. Denn obwohl das Feuer an der Liebigstraße nur knapp einen Kilometer Luftlinie von der Stadtgrenze entfernt loderte, bestand für die Bielefelder Bevölkerung keine unmittelbare Gefahr. &bdquo;Es hat während des Großbrandes eine enge Abstimmung zwischen der Leitstelle der Stadt Bielefeld mit der Leitstelle des Kreises Gütersloh stattgefunden“, heißt es auf NW-Anfrage aus dem Feuerwehramt. Dies sei sogar gesetzlich vorgeschrieben, sobald im Falle eines Brandes oder einer anderen Großschadenslage eine &bdquo;Gefährdung benachbarter Gebietskörperschaften nicht sicher auszuschließen“ sei. Hinzu kam, dass neben Beamten der Bielefelder Polizei auch Einsatzkräfte der Bielefelder ABC-Erkunder und ein Führungsdienst bei den Löscharbeiten vor Ort waren, die ebenfalls einen kurzen Draht zur Leitstelle hielten. Die wohl entscheidende Information dafür, wer nun via App, Cell Broadcasting oder Social Media vor etwaigen Gefahren gewarnt wird, erhielten die Rettungskräfte allerdings von anderer Stelle: Vom Deutschen Wetterdienst. Mit Hilfe der vom DWD ermittelten Daten berechneten die Einsatzkräfte des Kreises Gütersloh eine sogenannte &bdquo;Ausbreitungskeule“. &bdquo;Diese beschreibt die Ausbreitungsform und Richtung der Schadstoffe auf einer Karte“, erläutert das Feuerwehramt. &bdquo;Und die zeigte am vergangenen Dienstag eindeutig nicht auf das Bielefelder Stadtgebiet.“ Der in nordwestliche Richtung wehende Wind drückte die Rauchsäule eher in Richtung Borgholzhausen, weshalb auch vornehmlich die in dieser Richtung wohnende Bevölkerung gewarnt wurde. Aus technischen Gründen wird hier allerdings nicht die &bdquo;Keule“ als Grundlage genommen, sondern ein Radius oder ein Stadtgebiet. &bdquo;Es werden somit auch Einwohner gewarnt, die nach der Modellberechnung gar nicht betroffen sind“, lautet die Erklärung der Feuerwehr. Auf eine Mitteilung auf Bielefelder Smartphones konnte somit getrost verzichtet werden – was unter anderem den merkwürdigen Effekt auf der Karte der NINA-App erklärt. Suche nach verlässlichen Informationen Auch die Polizei richtet sich bei den Mitteilungen auf ihren Kanälen nach den Hinweisen der Feuerwehr, die originär für den Brand- und Katastrophenschutz zuständig ist. Die Nachrichten der Gütersloher Polizei via Twitter seien daher eher &bdquo;unterstützende Maßnahmen“ durch eine &bdquo;begleitende Kommunikation“, wie Stefan Bökenkamp von der Bielefelder Polizei erläutert. Denn wenn es im wahrsten Sinne des Wortes mal irgendwo brennt, suche die Bevölkerung nach vertrauten und verlässlichen Informationsquellen. &bdquo;In solchen Einsatzsituationen genießt die Informationsqualität der Polizei erfahrungsgemäß ein großes Vertrauen“, sagt Bökenkamp. Damit gehe allerdings auch eine hohe Verantwortung einher. Entsprechend wurde die Warnung vor giftigem Rauchniederschlag der Kollegen aus Gütersloh nicht einfach via Twitter weitergeleitet, sondern ganz im Sinne der ABC-Experten und der Expertise des DWD für Bielefeld zurückgehalten. Verschwiegen wurde der Großbrand allerdings nicht: In einem Tweet am späteren Abend berichtete die Bielefelder Polizei von ihrem noch laufenden Einsatz.

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