Dreifache Mutter startet mit ambulantem Pflegedienst in Bielefeld durch

Bielefeld. Schnell noch einen Schluck Kaffee, ein paar Pakete Einmalhandschuhe und die Wohnungsschlüssel für die Tour, und einen Klick auf die Pflegedienst-App auf dem Handy, dann kann's losgehen. Sie sei schon seit 4.30 Uhr wach, berichtet Jennifer Griemsmann, als wir um 7.30 Uhr vom Büro ihres frisch gegründeten ambulanten Dienstes an der Gütersloher Straße 326 in Ummeln zur morgendlichen Tour starten. Acht Kunden warten innerhalb der nächsten zwei Stunden auf ihren Besuch. Vieles ginge einfach besser. &bdquo;Die Menschlichkeit darf bei allem Zeit- und Kostendruck nicht auf der Strecke bleiben“, sagt sie auf der Fahrt zur ersten Station. Das sei der Grund, warum sie sich jetzt selbstständig gemacht hat. Mit guter Organisation und gutem Betriebsklima sei das möglich, davon ist sie fest überzeugt. Bevor sie ihre Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen hat und dann als Angestellte im ambulanten Dienst und sechs Jahr lang als Teamleiterin in einer Wohngruppe für Demenzkranke gearbeitet hat, sei sie schon einmal selbstständig gewesen. Allerdings in einer ganz anderen Branche. &bdquo;Ich hatte eine Pizzeria“, berichtet Griemsmann, die in Ummeln aufgewachsen ist und drei Kinder (10, 13 und 15) hat. Und schon sind wir beim ersten Kunden angekommen. Maske auf, Hände desinfizieren und einmal klingeln, damit die 86-jährige Dame Bescheid weiß, dass wir da sind. Ihre Kinder würden sie sonst nicht mehr alleine wohnen lassen &bdquo;Guten Morgen“, ruft Griemsmann, als sie die Wohnungstür aufschließt. Die rüstige Rentnerin, die noch allein in ihrem großen Haus in Ummeln lebt, steht schon im Flur, bittet ins Wohnzimmer und nimmt auf dem Sessel Platz, damit Griemsmann ihr die Kompressionsstrümpfe anziehen kann. Das sehe so einfach aus, sei es aber nicht, sagt sie. Das schaffe sie nicht mehr allein. Sie sei froh und dankbar, nach einem längeren Krankenhausaufenthalt wieder zu Hause sein zu können. Aber vieles sei einfach sehr anstrengend, und ihr werde öfter schwindelig. Auch zum Duschen kommt dreimal pro Woche jemand vom &bdquo;Team Jennifer“, so hat Griemsmann ihren Dienst genannt, vorbei. &bdquo;Wir brauchen Pflegekräfte, sonst wären wir ganz übel dran“, sagt die 86-Jährige. Ihre Kinder würden sie sonst nicht mehr alleine wohnen lassen. &bdquo;Aber auch für mich ist es ein Stück Sicherheit, wenn ich weiß, dass immer morgens jemand kommt.“ Zwar habe sie auch einen Hausnotruf, ergänzt sie und zeigt den entsprechenden Drücker, den sie an einem Band um den Hals wie eine Kette trägt. Aber der persönliche Kontakt sei nochmal etwas anderes. Lasst mir meine Selbstständigkeit, habe sie ihre Kinder gebeten. Die sei ihr ganz wichtig, schließlich habe sie 40 Jahre lang ein Geschäft geleitet. Da sei sie sehr froh, dass Griemsmann sie da so unterstütze. &bdquo;So, jetzt müssen sie aber weiter“, sagt sie dann – und begleitet uns zur Tür. &bdquo;Den meisten ist bewusst, dass wir immer nur eine begrenzte Zeit für sie haben“, sagt Griemsmann. Fünf Minuten, so Vorgabe der Pflegeversicherung für das Anziehen der Kompressionsstrümpfe. Die aber eben so gut wie möglich zu nutzen, darauf käme es an. Nicht immer liefe zeitlich alles genau nach Plan, den alle aus dem Team über die mit Griemsmanns zentralem Rechner im Büro verbundenen App einsehen können. &bdquo;Hier stehen alle wichtigen Daten zu den Patienten drin, und wir können die Leistungen dann immer direkt eintragen“, berichtet sie. Das sei schon sehr komfortabel, dank der Digitalisierung könne da viel Zeit gespart werden. Am Monatsende würden so die Daten an einen Dienstleister übermittelt, der sich dann um die Abrechnung mit der Krankenkasse oder Pflegeversicherung kümmere. Schon sind wir bei der nächsten Station angekommen. Viele Ablehnungen bei Einstufung in einen höheren Pflegegrad Wieder ein Einfamilienhaus in Ummeln, der Ehemann der Kunden öffnet die Tür. Seine Frau sei noch oben. Am Treppenlift vorbei geht's zu ihr ins Schlafzimmer. So eine liebevolle Pflege sei wirklich ein Geschenk, sagt die 71-Jährige zur Begrüßung und hat Tränen in den Augen. Griemsmann nimmt sie kurz in den Arm, bevor sie auch ihr die Kompressionsstrümpfe anzieht. Sie habe einiges mitmachen müssen und nicht immer gute Erfahrungen gemacht mit Pflegediensten, sagt die Kundin, die aufgrund von Kinderlähmung Hilfe benötigt. Auch im Haushalt unterstützt Team Jennifer das Ehepaar, allerdings nur wenige Stunden im Monat. Es sei nicht viel, was die meisten von der Pflegekasse bekämen, berichtet Griemsmann auf dem Weg zum nächsten Kunden. &bdquo;Viele bräuchten wirklich mehr, entweder müssen sie das dann selbst bezahlen oder die Angehörigen übernehmen das.“ Bei vielen sei eine Einstufung in einen höheren Pflegegrad in der vergangenen Zeit abgelehnt, sagt sie. Warum, sei absolut nicht verständlich. Im nächsten Haus steht im Flur ein Teller mit Süßigkeiten bereit. &bdquo;Der ist für uns“, sagt Griemsmann. Viele seien sehr aufmerksam und schätzten die Hilfe sehr. Auch Ilse Wiggers hilft sie in die Kompressionsstrümpfe, die die 63-Jährige gegen Wassereinlagerungen und zum Schutz vor Thrombosen seit einem Herzinfarkt vor einigen Jahren trägt. Ihren Lebensgefährten unterstützt &bdquo;Team Jennifer“ beim Besorgen und Packen der Medikamente. Ummeln, Brackwede, Senne: Um effizient zu arbeiten, halte sie den Radius bewusst möglichst klein, berichtet Griemsmann auf dem Weg zum nächsten Einsatz. 25 Minuten Zeit hat sie dort für Rentner Werner Wörmann, dem sie beim morgendlichen Waschen, Rasieren und Anziehen hilft. Er sei ja ganz besonders begeistert von einem beiden Männer aus Griemsmanns Team, sagt der 86-Jährige. Aber mit ihr sei er auch einverstanden, ergänzt er lächelnd. In der Küche des großen Hauses, in dem er schon 43 Jahre wohnt, wartet schon seine Frau mit dem Frühstück. Griemsmann richtet auf dem Weg zur Haustür schnell noch sein Bett, weiter geht's in die Senne. Dort warten weitere Kunden: Wundversorgung und auch die Überprüfung einer frisch verlegten Magensonde stehen an. Der Tag vergehe auf jeden Fall schnell, sagt Jennifer Griemsmann. Klar, es sei schon auch anstrengend, aber auch sehr erfüllend. Die Kunden seien wirklich alle sehr dankbar – und die Nachfrage sei definitiv groß. Sie will ihr aktuell sechsköpfiges Team schon noch etwas ausbauen, aber auch nicht zu groß werden, es solle persönlich bleiben. Mit guter Organisation für mehr Menschlichkeit, das sei ihr Motto – und ihre Berufung.

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