Kommentar Flüchtlinge im Bielefelder Musikerviertel? Natürlich!

Die Bilder von Flüchtlingen, die sich in ihrer Verzweiflung elf Tage in überfüllte Schlauchboote quetschen, um ihrem Heimatland zu entfliehen, sorgen für Betroffenheit. Dazu kommt eine ganz andere Betroffenheit, wenn man erfährt, dass genau solche Menschen und Hunderte weitere demnächst die eigenen Nachbarn werden. Dieses Phänomen ist wohl tief menschlich. Insofern ging es auch den Menschen aus dem Musikerviertel nicht anders. Letztlich begründet sich diese Haltung aus der Angst vor dem Fremden. Und der Sorge davor, wie sich das eigene Umfeld und Leben in unmittelbarer Nähe zu einer Flüchtlingsunterkunft verändern könnte. So ist es nicht verwunderlich, dass annähernd 300 Anwohner des Musikerviertels zur Bürgerversammlung am 24. Januar ins Kultur- und Kommunikationszentrum gekommen sind. Sie hatten viele Fragen und hofften auf Antworten. Einigen war der Unmut über die lange Ungewissheit deutlich anzumerken. Immerhin hatte sich die Bezirksregierung über Wochen in Schweigen gehüllt. Unklar war, wann und wie viele Flüchtlinge kommen. Woher sie stammen und wie lange sie bleiben werden. Über Sicherheitskonzept aufgeklärt Nun hatten Rüdiger Most, zuständiger Abteilungsleiter bei der Bezirksregierung, Ingo Nürnberger, der für Flüchtlinge zuständige Dezernent der Stadt, und Jörg List, Leiter des Flüchtlingsdezernates, ihre Sache vor Ort sehr gut gemacht. Sie klärten auf über das Sicherheitskonzept, über die Abläufe und Perspektiven. Es gelang ihnen, die zwischenzeitlich irritierten Gemüter der Anwohner zu beruhigen. Nichtsdestoweniger bleiben die Herausforderungen bestehen. Für die Stadt, aber auch für ihre Bewohner. Denn nachdem die Abschottung der Pandemiejahre zum Prinzip erkoren wurde, steigen die Flüchtlingszahlen jetzt wieder an. Insgesamt 1,2 Millionen Menschen kamen 2022 nach Deutschland. Auch in Bielefeld sind die Unterkünfte so voll wie lange nicht. Der Zuwachs ist nicht auf die Flüchtlinge aus der Ukraine zurückzuführen, sondern auf Asylbewerber aus anderen Teilen der Welt, die vor Terror, Gewalt und Krieg flüchten. Für sie müssen Lösungen gefunden werden. Wir können Deutschland ja nicht zusperren, sondern müssen und wollen im Rahmen des Europäischen Asylrechts zu unserer Verantwortung gegenüber verfolgten Menschen stehen. Oberbürgermeister schreitet selbstbewusst voran Motiviert wird diese Haltung in Bielefeld unter anderem vom gesellschaftlich breit aufgestellten Bündnis &bdquo;Geflüchtete willkommen in Bielefeld“ und der Gruppe &bdquo;Sicherer Hafen“. Aber auch Oberbürgermeister Pit Clausen und andere Politiker schritten immer selbstbewusst voran, wenn es darum ging, sich mit Menschen auf der Flucht solidarisch zu zeigen. So gibt es in der Stadt unter anderem eine politische Entscheidung, aus Seenot gerettete Menschen direkt aufzunehmen und unterzubringen. Diese Aufnahme geschieht zusätzlich zur Verteilungsquote für Asylsuchende. Ein guter Ansatz, allerdings kam es noch nicht zur Umsetzung. 2015 gilt bisher als Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Seither hat sich in der Stadt viel verändert. Das Land betreibt in der Stadt mehrere Erstaufnahmeeinrichtungen. Unterschiedliche Behörden sind zuständig für die Menschen, die unter anderem aus dem Irak, Afghanistan oder Syrien stammen. Hilfsorganisationen und etliche Bürger kümmern sich. Neid-Debatte ist ausgeblieben Das Prinzip ist inzwischen gelernt. Im Musikerviertel werden die Dinge genauso professionell ablaufen wie in allen anderen Unterkünften der Stadt. Davon ist auszugehen. Nahezu erleichtert dürften Bielefelder indes zur Kenntnis genommen haben, dass eine Neid-Debatte ausgeblieben ist über die Frage, ob sich das Musikerviertel für Flüchtlingsunterkünfte eignet. Wieso sollte es nicht so sein. Die Häuser stehen seit Jahren leer und sind bezugsfertig. Dass das eine Dauerlösung sein kann, steht nicht zur Debatte. Was anderes behauptet niemand. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Anregungen an andrea.rolfes@nw.de

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