Medizinische Versorgung Frauenpower gegen Ärztemangel: Diese Bielefelder Mütter zeigen, wie's geht

Bielefeld. Sie sind hochqualifiziert, mit Herzblut für ihre Patienten da – und haben noch jüngere Kinder. &bdquo;Mit dem Klinikalltag war das leider nicht vereinbar“, sagt Eva-Maria Siemoneit. Die 36-Jährige hat als Fachärztin im Krankenhaus gearbeitet, genau wie Anna Heidemann (38). Beide sind zweifache Mütter und jetzt als Hausärztinnen bei Tim Niedergassel eingestiegen. Nicht nur ihnen ermöglicht der 44-jährige Facharzt mit der Struktur seines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Brake die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hausärzte werden auch in Bielefeld dringend gesucht, viele Praxen finden keinen Nachfolger. Eine Praxisübernahme käme für die beiden jungen Frauen aktuell auch nicht in Frage, sagen sie. &bdquo;Das wäre einfach nicht zu leisten, auch aufgrund der Betreuungszeiten in Kita und Grundschule.“ Im Medicum Brake arbeiten insgesamt 12 Ärztinnen und Ärzte und 28 Medizinische Fachangestellte, einige davon in Teilzeit. &bdquo;Hier ist die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und wir müssen uns nicht um die zeitaufwendige Bürokratie drumherum kümmern, sondern können ganz für unsere Patienten da sein“, sagt Heidemann, ausgebildete Fachärztin für Altersmedizin. Tätigkeit als Hausärztin sehr erfüllend und vielseitig Beide betonen, dass die Tätigkeit als Hausärztin sehr erfüllend und vielseitig sei und wirklich viel Freude mache. &bdquo;Man hat die ganze Bandbreite: Von Videosprechstunde mit einem 16-Jährigen bis zum Hausbesuch bei einer 95-Jährigen“, berichtet Heidemann. Viele Ärztinnen mit kleinen Kindern würden gerne arbeiten. Aber das sei von den Strukturen längst nicht immer und überall mit reduzierter Stundenzahl oder flexiblen Arbeitszeitmodellen möglich. &bdquo;Wenn in der Klinik Operationen geplant sind, kann man nicht passend los zum Abholen aus der Kita“, ergänzt Siemoneit, Fachärztin für Anästhesie. Sie, Kollegin Anna Heidemann und auch Arbeitgeber Tim Niedergassel sind überzeugt, dass sie in ihren 30 bis 40 Stunden sehr effizient arbeiten und sehr viel schaffen. Dass Praxen keinen Nachfolger finden, liegt nach Ansicht von Tim Niedergassel vor allem daran, dass sich das Leben verändert hat. &bdquo;Die alten Dinos, die 50 bis 60 Stunden pro Woche arbeiten, sterben aus“, sagt der Facharzt, der 2018 die Hausarztpraxis seines Vaters übernommen und sie zum Medicum Brake ausgebaut hat. Die klassische Aufteilung – der Mann arbeitet und die Frau kümmert sich zu Hause um die Kinder – gäbe es kaum noch. Auch Frauen wollten sich beruflich verwirklichen und seien heute auch klar in der Überzahl im Medizinstudium. Deshalb seien auch neue Praxisstrukturen notwendig. Dass ihnen und anderen Eltern im Job Tätigkeiten wie Abrechnungen, Buchhaltung und Verwaltung abgenommen werden und sie trotz reduzierter Stundenzahl in ihrem Beruf arbeiten können, sei das Arbeitsmodell der Zukunft, ist sich Anna Heidemann sicher. Von Vorteil in der vergleichsweise großen Praxis sei zudem, dass viele moderne Geräte vor Ort vorhanden sind, beispielsweise für wichtige Untersuchen bei Verdacht auf Herzinfarkt. Dafür hätte sie als Einzelkämpferin gar nicht die finanziellen Möglichkeiten. Ihre Kinder sind jetzt drei und sechs Jahre alt. Zukünftig möchte sie ihre Stundenzahl von aktuell 30 pro Woche gern weiter erhöhen. Aber das hänge von den Betreuungsmöglichkeiten ab. Jetzt sei es ihr zudem auch einfach wichtig, für ihre Kinder verfügbar zu sein und abends nicht einfach nur noch total erschöpft von der Arbeit zu sein. Bedenklich, wenn profitorientierte, große Ketten Kassensitze aufkaufen Dass es auch Kritik gibt an größeren Medizinischen Versorgungszentren, kann Niedergassel nachvollziehen. Auf manche Patienten wirke es erst einmal anonymer und weniger gemütlich. Sie hätten aber grundsätzlich immer eine Ärztin oder einen Arzt als Hauptansprechpartner, aber zur Not auch immer einen Ersatz. Vorteilhaft sei, dass in Urlaubszeiten keine externe Vertretung organisiert werden muss. &bdquo;Wir haben hier immer geöffnet, konnten unsere Sprechzeiten auch ausweiten und auch den Samstag mit anbieten“, ergänzt Niedergassel. Für bedenklich halte er es, wenn profitorientierte, große Ketten und nicht Mediziner selbst die Kassensitze aufkaufen. &bdquo;Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns da selbst Gedanken machen, wie man die veränderte Lage in Zukunft am besten reagieren kann“, ergänzt Niedergassel. Vor allem Bürokratie könne man gut abgeben. Ziel sei sicher, möglichst viele Standorte in der Stadt erhalten zu können. Aber ebenso zu ermöglichen, dass Eltern als Hausärzte auch Zeit für ihre Kinder haben. Und beides sein können: eine gute Ärztin oder ein guter Arzt und eine gute Mutter oder ein guter Vater.

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