Ehemaliger Bielefelder Bewohner attackiert das Deutsche Rote Kreuz

Bielefeld. Plötzlich pleite. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die Erklärungsversuche des Deutschen Roten Kreuzes OWL auf die Frage, warum das vereinseigene Unternehmen DRK OWL Soziales Wohnen gGmbH im vergangenen November praktisch über Nacht beim Amtsgericht Bielefeld seine Insolvenz anmeldete. Doch es könnte auch ein Scheitern mit jahrelanger Ansage gewesen sein. In einer ersten Anfrage der NW nach dem Bekanntwerden der Insolvenz nannte das DRK folgende Gründe als Ursache für das mutmaßliche Aus der Firma: ein schwieriges Marktumfeld, hohe Mietrückstände sowie ein hoher Renovierungsbedarf der Immobilien. Ein Blick in die Protokolle zurückliegender Gesellschafterversammlungen (GV) ergibt jedoch ein durchaus differenziertes Bild und legt einen weiteren Grund nahe: mutmaßliches Missmanagement. Das zeigt beispielsweise das ehemalige Mietverhältnis von Herbert M. aus Bielefeld: Der Senior wohnte von Herbst 2019 bis zum Frühjahr 2021 in einem Ein-Zimmer-Appartement in einer Wohnanlage in Heepen. Diese Wohnung zählt zu den insgesamt 550 Wohnungen, die bis zur Insolvenz von der Gesellschaft verwaltet wurden. So lautet zumindest die jüngst vom DRK genannte veröffentlichte Zahl. Im Februar 2021 lag sie offensichtlich noch um einiges höher, wie aus der Verabschiedung vom einstigen DRK-Universal-Geschäftsführer Ralf Großegödinghaus hervorgeht: &bdquo;Von 2006 bis 2020 war er Geschäftsführer der DRK OWL Soziales Wohnen gGmbH, die insgesamt 20 Wohngruppen für Menschen mit Demenz und 19 betreute Wohnprojekte mit rund 640 Wohneinheiten in und um Bielefeld herum unterhält.“ Nur zwei Monate später, im April 2021, musste Herbert M. aus gesundheitlichen Gründen seine Bleibe verlassen und in ein Pflegeheim umziehen. Die Nebenkosten-Abrechnung für die letzten drei Monate seines Aufenthalts in Heepen landete aber erst Ende Dezember 2022 in seinem Briefkasten: 21 Monate nach dem Auszug, eine für ältere Menschen durchaus relevante Zeitspanne. Und obwohl es sich bei dem Betrag von knapp über 150 Euro um eine Gutschrift handelte, bekam er kein Geld aufs Konto. Protokolle belegen finanzielle Probleme der Gesellschaft Dafür aber vom DRK die tröstende Nachricht, dass seine Ansprüche auf einer Gläubigerliste platziert seien. &bdquo;Ich bin empört“, sagt seine Tochter Karin F., die sich um die Geschäfte ihres fast 90-jährigen Vaters kümmert. &bdquo;Was für eine Gläubigerliste? Wir wussten doch von keiner Insolvenz. Jetzt fehlt meinem Vater Geld, das er schon längst zum Bestreiten seines Unterhalts zurückhaben müsste – aber das lief da ja immer so“, sagt F. frustriert und berichtet vom Beginn der Misere gleich mit der ersten Nebenkosten-Abrechnung für das Jahr 2019 – die Weihnachten 2020 eintraf. &bdquo;Für seine ersten drei Monate in der Wohnung sollte mein Vater über 400 Euro nachzahlen – dabei waren die Kosten über die gezahlten Abschläge in der Miete mehr als gedeckt. Zudem sollte er den Betrag innerhalb von zehn Tagen überweisen – so kann man doch mit alten Menschen nicht umgehen“, sagt Karin F. Im Jahr darauf das nächste Dilemma: Die 2020er-Abrechnung ergab diesmal eine satte Gutschrift von über 500 Euro, bloß landet das Geld weder im Dezember 2021 auf dem Konto noch im Januar 2022: &bdquo;Ich musste erst richtig Druck machen, dann wurde es im Februar endlich überwiesen.“ Zu dem Zeitpunkt muss sich die Gesellschaft bereits in finanziellen Turbulenzen befunden haben, denn im Protokoll der GV vom 17. Juni 2020 wird mit Nachdruck das Gutachten eines externen Wirtschaftsprüfers eingefordert, das Aufschluss geben soll über den Fortbestand des Unternehmens: &bdquo;Die Gesellschafter beauftragen die Geschäftsführung zur Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers zur Erstellung einer insolvenzrechtlichen Prognose auch vor dem Hintergrund auf eine Fortführung der Gesellschaft und zur Bewertung der Gesellschaft“, lautete damals der Beschluss. Danach befragt, ob es dieses Gutachten gegeben hat und wie die Prognose drei Jahre vor der regulären Insolvenz ausfiel, gab das DRK keine Antwort. Als Reaktion auf die existenzielle Situation der Gesellschaft, das DRK Herford und Lippe hatten sich bereits aus dem Kreis der Sechs verabschiedet, und die DRKs Paderborn und Lübbecke hatten ebenfalls Rückzugspläne signalisiert, installierte die Gesellschaft noch im Sommer zwei neue Geschäftsführer – beide auf 450-Euro-Basis. Das schmale Salär scheint nachvollziehbar, schließlich arbeiteten Ilka Mähler und Dennis Schwoche zu dem Zeitpunkt bereits als Vorstände beim DRK-Kreisverband Gütersloh. In der kritischen Phase sollten zwei Minijobber die Gesellschaft retten. Dabei hatte es schon zuvor Anzeichen einer Überforderung der Geschäftsführung gegeben, die seit Gründung der Gesellschaft amtierte. Im Jahr 2006 hatten sich die sechs DRK- Kreisverbände von OWL zusammengetan und die gemeinnützige GmbH ins Leben gerufen: Bezahlbaren Wohnraum vermieten für alte und auch pflegebedürftige Menschen lautete das Geschäftsmodell. Doch 2018 schienen die Grenzen des beherrschbaren Wachstums für die ehrenamtlichen Chefs erreicht: Die Gesellschafter beschlossen auf ihrer Versammlung im April das &bdquo;Einstellungsverfahren für einen hauptamtlichen Geschäftsführer“. Und zur Entlastung des verantwortlichen Geschäftsführers Großegödinghaus empfahlen sie, einem der Angestellten Prokura zu erteilen. Ein Blick ins Handelsregister zeigt jedoch, dass es zu der angeregten Übertragung einer Geschäftsvollmacht nie kam – bis zum Schluss blieb die dafür reservierte Spalte ohne Eintrag. Dafür steht ab Januar 2019 allerdings Simone Hagemann als neue Geschäftsführerin in dem öffentlich einsehbaren Dokument. Doch blieb es bei einem Intermezzo der Immobilien-Fachfrau: Bereits im Oktober verkündete sie ihren Abschied. In ihrer letzten GV unter dem Dach des DRK unterzeichnete sich noch den nächsten Hilferuf: Diesmal beschlossen die Gesellschafter, dass sich der verbleibende Geschäftsführer externe Unterstützung durch einen Wirtschaftsprüfer holen möge und die Buchhaltung personell aufgestockt werden soll. DRK delegiert Auskunftspflicht an Insolvenzverwalter Was offenbar nicht geschah, denn laut Karin F. warte ihr Vater bis heute auf eine Rückzahlung der Kaution. Ob er das Geld tatsächlich zurückerhält, oder aber mit seiner Forderung über 743 Euro auf einer weiteren Gläubigerliste landet, gleich neben der Gutschrift für die zuviel gezahlten Nebenkosten? Mit der Frage möge sich Karin F. doch vertrauensvoll an den vom Amtsgericht eingesetzten Insolvenzverwalter Bero-Alexander Lau wenden, hieß es vom DRK OWL. Der DRK-Kreisverband Bielefeld habe seine Haftungseinlage in Höhe von 35.500 Euro (44,375 Prozent) bereits abgeschrieben, teilte die Geschäftsstelle mit. Und weiter: &bdquo;Aus der Insolvenz der DRK OWL Soziales Wohnen gGmbH erwarten wir keine weiteren Belastungen.“ Die Entwicklung sowie die aus der Insolvenz resultierende Verunsicherung bedaure man sehr. Doch das reicht Karin F. noch lange nicht, sie kämpft weiter für das Geld ihres Vaters.

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