Außergewöhnliche Weihnachtsgeschichten vom Bielefelder Bahnhof

Bielefeld. Das wird eine Wiedersehensfreude werden. Schwer bepackt stehen Alma, 52 Jahre alt und Tanzpädagogin in Berlin, sowie ihr 20-jähriger Sohn auf dem Bahnhofsvorplatz und warten darauf, abgeholt zu werden. Ihr Weihnachtsfest werden sie bei einer Familie in Halle verbringen, die Alma vor 22 Jahren rein zufällig auf der Straße in Bielefeld getroffen und kennengelernt hat. Sie kam 2000 aus ihrem Heimatland Mexiko und fühlte sich ziemlich einsam und verloren. &bdquo;Die Familie hat mich in ihrem Haus in Halle wie selbstverständlich aufgenommen. Wer tut so etwas? Für mich war es eine große Bereicherung in meinem Leben“, erzählt Alma. Sie haben zwar lose Kontakt gehalten, sich aber nie wiedergesehen. Das Weihnachtsfest ist genau der richtige Tag für das Wiedersehen. Als die Abholer eintreffen, stehen wir schon an Gleis 4. Dort wartet Dirk auf den ICE von Berlin, der ihn Richtung Duisburg zu seiner Tochter bringen soll. An der Dienstkleidung und deren Abzeichen erkennt man sofort, dass Dirk Hundeführer bei der Polizei ist. Der Vierbeiner Tessa ist noch in der Ausbildung und wartet bei seinem Frauchen darauf, dass der Chef bald wieder nach Hause kommt. Am Donnerstag hatte Dirk noch Dienst, jetzt hat er über die Festtage Urlaub. &bdquo;Ich denke an meine vielen Kollegen, die zu Weihnachten ihren Dienst tun. Nicht ganz einfach, wenn über die Tage viele Familienstreitigkeiten eskalieren“, erzählt Dirk. &bdquo;Ich wünsche mir, dass alle Menschen wieder normal werden“, ruft er uns aus der sich schließenden Zugtür zu. Mit dem "Weihnachtsbazillus" auf Reise Richtung Istanbul Noch schnell einen Kaffee in der Bahnhofshalle und dann ab zum Bahnsteig, zum ICE, der Ayda, Seda und Costa mit schwerem Gepäck von Bielefeld zum Düsseldorfer Flughafen bringen soll. Um 16.30 Uhr hebt der Flieger Richtung Istanbul ab. Und dort will das fröhliche Trio mit seinen Freunden und Verwandten ausgelassen die Weihnachtstage und das Neujahrsfest feiern. &bdquo;Wir sind zwar Muslime, sind aber in Deutschland aufgewachsen und tragen den Weihnachtsbazillus in uns“, erzählt Ayda. In Istanbul strahlen die Hauptgeschäftsstraßen mit Lichterketten, Weihnachtsbäume sind mit bunten Glaskugeln und Kunstschnee geschmückt. Seit Jahrzehnten ist das Weihnachtsfest bei den eher weltlich, westlich orientierten Türken eine Zeit des Glitzerns und Konsums, und sie nennen es Neujahrsfest. Da würden wir jetzt doch gerne mitreisen. Aus dem Nahverkehrszug aus Herford steigt ein stattlicher, großer Mann. Seine Koffer müssen unglaublich schwer sein, denn ihn begleitet ein Helfer. Als wir ihn ansprechen, um von seinen Festtagsplänen zu erfahren, reagiert er mehr als freundlich und Minuten später sitzen wir gemeinsam bei einem Kaffee in einem Burger-Restaurant im Bahnhof. Mit 100 Kilo schwerem Koffer unterwegs Alfons kommt gerade aus seinem Wohnort Vlotho-Exter und hat heute noch eine längere Zugreise vor sich. Geboren wurde der 28-Jährige in Frankreich, wuchs in Deutschland auf, spielte Fußball und ist inzwischen eine ausgebildete Fachkraft für Schutz und Sicherheit. &bdquo;Meine Eltern kommen aus dem Kamerun, meine Mutter lebt in einem Vorort von Paris. Nur zweimal im Jahr, in den Sommerferien und zu Weihnachten, sehe ich sie. Weil das so selten ist, fallen die Weihnachtsgeschenke immer besonders üppig aus. In dem Koffer, der fast 100 Kilogramm wiegt, befinden sich Küchengeräte, Kleidung, Kosmetik und Parfüm“, sagt Alfons und lacht beim Erzählen. Auf das Festtagsessen freut er sich jetzt schon. Seine Mutter sei begnadete Köchin, und niemand könne das traditionelle kamerunische Essen besser zubereiten als sie. &bdquo;An Heiligabend gibt es Fisch in schwarzer Soße, Mbongo Tchobi. Das ist ein afrikanischer Eintopf mit einer Soße aus schwarzen Tomaten“ erzählt Alfons. Es wird Zeit, der Zug Richtung Karlsruhe steht bereit. Von dort geht es dann mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV nach Paris. Bei Mama will Alfons gegen 21 Uhr sein – bon voyage! Nein, die fast dreijährigen Zwillinge Alicia und Emilio quengeln nicht, auch wenn ihr Zug Verspätung hat. Sie haben mit ihren Eltern Philipp und Alicia, die Kolumbianerin ist, den 91-jährigen Urgroßvater in Halle besucht. Die Bescherung wurde vorgezogen, aber erst musste kräftig gesungen werden. Jetzt geht es über Erlangen wieder nach Hause, Richtung Österreich nach Wien. Für Paul aus Werther, der mit seinem Frauchen auf den ICE nach Berlin wartet, ist es die erste Zugreise. Am Weihnachtsbaum wird der Vierbeiner endlich seine Freundin Nona, eine englische Bulldogge, wiedertreffen. Als Geschenk hat er eine warme, weiche Decke aus Schafswolle. Natürlich begleitet ihn seine Chefin. Die feiert diesmal bei ihrer Tochter in Berlin, weil ihr Sohn in Buenos Aires Corona hat und nicht kommen kann.

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