Bielefelds Kitas vor gravierenden Einschränkungen: Vater fordert besondere Konsequenzen

Bielefeld. Die Bielefelder Kitas befinden sich in einer akuten Notlage. Das geht aus einem Brief der Stadt und weiterer Kita-Träger hervor, der jetzt an Eltern verschickt worden ist. In dem Schreiben, das auch Sozialdezernent Ingo Nürnberger unterzeichnet hat, warnen Stadt, Evangelischer Kirchenkreis und Bielefelder Falken vor Ausfällen aufgrund des starken Personalmangels in den Einrichtungen. In den kommenden Wochen und Monaten sei mit &bdquo;gravierenden Folgen für das gesamte Betreuungssystem“ zu rechnen, so die Hiobsbotschaft vor Weihnachten. Der Brief listet einen ganzen Katalog an schwerwiegenden Einschränkungen auf, die &bdquo;je nach Ausmaß des Personalausfalls“ bevorstehen: Möglich seien Reduzierungen der Betreuungszeiten. Das könne einzelnen Stunden oder Tage betreffen, aber auch ein Runterfahren der Betreuungszeit auf maximal 35 Wochenstunden ist demnach denkbar. Zudem könnten Kita-Öffnungszeiten reduziert, Kita-Gruppen ganz geschlossen oder zusammengelegt werden. &bdquo;Nur im allerschlimmsten Fall müsste vorübergehend auch die gesamte Kita geschlossen werden“, heißt es. Dabei handelt es sich nicht um eine kurze Durststrecke, die von Bielefelder Eltern überbrückt werden muss. Der bundesweite Fachkräftemangel habe nun auch in der Stadt spürbar &bdquo;negative Auswirkungen“, schreiben die Verfasser. Die &bdquo;frühe und intensive Welle an Erkältungskrankheiten“ und der Anstieg bei den Corona-Erkrankungen spitzen die Lage weiter zu. Alle Möglichkeiten, Personalausfälle abzufedern seien bereits ausgeschöpft. Die Bielefelder Kitalandschaft ist am Limit. Fehlende Kitabetreung verschärft den Personalmangel in den Bielefelder Krankenhäusern Vater Daniel Austmeyer (46) macht das Schreiben wütend – sein Inhalt, aber auch der Zeitpunkt. &bdquo;Einen solchen Brief kurz vor Weihnachten mit so schlechten Nachrichten an die Eltern rauszuschicken, ist mehr als unglücklich.“ Viele Familien seien ohnehin bereits stark belastet, so der Vater von zwei Kindern im Alter von zwei und sieben Jahren. Austmeyer erlebt das auch als pflegerischer Abteilungsleiter in der Psychiatrie des Evangelischen Klinikums Bethel bei seinen Mitarbeitern. &bdquo;Sie bekommen in der Apotheke keine Fiebermedikamente, Kinderkliniken und Kinderärzte sind überlastet und jetzt wackelt auch noch die Betreuung. Die Eltern sind unter Dauerstress, sie können nicht mehr.“ Jetzt müssten sie dank Elternbrief mit noch mehr Sorgen ins neue Jahr gehen. &bdquo;Und die Probleme verlagern sich. Kitabetreuung ist systemrelevant“, betont der EvKB-Abteilungsleiter. Sei die Kitabetreuung nicht mehr sichergestellt, treffe dies seine Mitarbeiter in den Schichtdiensten am härtesten. &bdquo;Für sie ist das eine mittlere Katastrophe.“ Könnten die Eltern deshalb nicht arbeiten, verschärfe das wiederum den Personalmangel in den Kliniken. Dass Kitaschließungen nur im absoluten &bdquo;Worst Case“ bevorstünden, betont unterdessen Sozialdezernent Ingo Nürnberger auf Nachfrage. Er will beruhigen. Der Brief sei schon länger, seit dem letzten Kitagipfel, in Planung gewesen. Man habe die Eltern frühzeitig für die schwierige Lage in den Kitas &bdquo;sensibilisieren wollen“. &bdquo;Um die Eltern nicht zu überfallen, sollte es noch schlimmer werden.“ So viele unbesetzte Stellen in den städtischen Kita-Einrichtungen wie noch nie Wie schlimm es schon ist? &bdquo;Wir haben Kitas, in denen es einen Krankenstand beim Personal von 50 Prozent gibt.“ 35 Stellen in den städtischen Kitas seien zudem unbesetzt, ein Höchststand. Nürnberger betont, dass die Stadt bereits seit Jahren das Thema Personalmangel &bdquo;bearbeite“. &bdquo;Wir haben das AWO-Berufskolleg gerettet und schon vor Corona die Zahl der Ausbildungsstellen in den städtischen Kitas verdoppelt.“ Doch der Nachwuchs steht nicht gerade Schlange. &bdquo;Wichtig ist, dass wir den Beruf der Erzieherin, des Erziehers jetzt nicht schlechtreden. Der Beruf ist anstrengend, aber auch großartig, das höre ich immer wieder im direkten Gespräch mit den Kitamitarbeitern.“ Die alles täten, um die aktuelle Notlage abzufedern, den Eltern zu helfen, das berichtet auch Austmeyer aus seiner Kita in Gadderbaum. Was die Stadt noch vorhat: &bdquo;Wir wollen mehr Klassen an den Berufskollegs bilden und mehr Möglichkeiten zur praxisintegrierten Ausbildung in den Kitas bieten mit Vergütung ab dem ersten Tag.“ Familienvater und Vorgesetzter fordert die Abschaffung der Kitagebühren in Bielefeld Doch der wichtigste Punkt aus Sicht von Vater Austmeyer steht nicht auf der Liste der Stadt: Es sei absurd, dass einerseits der Fachkräftemangel beklagt werde, andererseits Eltern kaum entlastet würden – auch finanziell und gerade in Bielefeld. Während in anderen Städten Kitas und Kindergärten viel stärker bezuschusst oder bereits komplett beitragsfrei seien, verlange Bielefeld für die U3-Betreuung weiterhin hohe Kitagebühren. Nürnberger kann das auf Nachfrage nicht bestätigen. Dazu habe er nicht genug Informationen aus anderen Städten. Laut städtischer Tabelle zahlen Eltern bei einem gemeinsamen Einkommen von rund 73.600 Euro zwischen 275 und 325 Euro monatlich für die U3-Betreuung. In zwei Bundesländern ist die Kitabetreuung bereits komplett gebührenfrei Drei Gegenbeispiele: Als erstes Bundesland hatte Berlin 2018 die Kitagebühren komplett abgeschafft. Seit 2020 gibt es in Mecklenburg-Vorpommern die beitragsfreie Kita: Alle Krippen, Kindergärten, Tagesbetreuungen und Horte sind gebührenfrei. In Rheinland-Pfalz müssen Eltern bereits seit 2010 für Kinder über zwei Jahren keinen Kostenbeitrag mehr zahlen. In Bielefeld gilt das erst ab dem dritten Lebensjahr. Nürnberger: &bdquo;Wir sind nicht stolz auf unseren Kitabeitrag. Ich kann verstehen, dass Eltern, wenn es über längere Zeit zu massiven Einschränkungen in den Kitas kommt, die Frage nach den Beiträgen stellen.“ Vater Austmeyer tut das jetzt.

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