Rückblick: Traum vom größten Tragluftdach in Bielefeld geplatzt

Bielefeld. &bdquo;Fliegen Vertreter der Deponie Laar nach Tokio?“ Diese Frage stellte sich im März 1993. Es sollte eine Dienstreise werden, weil die Japaner die bislang größte Traglufthalle der Welt besaßen. Diesen Rekord wollte der damalige Umweltdezernent Uwe Lahl (Grüne) nun im Grenzgebiet zwischen Bielefeld und Herford knacken. Weil die Deponien Belzen und Speelbrink undicht waren, setzte Lahl schon in den 1980er Jahren auf eine Superdeponie, bei der der Müll nach oben und unten abgedichtet werden sollte: Auf einem 56,9 Hektar großen Areal sollten jährliche Müllmengen von 200.000 Kubikmetern verarbeitet werden. Alleine die Kosten des Daches wurden auf 100 Millionen Mark geschätzt. Die Laufzeit der Großdeponie sollte 28 Jahre betragen 1990 gingen 4.000 Einwendungen dagegen ein und die Bezirksvertretung Jöllenbeck forderte die Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens für die Großdeponie. Es gab Demonstrationen in Bielefeld und Herford. Gisela Upmeier zu Belzen erinnert jetzt mit einem Buch an die Geschichte: &bdquo;Die Zukunft unseres Hofes war in Gefahr.“ Das Millionen-Projekt scheiterte. &bdquo;Mit dem Buch möchte ich meinem 2009 verstorbenen Mann Herbert für sein unermüdliches Engagement gegen die Großplanung danken“, sagt die 86-Jährige, die von 1989 bis 2004 Mitglied der Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfB) und Ratsfrau war. Mitglieder des Zweckverbandes &bdquo;Verbunddeponie Herford-Bielefeld“ fassten damals den Entschluss, für die Mammut-Deponie die größte Traglufthalle der Welt zu bauen. Der Verein für Umwelt, Natur und Landschaftsschutz Laar, bei dem der Landwirt Herbert Upmeier zu Belzen später den Vorsitz übernahm, rief die Bürger auf, Einspruch gegen die Planung einzulegen. Die Standortfindung sei mit &bdquo;bestellten“ und &bdquo;skandalösen“ Gutachten erfolgt, die Kritiker seien ignoriert worden (NW v. 14. September 1990). Protestmarsch durch die Stadt Die Diskussion über die geplante Großdeponie müsse in den politischen Raum zurück. Das forderte Upmeier zu Belzen auf der Kundgebung des Protestmarsches des Umweltvereins, der durch die Bielefelder Innenstadt führte. Maja Oetker, die 1988 Mitgründerin der Bürgergemeinschaft für Bielefeld und von 1992 bis 1994 Bürgermeisterin war, machte die Industrie- und Handelskammer auf die gigantische Fehlplanung aufmerksam. Die Deponie Laar sei &bdquo;überdimensioniert“ und am falschen Standort geplant. Zudem sollte dort &bdquo;völlig überteuerte und umweltgefährdende Technik“ eingesetzt werden. Geplant seien acht Bauabschnitte. Der erste Bauabschnitt würde mindestens 550 Millionen Mark kosten. Im September 1992 fand die Anhörung zum Planfeststellungsverfahren statt. Anlieger der Deponie sowie die Kirchengemeinden Laar und Vilsendorf klagten vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Baumaßnahme. Erste Zweifel an der geplanten Größe der Deponie wurden laut. Nach zehn Jahren Planung war klar, dass es nicht genügend Müll für die &bdquo;sicherste Müllablagerungsstätte Europas“ geben würde. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Brinkmann war jedoch der Ansicht, dass Laar für einen funktionierenden Nordverbund unbedingt errichtet werden müsse, weil sonst keine Entsorgungssicherheit bestehe. Große Belastung für Gemeinde Reinhard Gaede war damals Pfarrer in Herford-Laar: &bdquo;Wir haben erhebliche Eingriffe in die Belange der Gemeinde befürchtet.“ Die geplante Deponie sollte nur 360 Meter vom Gemeindezentrum entfernt entstehen. Hier sei &bdquo;landwirtschaftliche Arbeit auf guten Ackerböden bedroht“ gewesen. Auch verkehrstechnisch sei eine &bdquo;große Belastung“ erwartet worden. &bdquo;Die Qualität der Luft war in Gefahr. Wir haben Staubemissionen und Geruchsbelästigungen befürchtet“, berichtet der Seelsorger. Nicht zuletzt sei das Landschaftsbild &bdquo;massiv beeinträchtigt“ worden, wenn das Projekt verwirklicht worden wäre. Schließlich hätte die Deponie den fast 60 Meter hohen Kirchturm überragt. &bdquo;Wir haben sehr viel Energie in die Verhinderung der Deponie gesetzt“, berichtet die Autorin während der Buchvorstellung auf dem Uphof. Es habe einen regelrechten &bdquo;Bauernkrieg“ gegeben, weil einige Landwirte Flächen für das Großprojekt verkauft hätten und andere nicht. Ein Bürgerbegehren habe 21.000 Unterschriften gebracht, die dem Herforder Landrat Wattenberg in einer Mülltonne überreicht wurden. Am Ende habe das Projekt im Februar 1995 mit der neuen Mehrheit von SPD und Grünen gestoppt werden können. Bund der Steuerzahler kritisiert gigantische Fehlplanung &bdquo;Keiner übernahm die Verantwortung. Die Rückabwicklung dauerte Jahre“, erzählt Gisela Upmeier zu Belzen. Am 5. Mai 1995, einen Tag nach dem Baustopp, habe sie einen Anruf vom Dezernenten für Abfallwirtschaft beim RP in Detmold erhalten, der ihr zum Deponie-Stopp gratuliert habe. Auch der Bund der Steuerzahler hat sich in seinem Schwarzbuch mit dem gescheiterten Vorhaben, das als &bdquo;sicherste Müllkippe der Welt“ beworben wurde und der &bdquo;gigantischen Fehlplanung“ (NW 29. September 1995) beschäftigt. Das Mega-Projekt habe als &bdquo;Mega-Pleite“ geendet, bei dem 100 Millionen Mark &bdquo;in den Sand gesetzt“ wurden. ´ Das Buch &bdquo;Widerstand gegen eine Großplanung. 60 Jahre Denkmalschutz und Landwirtschaft auf dem Uphof“ (139 Seiten) kann unter der ISBN-Nummer: 978-3-75688-794-1 bestellt werden. Es ist unter anderem in der &bdquo;Jürmker“ Bücherstube, Amtsstraße 34, erhältlich. Zur Redaktion gehören Mike Bartels und Franziska Heine. Themen sind unter anderem neben dem &bdquo;Kampf gegen die Mülldeponien“ die Umstrukturierung der Landwirtschaft sowie die Instandsetzung denkmalgeschützter Gebäude.

Meistgelesen