SPD in Bielefeld will Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 umsetzen - auch gegen Widerstände

Das Thema Verkehr spielt in Bielefeld aktuell eine große Rolle. Die Rathauskoalition will die Verkehrswende schaffen. Es gelingt der Politik aber nicht, dabei alle mitzunehmen. Merken Sie das? Sven Rörig: Ja, natürlich wissen wir, dass es unglaublich schwierig ist, alle Bielefelder von einem Verkehrsprojekt dieser Tragweite zu überzeugen und auf dem Weg mitzunehmen. Das liegt auch daran, dass wir manchmal zu wenig deutlich machen, was wir wollen. Die SPD ist für eine konsequente Umsetzung der Verkehrswende, aber sie muss sozial und gerecht gestaltet werden. Ihr Koalitionspartner, die Grünen, und der Verkehrsdezernent wollen die Kosten für Anwohnerparken auf 360 Euro im Jahr verteuern. Macht die SPD dabei mit? Nein, wir tragen das so nicht mit. Was wir wollen, ist eine neue Parkraumbewirtschaftung, die die Autos von der Straße in die Parkhäuser bringt. Wir wollen Anwohner in bestimmten Zonen bevorzugen. Wir wollen aber niemanden sozial überfordern. Leute, die ein geringes Einkommen haben oder beispielsweise den Bielefeld-Pass besitzen, sollen zum Beispiel nur die Hälfte zahlen müssen. Und wie viel sollen künftig diejenigen zahlen, die besser verdienen? Dazu haben wir uns in der Partei noch nicht abschließend festgelegt. Auf jeden Fall unter 360 Euro. Wir werden zeitnah einen Vorschlag machen. Vor 2024 wollen wir die Preise aber nicht verändern. In den kommenden beiden Wintern, die für viele eine finanzielle Belastung darstellen, wollen wir nicht zusätzlich belasten. Das Thema Parkraum spielt auch an anderer Stelle eine größere Rolle. Etwa in der Altstadt könnte sich schon bald viel verändern. Wie will denn die SPD den zweiten Anlauf des Altstadt-Projektes angehen? Wir wollen auf jeden Fall nicht mit dem Kopf durch die Wand. Beim ersten Versuch haben wir uns mit der Sperrung des Waldhofes keinen Gefallen getan. Das war nicht klug. Wir hätten uns mit 90 Prozent zufriedengeben können. Es ist richtig, dass das Projekt jetzt mit viel Kommunikation läuft. Wir werden und müssen es dieses Mal besser machen. Der erste Versuch ist gründlich schief gegangen. Im Umland ist angekommen: &bdquo;Fahrt bloß nicht mehr mit dem Auto in die Bielefelder City!“ Wenn das so sein sollte, gibt es ein Unterschied zwischen Wahrnehmung und Realität. Die Stadt war immer erreichbar und ist es nach wie vor. Auch mit dem Auto: Es gibt auch genügend Parkplätze. Wie sieht es aus mit dem Vorhaben, in der Altstadt mittels versenkbarer Poller unerwünschten Verkehr zu unterbinden? Es gibt dazu bereits ein Konzept der Stadtverwaltung. Es wurde allerdings seitens der Wirtschaft als zu kompliziert kritisiert. Die Idee ist aber sinnvoll, weil man so am besten steuern kann, wer rein darf und wer nicht. Unerwünschte Verkehrsarten, wie zum Beispiel der Poser-Verkehr werden herausgefiltert, während erwünschten das Passieren weiterhin ermöglicht wird. Zum Beispiel mit der App als Zutritt. Das Prinzip sollte doch auch längst am Emil-Groß-Platz umgesetzt werden? Ja, baulich und technisch gibt es aber noch Abstimmungsbedarf. Es geht dabei auch um Zugänge zu Parkplatzflächen. Deshalb dauert die Umsetzung länger als erwartet. Am Ehlentruper Weg läuft aktuell die Testphase für die Fahrradstraße. Wie schätzen sie den Verlauf bisher ein? Die SPD will, dass es aus dem Osten kommend für Radler eine gute Verbindung in die City gibt. Insofern stehen wir hinter diesem Projekt. Wir warten jetzt die Versuchsphase ab, erst dann können wir über Ergebnisse sprechen. Gibt es schon erste Erkenntnisse. Die Versuchsphase mitten in den Winter zu legen, ist ja nicht ganz optimal. Ja, das ist absolut richtig, liegt aber nicht an der Politik. Die Umsetzung hat zu lange gedauert. Wir können schon jetzt erkennen, dass die Einbahnstraßen gerne missachtet werden. Deshalb können wir uns auch bauliche Veränderungen vorstellen, um die Durchfahrten zu unterbinden. Viele Radfahrer finden das neue Angebot gut, von Anwohnern und Autofahrern gab es auch Kritik. Wie steht die SPD dazu? Viele Anwohner wünschten sich aufgrund des Parkdrucks im Viertel, dass sich dort etwas verändert. Dass das, was wir jetzt dort umgesetzt haben, eine Kompromisslinie ist, die für die einen zu wenig und für die anderen zu viel ist, ist relativ normal. Mich wunderte nach der Sache mit den Reißzwecken, dass dort offenbar so viel Wut entstanden ist, dass jemand zu solchen Mitteln greift. Die Heftzwecken-Aktion blieb zum Glück eine Ausnahme. Können Sie denn die sachlich vorgetragene Kritik der Anwohner verstehen? Was ich sehr gut verstehe, ist das Parkplatz-Thema. Da müssen wir dringend Alternativangebote schaffen. Das Thema Anwohnerparken fehlt bisher. Wir brauchen ein Angebot, das die Menschen, die dort wohnen, privilegiert das Auto abzustellen. Deshalb brauchen wir auch unbedingt den Beschluss zur Parkraumbewirtschaftung. Viel Kritik gibt es auch aktuell von Anwohnern, die von der Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 betroffen sind. Wie reagiert die SPD darauf? Die Linie 1 muss umgesetzt werden. Dass es von den direkten Anwohnern Protest gibt, kann ich zwar verstehen, allerdings ist der gesamte Prozess von so großer Tragweite, dass wir jetzt den Mut haben müssen, die Verlängerung durchzusetzen. Natürlich ist es aber wichtig, dabei mit allen im Gespräch zu bleiben, um eine so gut es geht verträgliche Lösung zu finden. Die SPD will die Verlängerung also auch gegen den Willen der Anwohner durchsetzen? Na ja, was passiert, wenn Politik jedes Mal einknickt? Es würde nichts passieren. Es würde sich nichts zum Besseren verändern. Nichts tun, ist falsch, hilft nicht gegen den Klimawandel und würde immer mehr Staus und immer mehr Parkdruck verursachen. Die Elektroautos helfen ja nicht beim Stauproblem. Stimmt, nur leider hat Bielefeld sich mit der Festlegung auf die Hochflurtechnik nicht viele Freunde gemacht. Klar, die Niederflurtechnik würde auch mir besser gefallen. Aber der Drops ist gelutscht. Wäre die SPD denn kompromissbereit bei der Verlängerung? Wie gesagt, die Linie 1 ist uns sehr wichtig. Die Mindestvariante wäre durch die Sennestadt durch. Sonst ergäbe das Vorhaben keinen Sinn. Die Verlängerung nach Dalbke ist nicht mehr realistisch. Wie soll es 2023 mit all den Projekten weitergehen? In 2023 wollen wir die Mobilitätsstation am Niederwall einrichten, eine sichere Verbindung mit dem Fahrrad in Richtung Uni beschließen, die Veloroute B68 planen und eine Lösung für die dringend notwendige Sanierung der Heeper Straße finden. Außerdem brauchen wir unbedingt Maßnahmen, um Busse und Stadtbahnen aus dem Stau zu holen. Ach ja, und Park&Ride muss vorangehen!

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