"Dieser Lärm macht krank": So leben Menschen in Bielefeld direkt am Ostwestfalendamm

Bielefeld. Das Grundrauschen vom OWD dringt auch durch die Doppelverglasung. Wenn Manuel Hausold in seinem WG-Zimmer lebt und arbeitet, dann mittlerweile nur noch mit speziellen Stöpseln in den Ohren, damit der unterschwellige Dauer-Krach von draußen nicht ständig stört. Der 40-jährige ITler wohnt an der Kreuzung von Arndtstraße und Goldbach, wo der OWD als mächtige Betonbrücke täglich Tausenden von Fahrzeugen als kürzeste Verbindung zwischen dem Norden und Süden der Stadt dient. &bdquo;Dieser Lärm vom OWD macht krank“, sagt Sabine Domm. Die pensionierte Hausärztin streitet seit Jahren in der &bdquo;Bürgerinitiative gegen Lärm am Ostwestfalendamm“ für ein weiteres Tempolimit auf der einst als Schnellstraße oder Stadtautobahn konzipierten Asphaltpiste. Vor zwei Jahren errang die Initiative bereits einen juristischen Erfolg: Für die Nachtstunden muss die Stadt die Höchstgeschwindigkeit von Tempo 80 senken auf Tempo 60, urteilte das Verwaltungsgericht in Minden. Diese Regelung gelte bisher zwar nur in der Theorie für das Teilstück zwischen Johannistal und der Abfahrt Quelle, weil sie immer noch nicht umgesetzt sei, sagt Domm. Praktisch strebe die Initiative aber an, dass die Regelung ausgeweitet werde für die gesamte Strecke, und damit auch im Westen der Stadt auf dem Teilstück zwischen OWD-Tunnel und Johannistal. Der Stadtentwicklungsausschuss hatte auf einer Sondersitzung im August die Verwaltung beauftragt, einen Vorschlag zu erarbeiten mit einer einheitlichen Regelung der Höchstgeschwindigkeit auf der gesamtem Strecke. Die Empfehlung vom Amt für Verkehr steht aber noch aus. Verkehrsclub Deutschland (VCD) empfiehlt Tempolimit Als Verbündeter der Initiative agiert die OWL-Fraktion des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Deren Sprecher Bernd Küffner erklärt die komplexe Problematik mit der Geräuschkulisse auf dem OWD, Luftlinie nur knapp 20 Meter von den Wohnungsfenstern des Mieters entfernt: &bdquo;Der vor 12 Jahren aufgetragene Flüsterasphalt funktioniert nicht mehr, weil die Poren verstopft sind. Zusätzlich ist das Brückenlager ausgeschlagen, was beim Überfahren den typischen Klack-Ton erzeugt.“ Außerdem fehle es an wirkungsvollen Lärmschutzwänden, ergänzt die Medizinerin. Wegen des Zustands der altersschwachen Straße kombiniert mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h bleiben die Fenster von Manuel Hausold besser geschlossen. Sind sie tagsüber geöffnet, schwankt die gemessene Lärmemission zwischen 71,6 Dezibel (6 Uhr) und 71,7 Dezibel (19 Uhr). An dem nachmittags leicht verregneten Donnerstag im Oktober lag der höchste gemessene Wert zwischen 13 und 14 Uhr bei 74,6 Dezibel. Am Abend zuvor und in der Nacht bewegte sich das Grundrauschen zwischen 69,8 Dezibel (20 Uhr) und 69,2 Dezibel (5 Uhr), wobei der Tiefstwert zwischen 3 und 4 Uhr bei 58,6 Dezibel lag. Umweltbundesamt kritisiert Gesundheitsgefährdung Das Umweltbundesamt hat dazu eine klare Position: &bdquo;Um die Gesundheit zu schützen, sollte ein Mittelungspegel von 65 Dezibel am Tage und 55 Dezibel in der Nacht nicht überschritten werden“, lautet die Empfehlung aus Dessau-Roßlau. &bdquo;Mit der EU-Umgebungslärmrichtlinie wurde 2017 die Geräuschbelastung der Bevölkerung in Ballungsräumen und an Straßen mit einem Verkehrsaufkommen von mindestens drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr erfasst“, berichtet die Behörde auf ihrer Homepage: &bdquo;Demnach sind 2,3 Millionen Menschen in Deutschland ganztags Pegeln von mehr als 65 Dezibel ausgesetzt. Nachts leiden 2,6 Millionen Menschen unter Pegeln von mehr als 55 Dezibel.“ Zu ihnen zählen auch Manuel Hausold und seine Mitbewohner sowie alle Anlieger der Goldstraße und der weiteren Nachbarschaft. Die theoretisch mit den Grenzwerten eines Gewerbegebiets leben – wenn sie die Fenster öffnen, auf den Balkon gehen oder in den Garten. Der VCD und die Initiative plädieren zum Schutz der Gesundheit der Anlieger deshalb für eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf dem OWD von Tempo 80 auf 60 – erst einmal nur nachts. Das Tempolimit hätte generell den Vorteil, dass zeitgleich sogar mehr Fahrzeuge unterwegs sein könnten, da die reduzierte Geschwindigkeit auch einen reduzierten Abstand erlaube, sagt Küffner. Entsprechend lautet der Rat des Umweltbundesamtes: Eine Geschwindigkeitsbegrenzung nach Paragraf 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Straßenverkehrsordnung kann von allen betroffenen Bürgern und Bürgerinnen bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde beantragt werden. Domm und Küffner greifen den Gedanken auf und regen die Anwohner an, ihrerseits einen Antrag zum Lärmschutz zu stellen. Ein entsprechendes Formular dafür könne auf der VCD-Homepage heruntergeladen werden, sagt Küffner. Und wer es nicht so mit dem Digitalen hat, dem drückt Sabine Domm auf ihrer nächsten Werbetour durchs Viertel ein Exemplar in die Hand. Mindestens sechs davon seien bereits an die Straßenverkehrsbehörde verschickt worden, sagt Domm.

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