Neuer Roman über eine Jugend in Bielefeld

Bielefeld. Was treibt einen promovierten Wissenschaftler und Dozenten, Rap-Musiker und Songschreiber, der zugleich Deutsch als Fremdsprache (DaF) in München unterrichtet, an, einen Bielefelder Stadt-Roman für junge Leute zu schreiben? &bdquo;Alles zusammen" – also die verschiedenen Talente und Aktivitäten, die er auf sich vereinigt, sagt Andrej Muraov. Der Ex-Bielefelder, der sich außerdem gerade mit dem Bielefeld-Song &bdquo;33602" einen Namen macht, fühlt sich mit seinen 39 Jahren &bdquo;jung genug, um die Szene zu beurteilen". Und distanziert genug zur eigenen Jugend in Bielefelds Rap- und HipHop-Szene, um aus neuer Perspektive auf die Themen junger Leute zu schauen. Entstanden ist ein Coming-of-Age-Roman mit dem Titel &bdquo;Alles Gold", der auf die Kultkneipe &bdquo;Mellow Gold" verweist, wo einiges aus der Handlung angesiedelt ist. Und er hat auch einen Verlag für das 320-seitige Buch gefunden – den Katapult Verlag. Die farbigen Zeichnungen, die Malik Heilmann, der in Bielefeld studierte, beisteuert, verströmen viel Bielefelder Szene-Flair. &bdquo;Ich kenne Malik aus meiner Jugendzeit. Er hat eine große Sensibilität für die Orte, die er abbildet. Er nimmt sie manchmal aus dem Kontext, verlegt die Bürgerwache am Siggi etwa in die Wüste, und spielt so mit den Referenzen", sagt der Autor. Muraov hat nicht nur den Roman verfasst, sondern auch die EP &bdquo;Alles Gold" der fiktiven Band AK 602 aus dem Buch produziert, die man als &bdquo;Sound zum Buch" streamen kann. Ein QR-Code findet sich am Ende des Bands. Der Roman erzählt die Geschichte von vier &bdquo;Underdogs", Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt. Muraov verfügt selbst über slowenisch-russische und deutsche Wurzeln und kann die Szene beurteilen. Zugleich ist er Sohn der Bielefelder Sängerin und Gesangspädagogin Edith Muraov. &bdquo;Es gab einen großen Zusammenhalt unter den Leuten" Die Leute, die er beschreibt, stehen im Abseits, zwischen den Kulturen und doch voll im Leben, &bdquo;das bitter schmeckt und zugleich voller Verlockungen ist". Artur und Kazim träumen von einer Karriere als Rapstars, Nejla träumt in manchen Nächten noch immer von den Schrecken des Bosnienkriegs, Dilek von der Freiheit und Bobbys Leben ist so verrückt, dass er sich manchmal fragt, ob das alles nicht vielleicht bloß ein Traum ist. Der Roman ist schwungvoll geschrieben, schafft Nähe durch unaufdringlich eingestreuten Szenejargon. Außerdem fügt der Autor immer wieder kurze Dialoge in den Nationalsprachen der Clique ein, die im Anhang übersetzt werden. So wirft er seine (jungen) Leserinnen und Leser mitten hinein in die Themen der Außenseiter, die vielen Jugendlichen bekannt vorkommen dürften. &bdquo;Ich wollte die Leute in dieses Fremdsein hineinbugsieren", erklärt er. Es ist die Story junger Leute, die ihre Freiheiten immer wieder neu aushandeln müssen, gegen einengende kulturelle Traditionen aufbegehren und gleichzeitig nicht so ganz in die Welt ihrer deutschen Gleichaltrigen zu passen scheinen. Muraov bestätigt, dass in die Figuren viel Autobiografisches eingeflossen ist. &bdquo;Es sind Leute mit einem Hintergrund, der für Anfang der 2000er Jahre typisch war, nachdem die Politik der Kohl-Regierung viele Spätaussiedler aus Polen und den ehemaligen Sowjetrepubliken nach Deutschland holte", schildert er. Hinzu seien viele kurdische Zuwanderer gekommen, die Zuflucht suchten vor Krieg und Verfolgung. Die üblichen Probleme des Heranwachsens, so der Autor, hätten sich mit Problemen des Außenseitertums vermischt und eine eigene Szene mit einem starken internen Zusammenhalt hervorgebracht. "Heute ist alles zersplitterter auf dem Kesselbrink" Heute, beobachtet Muraov auf Besuchen in der alten Heimat, habe sich die Stadt &bdquo;gemausert", vieles sei besser, manches großstädtischer geworden. Der umstrittene Kesselbrink etwa verfüge immerhin über einen der größten Skaterparks in Deutschland. Das Persönliche aber, so empfindet er es, habe abgenommen: &bdquo;Früher traf man sich bei Konzerten im JZ Kamp, am Siggi und eben am Kesselbrink, heute ist alles zersplitterter, die Probleme auf dem Platz sind offensichtlicher." Das Buch ist seit Ende September überall bestellbar, in den Bielefelder Buchläden teils vorrätig. Nach der Premierenlesung im Oktober plant Muraov weitere in Schulen. Und auch ein Folgeband ist im Köcher: &bdquo;To be continued..." heißt es nicht ohne Grund auf der letzten Buchseite.

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