Amoktat in Brackwede: Junger Bielefelder soll auf neun Menschen geschossen haben

Bielefeld. Die Ermittlungen zum Amoklauf im Sommer am Berufskolleg Senne sind abgeschlossen. Der inzwischen 21-jährige Bielefelder, der einen Tag vor Ferienbeginn auf dem Campus Rosenhöhe mit seinen Schusswaffen Schüler und Lehrer in Angst und Schrecken versetzt haben soll, muss sich in Kürze für seine Tat vor Gericht verantworten. Die Anklage der Staatsanwaltschaft verfolgt allerdings keine Unterbringung des psychisch kranken Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik. Das bestätigte Claudia Bosse, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Update, 29. November: Wie die Staatsanwaltschaft inzwischen korrigiert hat, verfolgt die Anklagebehörde sehr wohl die Unterbringung des Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik. Durch ein Missverständnis ist das zunächst verneint worden. Der junge Mann soll nach Auffassung der Anklagebehörde am Freitag, 24. Juni, kurz vor 12 Uhr im Gebäude des Berufskollegs seine zwei Schreckschusswaffen – eine Pistole und einen Revolver – gezückt haben und dann losgeschossen haben. Zu diesem Zeitpunkt sollen noch 150 Schüler und 20 Lehrer im Gebäude gewesen sein. Teilweise habe er ungezielt geschossen, in neun Fällen soll er aber auf Schüler wie Lehrer gezielt und zwei bis dreimal abgedrückt haben. Von 18 gezielten Schüssen war zuletzt die Rede. Ein Schüler stand dem mutmaßlichen Amokläufer dabei so nahe, dass er durch diese Schüsse ein Knalltrauma erlitt und auf beiden Ohren vorübergehend sein Hörvermögen verlor. Das kehrte zwar zurück, doch laut Anklage blieb ein dauerhafter Tinnitus zurück. Nach 15 Minuten überwältigt das Bielefelder SEK den Amoktäter Außerdem soll er aus ziemlicher Entfernung auf den Schulleiter geschossen haben. Er soll auch abgedrückt haben, als ein Lehrer versuchte, den schwer bewaffneten Eindringling zu stoppen. In einem Klassenraum soll er geradezu herumgeballert haben. Schließlich zielte er dort direkt auf vier Schüler und drückte erneut ab. In der Aula soll er schließlich auf eine Prüferin und ihren Schüler geschossen haben. Der Schrecken im Gebäude und davor dauerte 15 Minuten, dann überwältigte das zur Hilfe geeilte Spezialeinsatzkommando (SEK) den Amokläufer auf dem Dach der Schulmensa. Die Lehrer und Schüler mussten trotzdem noch stundenlang im Schulgebäude und später in der Sporthalle ausharren, weil der große Schulkomplex erst von zahlreichen SEK-Einheiten durchkämmt werden musste. Ein Molotowcocktail liegt zerschellt in der Halle der Bielefelder Schule Die Ermittler der Abteilung für politische Straftaten werfen dem Bielefelder nun wegen der gezielten Schüsse auf neun Personen neunfache gefährliche Körperverletzung vor. In acht Fällen blieb es bei den Schüssen beim Versuch einer Körperverletzung. Hinzu kommen laut Bosse der Straftatbestand der Störung des öffentlichen Friedens, Bedrohung, Nötigung und mehrere Verstöße gegen das Waffengesetz. Denn der Bielefelder hatte nicht nur die mit Platzpatronen geladenen Schreckschusswaffen dabei. In seinem Rucksack fanden sich später noch eine Machete, ein Kampfmesser, ein Dolch, neun Molotowcocktails und rund 50 Platzpatronen. Eingesetzt wurde keine dieser zusätzlichen Waffen. Lediglich in der Eingangshalle der Schule lagen die Reste eines zersplitterten Molotowcocktails. &bdquo;Der wurde aber nicht entzündet. Es blieb unklar, ob der Angeschuldigte die Flasche lediglich aus dem Rucksack verloren hatte oder ob er die Brennflüssigkeit nicht entzünden konnte.“ Jemanden zu töten, sei nicht das Ziel des Angeklagten gewesen Die Frage nach dem Motiv der Tat bleibt angesichts der psychischen Krankheit des Beschuldigten unklar. Die Sicherheitsbehörden hatten ihn bereits als potenziellen Gefährder auf dem Schirm. Er soll in den vergangenen zwei Jahren im Ausland über das Internet Straftaten und Amokläufe angedroht haben. &bdquo;Er hat sich intensiv mit Amokläufen beschäftigt“, fügt Staatsanwältin Bosse noch an. Die Anklage geht davon aus, dass der 21-Jährige an jenem Tag den Schulleiter und zahlreiche Schüler des Berufskollegs mit seinem Verhalten in Angst und Schrecken versetzen wollte. Jemanden zu töten, sei nicht sein Ziel gewesen, heißt es in der Anklage. Das aber konnten die bedrohten Schüler und Lehrer nicht erkennen. Viele von ihnen erlebten Panik und Todesangst in ihrer eigenen Schule. US-Geheimdienst meldet Bielefelder Amok-Video an Bielefelder Behörde Hat der Täter hier also seine gewalttätigen Macht- und Tötungsfantasien ausgelebt? Möglich. Nach Angaben eines psychiatrischen Sachverständigen handelte der junge Mann, der kein Schüler des Berufskollegs war, im Zustand verminderter Schuldfähigkeit. Er ist als durch seine Krankheit eingeschränkt, litt aber nicht unter Wahnideen. Zwei Jahre lang war er ohnehin bereits in psychiatrischer Behandlung, lebte in einer Wohngruppe und wurde betreut. Trotzdem verfolgt die Staatsanwaltschaft nun die Unterbringung des Angeklagten, so Bosse. Trotzdem hatte er am Tag der Tat ein 90-sekündiges Video mit zusammengeschnittenen martialischen Bildern und Heavy-Metal-Musik im Internet veröffentlicht. Ausländische Behörden hatten das Video durch automatische Scans schnell erkannt und innerhalb kürzester Zeit gestoppt. Die deutschen Behörden erfuhren davon am Nachmittag – also nach dem Amoklauf. 21-Jähriger Bielefelder wird nach Jugendstrafrecht beurteilt Laut Staatsanwältin Bosse habe der 21-Jährige die Taten eingestanden. Seit seiner Festnahme ist der Bielefelder in einer forensischen Klinik untergebracht. Der Prozess des Heranwachsenden wird vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Bielefeld stattfinden. Die erste Verhandlung startet am 2. Dezember.

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