Ungewöhnliche Entdeckung in einem alten Keller im Bielefelder Süden

Bielefeld. Instagram, Facebook ... Heimatblätter und Heimatverein - wie passt das denn zusammen? Gut, meinen die Mitglieder des Brackweder Vereins, der in seinem Jubiläumsjahr - gefeiert wird der 75. Geburtstag - auf neuen Wege wandelt. Digital (neben der eigenen Homepage) auf Instagram und Facebook, organisatorisch mit neuen Kooperationen, inhaltlich mit neuen Projekten und ganz real im Keller des ehemaligen "Roten Amtes". Wo Heimatpflegerin Rosemary Flöthmann und ihre Mitstreiter zusammen mit städtischen Baufachleuten auch eine unerwartete Entdeckung gemacht haben. Das "Rote Amt" Seit Ende der 80er Jahre logiert der Heimatverein im ehemaligen "Roten Amt". Das denkmalgeschützte Backsteingebäude an der Ecke Stadtring/Cheruskerstraße wurde 1898 errichtet: als Verwaltungssitz des Amts Brackwede, das für Brackwede, aber auch für Senne und Sennestadt (damals Senne II) zuständig war und 1969 aufgelöst wurde. Aus der Amtszeit stammen der Zellentrakt und die Kantine im Keller, ebenso wie die kostbaren farbigen Glasfenster im Treppenhaus. Gefertigt hat sie der Bielefelder Glasmaler Winterfeld mit Motiven aus Industrie, Handel, Handwerk und Landwirtschaft (1951 und 1952 entstanden). Heute nutzt der Heimatverein den Keller und den ersten Stock, die Volkshochschule den zweiten, ganz oben ist die Stube der Wansener, einem kleinen Vertriebenenverein. Die Arrestzellen Rosemary Flöthmann geht voran in den Keller, vorbei an historischen Gaststätten-Bildern. Den alten Bodenbelag am Treppenabsatz hat die Stadt herausreißen lassen. Er sei asbestverseucht gewesen, berichtet die Heimatpflegerin. In einem Archivraum lagern alte Exemplare der Freien Presse, Asta-Zeitungen und Brackweder Heimatblätter. Es riecht ein wenig muffig. Etwas weiter ist das frühere Brackweder "Gefängnis" von 1936, mit drei Arrestzellen, die Abtrennungen sind noch im Betonboden erkennbar. Eine besteht noch, hier fristet Museumspuppe Karsten auf dem harten Bett ein trauriges Dasein, mit Blick auf ein großes Repro-Bild der Brackweder Polizei (Original von 1910) und das vergitterte Kellerfenster. Hinter ihm an der Wand haben sich ehemalige Zellengenossen verewigt, die Schriften kamen bei den Renovierungsarbeiten zum Vorschein. So mancher sei hier "zur Ausnüchterung nach dem Schweinemarkt" gelandet, berichtet Flöthmann. Die Kantine Untergebracht war im Keller auch die Amtskantine aus den 50er Jahren mit dunkel vertäfelten Wänden und einem alten Steinfußboden, der erst kürzlich unter dem 30, 40 Jahre alten Teppich auftauchte. "Er ist noch älter als die Kantine, er stammt von 1898", berichtet die Heimatpflegerin. "Das ist eine wirkliche Entdeckung." Die grauen Steine haben den jahrelangen Wasserschaden gut überstanden. Anders als die Vertäfelung, hinter der sich zentimeterdick der Schimmel ausgebreitet hatte. Nach einem halben Jahr mit Trocknungsgeräten und einer Rundumrenovierung muss jetzt nur noch der Teppich überall entfernt werden. Flöthmann lobt das Engagement des städtischen ISB, "die machen das toll hier". Eine alte Theke steht schon, an einer Seite reiht sich die Steinkrugsammlung der ehemaligen Brackweder Gaststätte Frische. Demnächst sollen noch alte Gaststättenmöbel aus der Wansener Stube hier hinuntergebracht werden. Der Verein Die Arreststube und die alte Kantine sollen bald der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schon jetzt können Besucher die alte Werkstatt von Schustermeister Günter Karmann und die einzigartige historische Fahrradwerkstatt bewundern, neben vielen Kostbarkeiten aus der Geschichte des Stadtbezirks. Die Ausstellungen hier, die Heimatblätter, die Wanderungen - in diesem Jahr etwa auf dem Wappenweg - sowie weiteren Veranstaltungen in Kooperation mit den Heimatvereinen Senne und Quelle - all das hat dazu beigetragen, dass im 75. Vereinsjahr immer mehr Interessierte und Neumitglieder gibt. "In den vergangenen zwei Jahren hatten wir 23 Neueintritte", erzählt die Heimatpflegerin. Der jüngste ist Anfang 20. Grund genug für Rosemary Flöthmann und ihren Mann Tobias, der Vorsitzender des Vereins ist, positiv in die Zukunft zu schauen: "Wir sind guter Dinge - und gut aufgestellt."

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